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Shadow Riders

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August 2021

Mitten in den USA

An die Vereinigten Staaten von Amerika würde er sich gewöhnen können. Tiger genoss es, den Fahrtwind zu spüren, während sie die schnurgerade Fahrbahn entlang brausten. Die Weite der Landschaft war beeindruckend und die Straßen schienen nie ein Ende zu nehmen.

Gelegenheit genug, die Gedanken schweifen zu lassen.

Seit etwa drei Wochen kurvten sie quer durch die Staaten. Die grobe Richtung war westwärts, doch seine Liste der MCs, die sie abklapperten, zwang sie immer wieder zu Kursänderungen. Entsprechend abwechslungsreich gestaltete sich die Fahrt, und die Stimmung der Road Bastards war ziemlich gut.

Auch Bernart Dierolf hielt sich wacker. Für einen Hobby-Biker fuhr er einen heißen Reifen und scheute kein Wagnis. Nun, wenn man Wolf war, konnte man sich wohl einige Risiken leisten. Tiger hatte sich inzwischen an den Gedanken gewöhnt, dass es Werwölfe gab. Das hieß aber nicht, dass er diese Biester sympathisch fand.

Runner war sein Bruder. Das war klar. Ihm vertraute er, wenn nötig, auch sein Leben an. Doch die Kriegerwölfe in Europa waren ein anderes Kapitel. Sie waren eindeutig gefährlich und lebten nach eigenen Regeln und Moralvorstellungen. Nun ja, das taten die Road Bastards natürlich auch. Weswegen sie vermutlich so gut mit den Wölfen zusammen arbeiteten. Freundschaft verband sie aber keinesfalls. Sie respektierten sich, das war auch schon alles.

Bernart Dierolf war ihm dagegen immer noch ein Rätsel. Dieser Wolf war genauso knurrig und brummig wie Runner und strahlte eine düstere Seite aus, die Tiger noch nicht ergründen konnte. Runner hatte ihm verraten, dass Dierolf ein Außenseiter in seinem Volk war, und lange Zeit von seinen Artgenossen gejagt wurde. Außerdem war er wohl ziemlich alt. Runner hatte ihn auf über dreihundert Jahre geschätzt, und Tiger würde dem nicht widersprechen. In den Augen des Wolfes konnte man lesen, dass er schon viel erlebt und mit Sicherheit auch durchlitten hatte.

Trotzdem wirkte er nicht verbittert oder lebensmüde.

Aber er hielt Abstand. Und beobachtete.

Tiger fing an, Dierolf trotz seiner Rätselhaftigkeit zu mögen. Zumal dieser sich nahtlos in die Hierarchie und die Aktivitäten der Outlaws einfügte. Die Jungs genossen es, den „Alten“ zu piesacken, und drückten ihm sämtliche ungeliebten Arbeiten auf. Er schluckte es ohne Murren, so wie es sich für einen angehenden Prospect gehörte. Manchmal hatte Tiger sogar den Eindruck, dass der Wolf sich amüsierte.

Er war gespannt, ob das so bleiben würde. So manch gestandener Mann hatte schon nach wenigen Wochen aufgegeben und die Anwärter-Zeit abgebrochen. Oder sie schlichtweg nicht überlebt. Dierolf traute er es zu, durchzuhalten. Der Mann wirkte wie einer, der, einmal angefangen, alles durchzog. Egal wie. Und das imponierte Tiger.

Bisher war der Wolf auch in den MCs gut angekommen. Er hatte sich bei Bedarf ein Mädchen gekrallt, einige Schlägereien mühelos überstanden und war respektvoll geblieben. Gute Voraussetzungen für ein Leben bei den Bastards.

Das Einzige, was nervte, war, dass Dierolf inoffiziell Babysitter spielte. Er mischte sich nicht in die Geschäfte der Bastards ein, doch für Tigers Geschmack bekam er trotzdem zu viel mit.

