Читать книгу Wandlerin - Ana Marna - Страница 14
Keine Freunde
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Missouri
Ungeduldig starrte Erdil auf das Flugfeld und versuchte, seine schlechte Laune in den Griff zu bekommen.
Die Anweisungen von Asher Hunter waren eindeutig gewesen: Holt die Wölfe vom Flugfeld ab und setzt sie auf die Spur!
So weit so gut. Doch offenbar kam die versprochene Unterstützung von weit her, denn sie hockten jetzt schon über zwei Stunden in der ungemütlichen Baracke und versuchten, sich gegenseitig nicht auf den Geist zu gehen.
Leo wirkte ebenso schlecht gelaunt, was das Ganze nicht erträglicher machte. Sie hatten Karina Wells Geruch bis außerhalb von Morton verfolgen können. Dort war sie offenbar in einen Bus gestiegen und die Wandler blieben chancenlos zurück. Manchmal verfluchte Erdil die Tatsache, dass sein Geruchssinn zwar besser war als der von Menschen, dem der Wölfe aber deutlich unterlegen.
Die Aussicht, die kommenden Tage mit zwei Fellträgern verbringen zu müssen, war alles andere als motivierend.
Wölfe und Wandler konnten sich sprichwörtlich nicht riechen. So war es schon immer gewesen und von Erdils Seite aus konnte das auch so bleiben. Sie hatten nur eine Sache gemeinsam: Beide Arten waren potenziell aggressiv. Wandler sogar aggressiver noch als Wölfe. Ansonsten gab es nur Unterschiede. Wandler waren Einzelgänger, Wölfe Rudelwesen. Wandler waren, wenn sie sich überhaupt eine Partnerin nahmen, monogam. Wölfe neigten eher zu Polygamie. Entsprechend mehr Nachwuchs zeugten sie, weshalb es auch deutlich mehr Wölfe als Wandler gab. Ein Punkt, der Erdil besonders ärgerte.
Wölfe machten sich keine Sorgen über Fortpflanzung. Zwar wurden nicht all ihre Kinder zu Wölfen, doch auch nicht gewandelte Familienmitglieder blieben im Rudel und genossen dessen Schutz.
Wandler fanden nur selten eine Partnerin, da ihre aggressive und cholerische Art nur schwer zu ertragen war. Und dieser Unbeherrschtheit fielen auch so manche Kinder zum Opfer. Dass die meisten Knaben die Wandlung nicht überstanden, war umso schwerer zu akzeptieren.
Erdil hatte sich bisher bewusst gegen eine Familie entschieden. In den letzten dreihundert Jahren hatte er zu oft mit angesehen, wie Artgenossen unter dem Verlust geliebter Menschen gelitten hatten.
Als Sophia Hunters Gene aktiviert wurden, hatte vermutlich nicht nur er kurz überlegt, ob sie eine passende Partnerin sein könnte. Doch Erdil sah in der jungen Frau eher eine Ersatztochter, denn eine Lebenspartnerin. Er hatte sie aufwachsen sehen und mochte sie. Mehr aber auch nicht. Dass Medon bei der Kleinen zum Zug gekommen war, hatte ihn trotzdem zunächst geärgert. Doch Sophia schien glücklich zu sein und das war vermutlich alles, was zählte.
Er sah wieder aufs Flugfeld und richtete sich unwillkürlich auf. Ein Hubschrauber näherte sich und setzte kurz darauf zur Landung an.
Erdil beobachtete aus zusammengekniffenen Augen, wie zwei breitgebaute Männer heraussprangen. Das Outfit kam ihm irgendwie bekannt vor. Schwarzes Leder von oben bis unten.
Der blonde Hüne beugte sich noch einmal in das Innere der Maschine und Erdil erhaschte einen kurzen Blick auf rotschimmernde Locken und schlanke Arme, die sich um den breiten Kriegernacken legten. Dann zog der Mann sich wieder zurück und stapfte zusammen mit dem anderen auf das Fluggebäude zu.
Nach wenigen Metern wusste Erdil, wer sich da näherte, und murmelte eine leise Verwünschung.
Henry Graves und Mort Byers.
Das hätte er sich eigentlich denken können. Vor ungefähr zwei Jahren hatten sie sich in Italien kennengelernt. Zu der Zeit war Erdil noch Leibwächter für Sophia und Nathalie Bates gewesen. Die Wölfe nutzten damals Sophias Wandlerfähigkeiten, um an Informationen über einige kriminelle Wilderer zu kommen. Es war Sophias erster Job gewesen und sie hatte ihn mit Bravour gemeistert. Was sicher auch Erdils Verdienst war. Immerhin hatte er sie mit ausgebildet.
Die beiden Ankömmlinge betraten das Gebäude und kurz darauf standen sich Wandler und Wölfe gegenüber.
Sie beäugten sich mit dem üblichen Misstrauen, dann grinste Henry Graves Erdil an.
„Lange nicht gesehen. Wie geht es der kleinen Sophia?“
„Bestens“, knurrte Erdil. Das Interesse des Wolfes an Hunters Tochter gefiel ihm nicht.