Kriminalität war auch bei Wölfen nicht erwünscht, das hatte Tiger von Chief Martinak mehrfach unter die Nase gerieben bekommen. Natürlich hielt ihn das nicht davon ab, seinen Geschäften trotzdem nachzugehen. Sie waren schließlich Teil seines Jobs. Doch je weniger die Wölfe erfuhren, desto besser.

Und Bernart Dierolf war ein Unsicherheitsfaktor, da gab er sich keinen Illusionen hin. Je mehr der Wolf erfuhr, desto mehr Ärger konnte er machen. Aber noch war Tiger nicht eingefallen, wie er seinen „Babysitter“ unauffällig loswerden konnte. Und Runner war in dem Fall auch keine Hilfe, zumal er sich mit Dierolf immer besser verstand. Die zwei Wölfe hatten zunächst Abstand gewahrt. Aber das Zusammenfahren schweißte automatisch zusammen und die beiden schienen sich inzwischen zu respektieren.

Tiger warf einen Blick auf sein Navi. Zwei Stunden Fahrt lagen noch vor ihnen. Zeit für einen Tankstopp.

Bei dem nächsten Hinweisschild gab er das entsprechende Handzeichen. Kurze danach fuhren sie auf den ausgewiesenen Rastplatz, direkt vor die Zapfsäulen.

Wie immer fielen sie auf. Neugierige, vor allem aber furchtsame Blicke glitten über die Biker.

Tiger nickte Dierolf zu, während er abstieg, und grinste dabei zufrieden. Doch, es war äußerst angenehm, wieder einen Anwärter in seiner Truppe zu haben.

Bis auf Dierolf marschierten alle Richtung Shop.

Der Wolf fing kommentarlos an, die Maschinen zu betanken.

Eine halbe Stunde später waren die Bikes mit Sprit und die Biker mit Kaffee abgefüllt.

Auch Dierolf konnte einen Becher der schwarzen Plörre ergattern, mit dem er sich sofort wieder nach draußen verzog, um auf die Bikes aufzupassen. Zwar war es äußerst unwahrscheinlich, dass irgendjemand es wagen würde, den Motorrädern zu nahe zu kommen, aber Tiger ging kein Risiko ein. Die Gepflogenheiten dieses Landes waren ihm noch zu fremd, und sie konnten sich keinen unnötigen Ärger leisten.

Runner stieß ihn von der Seite an und zeigte mit dem Kinn nach draußen.

Tiger folgte seinem Blick und erhob sich dann langsam.

Bernart Dierolf hatte seine lässige Haltung verloren und stand wachsam mit verschränkten Armen vor den Bikes. Jetzt sah Tiger auch den Grund für seine Anspannung.

Acht schwere Motorräder rollten auf die Zapfsäulen zu. Ihre Fahrer wirkten wie aus einem finsteren Bikerfilm. Schwarzes Leder von oben bis unten, schwarze, geschlossene Helme und eine ebenso schwarze Kutte. Auf dem Rücken stand der Schriftzug „Shadow Riders MC“. Das Logo darunter zeigte einen schwarzen Harleyfahrer auf weißem Grund. Tiger vermisste die Orts-Kennzeichnung. Ob das auch Nomads waren? Ein wanderndes Chapter?

„Fuck!“, murmelte Runner neben ihm.

„Warum?“

„Wölfe!“, kam die leise gezischte Antwort.

Tiger hob überrascht die Augenbrauen. „Alle?“

„Sieht so aus!“

Runner wirkte ebenso überrascht wie er selbst.

Der Clubname sagte Tiger nichts, was nicht viel heißen musste. MCs gab es wie Sand am Meer. Allerdings bezweifelte Tiger, dass es viele Clubs gab, deren Mitglieder aus Werwölfen bestanden. Auch Runners Gesicht ließ ihn das bezweifeln.

Inzwischen waren auch die anderen Nomads aufmerksam geworden und sie stiefelten geschlossen nach draußen.

Dass Ärger in der Luft lag, rochen sogar Menschennasen.

Die Shadow Riders waren mittlerweile abgestiegen und hatten sich vor Dierolf aufgebaut. Dieser ließ sich ganz offensichtlich nicht davon einschüchtern, was ihm in Tigers Augen einen weiteren Pluspunkt einbrachte. Ohne ein Wort stellte er sich neben Dierolf und verschränkte ebenfalls die Arme. Runner begab sich auf Dierolfs andere Seite, während die restlichen Nomads sich hinter ihnen positionierten.

Niemand sprach ein Wort, aber die Luft war geschwängert mit Aggressivität und Misstrauen. Eine gefährliche Mischung.

Schließlich zog sich der Anführer der Biker den Helm vom Kopf und Tiger blickte in wolfsgrüne Augen. Die anderen Biker folgten dem Beispiel.

Tiger zwang sich, nicht zu blinzeln. Runner hatte tatsächlich recht (nicht, dass er es eine Sekunde bezweifelt hätte). Alle Biker hatten Wolfsaugen. Und alle wirkten, freundlich ausgedrückt, ziemlich angefressen. Der President der Truppe ließ seinen Blick zwischen Runner, Dierolf und Tiger schweifen und schien unentschlossen zu sein, wen er anzusprechen hatte.

„Ich bin Tiger“, nahm dieser ihm schließlich die Entscheidung ab. „President der Nomads von den Road Bastards. Gibt es irgendein Problem?“

„Sag du es mir“, knurrte der andere zurück. Seinen Patches auf der Kutte hatte Tiger längst entnommen, dass vor ihm Storm, President der Shadow Riders und ein ganz böser Junge stand. Patches waren da sehr informativ, wenn man sie lesen konnte. Genauso war für Storm zu sehen, dass Tiger auch kein Waisenknabe war. Zumindest was die Menge an Patches anging, waren sie sich ebenbürtig. Und dass sich beide zu den Outlaws zählten, war ebenso ersichtlich.

Storm war groß. Nicht ganz so groß wie Tiger, aber er kam nahe heran. Breite Schultern und dicke Oberarme verrieten, dass er kein leichter Gegner sein würde. Der President trug lange schwarze Haare und einen genauso schwarzen Zottelbart. Das Misstrauen quoll aus jeder seiner Poren.

„Wir haben keins“, grinste Tiger und hielt dem Blickduell stand.

„Was machen deutsche Bastards hier?“

„Wir sind geschäftlich unterwegs.“

Das war nicht gelogen, und Tiger wusste, dass der Wolf vor ihm das riechen konnte. In diesem Fall sehr praktisch. Ansonsten ziemlich lästig.

Storm sah zu Runner und Dierolf.

„Und was machen die beiden bei euch?“

„Runner ist schon seit Jahren unser Bruder. Und Dierolf ...“ Tiger warf einen amüsierten Blick zu Bernart. „Nun, er versucht sich seit ein paar Tagen als Biker.“

Storm sah auf die Tätowierungen an Dierolfs Armen und stieß ein genervtes „Fuck“ aus, was Tiger noch breiter grinsen ließ. Offensichtlich hatte der Biker jetzt erst erkannt, dass vor ihm ein Ranger stand. Er wirkte nicht gerade glücklich darüber. Tiger hatte vollstes Verständnis dafür.

Er beugte sich vor.

„Sagt dir der Name Martinak was?“

Dierolf murmelte einen leisen Fluch, der irgendwie nach „Biker-Idiot“ klang.

Storm ließ eine Augenbraue nach oben wandern.

„Du meinst nicht zufällig den Chief der Europe Security?“

„Genau den. Er hat mir höchstpersönlich die Erlaubnis erteilt, einen Trip durch euer reizendes Land zu machen. Und Chief Bryan hat ebenfalls zugestimmt.“

Storm sah zu Dierolf, der nicht eine Miene verzog. Dann blickte er zu den anderen Nomads, die mit verkniffenen Gesichtern die Shadow Riders im Blick behielten.

Tiger war klar, dass er ein gefährliches Spiel betrieb. Bis auf Ork waren seine Männer ahnungslos. Den Namen Martinak kannten sie zwar, die Hintergründe jedoch nicht. Und es war eindeutig besser, wenn das auch so blieb.

Allerdings wirkten die Shadow Riders hochgradig nervös. Vermutlich weil zwei Wölfe mit ihm fuhren. Sicher war er sich aber nicht. Also galt es herauszufinden, was Storms Problem war. Und dieser sah das offenbar genauso.

„Ich schätze, wir sollten reden.“ Storm wies mit dem Kinn zu einer Bank, die einsam auf dem Parkplatz stand. Weit genug weg, um selbst Wolfsohren auszuschließen.

Tiger nickte und die beiden Männer stiefelten nebeneinander los. Zu Tigers Erleichterung blieb Dierolf zurück.

Guter Mann. Er beschloss, dem Wolf bei nächster Gelegenheit mindestens ein Bier zu spendieren.

Sie hockten sich einander gegenüber und starrten sich wieder an.

Diesmal brach Storm das Schweigen. „Jetzt bin ich echt gespannt.“

Tiger grinste dünn. „Kann ich mir vorstellen. Also gut. Ich fasse mich kurz. Seit etwa eineinhalb Jahren weiß ich, dass Runner Wolf ist.“

„Und du lebst noch, weil ...?“

„Ork und ich haben ihm und seinem Rudel geholfen, ein paar miese Frauenschänder zu stellen. Martinak war davon zumindest so angetan, dass er uns eine Chance eingeräumt hat. Ab und zu übernehmen wir für ihn Drecksarbeit, dafür lässt er uns in Ruhe.“

„Was ist mit deinen anderen Männern?“

„Die sind ahnungslos.“

Storm hob zweifelnd die Augenbrauen. „Und du glaubst, das bleibt so?“

Tiger zuckte mit den Schultern. „Bis jetzt hat es funktioniert. Alles andere wird sich zeigen.“

„Und was macht der Ranger in deiner Truppe?“

„Dierolf?“ Tiger stieß ein amüsiertes Grunzen aus. „Er spielt für die Dauer unseres Aufenthalts den Babysitter. Euer Chief Bryan traut mir wohl nicht allzu sehr. Aber ich will mich nicht beschweren. Der Mann scheint in Ordnung zu sein. Und er erfüllt seine Pflichten als Anwärter tadellos.“

Storm entglitt ein ungläubiges Schnauben.

„Anwärter? Im Ernst? Fuck, das höre ich zum ersten Mal. Normalerweise machen die Kerle so einen Scheiß nicht mit. Zumindest die Krieger nicht.“

„Ich vermute mal, ihr seid keine Freunde.“

Storm verzog das Gesicht. „Wohl wahr.“

„Wenn die Ranger so drauf sind wie Martinaks Leute, kann ich das sehr gut verstehen.“

„Also gut, das wäre geklärt. Jetzt verrate mir noch, was du in den Staaten zu suchen hast.“

Tiger lehnte sich zurück und betrachtete seine Fingernägel.

„Nun, sagen wir mal so. Ich muss für einige Zeit ein paar Meilen zwischen mich und das Good Old Germany legen. Eine hervorragende Gelegenheit, um alte Geschäftskontakte aufzumöbeln und neue zu knüpfen. Mein Pres, Big Man, hat mir entsprechende Vollmachten erteilt.“

„Big Man, hmm?“ Offenbar kannte Storm den Namen und er wirkte beeindruckt. „Hab gehört, dass dieser Bastard ein ziemlich abgefuckter Arsch ist.“

Tiger lächelte schmal.

„Mag sein. Aber er ist ein ausgesprochen intelligenter abgefuckter Arsch. Und zufällig mein Boss.“

„Sorry, aber wenn du kein Problem damit hast für einen abgefuckten Arsch zu arbeiten, was sagt das dann über dich aus?“

„Na was wohl?“ Tigers Lächeln verzog sich zu einem breiten Grinsen. „Ich habe mir sagen lassen, dass ich ein noch größerer Arsch sein kann. Aber jetzt weißt du das Wichtigste von mir. Was ist mit dir und deinen Jungs? Probleme mit den Rangers?“

Es war ein Schuss ins Blaue, aber er saß.

Storm verzog wieder das Gesicht.

„Wir sind definitiv keine Freunde“, gab er dann zu. „Unsere Babysitter tauchen ab und zu auf und machen Stress. Nichts, womit wir nicht klarkommen.“

Das glaubte Tiger ihm sofort. Ihm war nicht entgangen, dass die Mitglieder der Shadow Riders schwerstes Kaliber waren. Dafür hatte er eine gute Nase. Mit Sicherheit hatten alle eine Menge Dreck am Stecken. Das machte sie geradezu sympathisch. Er bohrte nicht weiter nach. Wölfe waren ein misstrauisches Volk, das hatte er inzwischen gelernt. Und noch waren sie keine Freunde.

„Wo wollt ihr als Nächstes hin?“, fragte der Rider.

„Den Rebel Corps einen Besuch abstatten.“

„Geschäftspartner?“

„Noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja vielleicht werden. Kennst du die Jungs?“

„Hab nur von Memphis, ihrem Pres gehört. Hat nen hohen Frauenverschleiß und steht auf Whiskey.“

Tiger entglitt ein amüsiertes Auflachen. „Hört sich an, als könnte Big Man ihn mögen. Ich werde es wohl bald wissen. Was ist mit euch? Habt ihr ein Ziel?“

„Kein Clubhaus, kein Ziel.“

Storm schien nachzudenken. Seinem Gesicht sah man es nicht an, doch in den grünen Augen las Tiger umso mehr. Der Mann vor ihm war hochgradig neugierig.

„Normalerweise gehen mir andere MCs am Arsch vorbei“, meinte der Rider schließlich. „Aber dass Kerle wie du mit der Erlaubnis der Chiefs Geschäfte tätigen, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Wissen die wirklich, was du hier treibst?“

Wieder musste Tiger grinsen. Das reichte, um Storm auflachen zu lassen.

„Dachte ich‘s mir doch. Und dieser Dierolf? Peilt er die Situation?“

Tiger sah zu besagtem Wolf, der mit finsterer Miene und verschränkten Armen die beiden Presidents nicht aus den Augen ließ. Als sich ihre Blicke trafen, hob Dierolf nur kurz den Mittelfinger. Auch Storm entging das nicht.

„Anscheinend schon“, grinste er. „Aber du solltest ihm nicht trauen. Ranger sind verdammt beschissene Moralapostel.“

Tiger zuckte die Schultern. „Ich schätze mal, er ist ein Sonderfall. Wenn du mehr wissen willst, frag Runner. Der kann dir eine Menge Storys über Bernart Dierolf erzählen. Der Mann scheint in Europa eine Legende zu sein.“

„Und warum ist er hier?“

Wieder hob Tiger die Schultern. „Hat sich wohl mit so ziemlich jedem Leitwolf angelegt. Die wollten ihn loswerden. Und da er seit kurzem der Schwiegervater von Tucker O’Brian ist, hat es ihn irgendwie hierher verschlagen.“

„Fuck!“ Der Rider sah ihn ungläubig an. „Du redest nicht von dem Tucker O’Brian?“

„Ich kenne nur einen“, antwortete Tiger trocken. „Und der ist Rudelführer in Minnesota.“

„Fuck“, wiederholte Storm. „Der Mann ist eine Legende.“

„Möglich, das kannst du wohl besser beurteilen. Ich habe ihn nur kurz getroffen. Vermutlich verdanke ich ihm sogar mein Leben. Runner meint, dass er Martinak dazu gebracht hat, Ork und mich nicht zu Frischfleisch zu verarbeiten.“ Er verzog das Gesicht zu einer grimmigen Miene. „Nicht, dass ich es ihm leicht gemacht hätte.“

Storms Neugier war jetzt deutlich zu erkennen. Er lehnte sich zurück und betrachtete Tiger mit verkniffener Miene.

„Okay“, meinte er schließlich. „Ich gebe zu, das klingt interessant. Ein Outlaw, der Kriegerwölfen eine lange Nase dreht und mit Legenden auf Du und Du steht. Das schreit geradezu nach Ärger. Ihr braucht nicht zufällig noch ein paar Fremdenführer?“

Tiger konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken.

Halleluja. Das versprach interessant zu werden. Wenn er sich nicht täuschte, genossen diese Wölfe einen einschüchternden Ruf bei den örtlichen MCs. Mit ihnen im Gefolge würde er mit Sicherheit schneller das Vertrauen anderer Outlaws gewinnen. Und das hieß: weniger Zeiteinsatz und weniger Stress.

„Ich denke, Fremdenführer kann man nie genug haben.“

Er streckte ihm die Hand hin und Storm schlug ein. Sein Händedruck war schmerzhaft, aber Tiger verzog keine Miene. Solange es bei dieser Art von Kräftemessen blieb, war alles bestens.

Als sie ihre Männer erreichten, war die Stimmung bereits deutlich entspannter. Sofern sich die Anführer einig waren, herrschte Frieden.

Tiger war gespannt, wie lange das anhalten würde.

„Ich hoffe sehr, du weißt, was du da tust“, murmelte Dierolf, als Tiger an ihm vorbeiging.

„Was ist dein Problem, Hangaround? Solltest du nicht eher froh sein, dass wir noch mehr Babysitter am Hals haben?“

Dierolf ignorierte seinen Spott und erwiderte den Blick ungerührt. „Halte mich nicht für dämlich, Tiger! Dass du deine kriminellen Geschäfte hier abwickelst, finde ich zum Kotzen. Aber die Kerle hier ... Dir sollte klar sein, dass die Jungs der Abschaum unserer Gesellschaft sind. Die leben nur noch, weil sie geschworen haben, niemanden mehr zu töten, und weil sie sich von den Rangers kontrollieren lassen.“

„Na, da haben wir ja ziemlich viel gemeinsam“, lächelte Tiger böse. „Da steht doch einer Freundschaft wenig im Weg. Außer vielleicht gewisse Babysitter, die ihre Ohren zu weit aufsperren.“

Dierolf schnaufte verächtlich. „Spar dir deine unsubtilen Drohungen. Solange kein Mensch zu Schaden kommt, höre ich weg. Aber ich lass mich nicht verarschen.“

„Das ist mir klar, ob du’s glaubst oder nicht.“ Tiger nickte ihm zu. Er wollte den Ranger nicht verärgern. Schließlich brauchte er ihn als Alibi. „Und falls es dich beruhigt: Ich habe nicht vor, jemanden umzubringen. Zumindest nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Abgesehen davon werden die Riders durchaus nützlich sein. Die kennen hier viele MCs und können uns den Kontakt erleichtern. Und das bedeutet: mehr Muschis und mehr Bier.“

Dierolf schnaufte unwillig. „Euer größter Lebenszweck, nicht wahr? Ficken und saufen.“

„Alles zu seiner Zeit“, grinste Tiger. Er klopfte ihm auf die Schulter. „Sobald die Riders getankt haben, brechen wir auf. Du könntest solange unsere Vorräte kontrollieren und aufstocken.“

Dierolf schüttelte genervt den Kopf. „Ehrlich, Biker. Irgendwann trete ich dir persönlich in den Arsch. Das wird mir ein echtes Vergnügen sein.“

Tiger sah ihm amüsiert hinterher. Vielleicht war es Dierolf nicht bewusst, aber zumindest was seine Ausdrucksweise anging, passte er sich den Outlaws immer mehr an. Und nach außen hin war kein Unterschied zwischen ihm und den Bastards auszumachen. Er redete wie sie, bewegte sich wie sie und verhielt sich nach den gleichen Mustern. Tiger war gespannt, wann Dierolf bemerkte, dass er der geborene Biker war. Die Reaktion würde interessant sein.

Eine halbe Stunde später röhrten sechszehn schwere Maschinen die Straße nach Westen. Vorneweg fuhren Tiger und Storm. Das Schlusslicht bildete wie immer Bernart Dierolf.

Niemand stellte sich diesem Pulk in den Weg. Jeder war bestrebt, möglichst schnell viel Abstand zwischen sich und die Biker zu bringen.

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