Henry Graves lachte leise. „Nur nicht zu viel geplaudert.“
Dann nickte er auch Leo zu. Dieser kannte die beiden Wölfe besser, so viel wusste Erdil. Immerhin hatten sie zusammen mehrere Tage auf Hunters Landsitz verbracht, wo dieser zum ersten Mal auf Nathalie Bates getroffen war. Freunde waren sie natürlich nicht geworden. Man akzeptierte sich, mehr nicht. Doch das war schon eine ganze Menge.
Erdil riss sich zusammen. Diese Gedanken waren verschwendete Zeit. Sie mussten Karina Wells aufspüren.
In kurzen Sätzen erläuterte er die Situation.
Die Wölfe hörten konzentriert zu. Dann brummte Henry zustimmend. „Okay, wir fangen da an, wo ihr aufgehört habt.“
Sie fuhren bis zu besagter Bushaltestelle und Erdil war mehr als froh, dass er einen großen SUV gemietet hatte. Die beiden Kriegerwölfe füllten die komplette Rückbank aus.
Erdil fühlte sich äußerst unwohl auf dem Beifahrersitz. Zwei Kriegerwölfe hinter sich zu wissen, zerrte erheblich an seinem Nervenkostüm. Und Leo schien es nicht anders zu gehen. Er steuerte den SUV mit verkniffenem Gesicht und sah alle paar Sekunden in den Rückspiegel.
Irgendwann stieß Graves ein genervtes Schnauben aus.
„Wandler, wir haben nicht vor, euch von hinten zu meucheln. Könntet ihr einen Gang runterschalten? Mein Partner wird schon ganz unruhig.“
„Na, das beruhigt ja außerordentlich“, knurrte Erdil zurück, versuchte aber, seinen Herzschlag zu verlangsamen. Der Wolf hatte natürlich recht, doch Instinkte waren nun mal schwer abzulegen.
Endlich erreichten sie ihr Ziel und die Wölfe verließen den Wagen kurz, um die Witterung aufzunehmen. Dann stiegen sie wieder ein.
„Wir halten an jedem Bus Stopp“, wies Henry Leo an. „Das dauert jeweils nur ein paar Sekunden.“
Leo nickte und gab Gas. Sie benötigten etwa eine Stunde, dann war klar, dass Karina Wells ausgestiegen war und den Bus gewechselt hatte.
Erdil wurde immer unruhiger. Zwar war es bemerkenswert, dass die Wolfsnasen so etwas überhaupt erkennen konnten, doch es kostete sie viel zu viel Zeit. Karina Wells konnte inzwischen wer weiß wo gelandet sein.
Henrys Telefon zerriss mit seinem Klingeln die Stille.
Der Wolf lauschte ein paar Sekunden und stieß dann ein zufriedenes Brummen aus.
„Interstate 70, Kansas“, meinte er dann. „Da ist sie gerade gesehen worden. Gib Gas, Wandler. Im Moment scheint sie zu Fuß unterwegs zu sein. Das schenkt uns ein wenig Zeit.“
Erdil atmete erleichtert aus. Kansas war zwar noch weit entfernt, doch zumindest kannten sie jetzt die Richtung.
„Sie ist besser geworden“, kam es nach einiger Zeit von Mort Byers. „Zielgerichteter.“
Henry brummte nur, aber Erdil sah sich kurz nach dem Riesen um. Mort Byers war wohl der größte Wolf, der je geboren worden war, und Erdil wusste, dass dieser Krieger eine besondere Gabe in sich trug. Er konnte Magie riechen.
„Hast du Hexenmagie bemerkt?“, fragte er.
Mort schüttelte den Kopf. „Nein. Nur Wandler und Wolf.“
So weit war Erdil auch schon gewesen, aber er war trotzdem erleichtert. Gegen Magie anzutreten, war noch eine ganz andere Nummer als gegen Körperkraft.
„Sie ist wirklich außergewöhnlich stark und schnell“, meinte er schließlich. „Und in ihrer Wohnung waren einige Trainingsgeräte. Sie hat sich fit gehalten. Aber sie ist keine Kämpferin.“
„Du sagtest, sie hatte Angst.“ Das kam von Henry.
Erdil nickte. „Ja. Das war eindeutig zu riechen. Doch ich vermute, es war nicht ihre erste Auseinandersetzung. Sie wusste genau, wohin sie zielen musste.“
„Und sie hat nicht durchgezogen“, behauptete Leo.
„Bist du dir sicher?“ Erdil war skeptisch.
„Verdammt sicher! Es ging zwar alles sehr schnell, aber sowohl bei mir als auch bei dir hat sie den Tritt abgebremst. Sonst wären wir nicht so schnell wieder aufgestanden.“
„Na super“, murmelte Erdil. Aber wenn er sich den ganzen Vorgang noch einmal vor Augen führte, musste er Leo recht geben.
„Also zumindest scheint sie keine Killerin zu sein“, grinste Henry. „Das hört sich doch schon mal gut an. Vielleicht streichelt sie euch beim nächsten Mal.“
Erdil versuchte, den Spott zu überhören. Eine Schlägerei im Inneren eines SUVs war vermutlich keine gute Idee. Dass es irgendwann zu einer kommen würde, davon konnte man wohl ausgehen. Dieser Henry schien es geradezu herauszufordern.
Vier Stunden später fuhren sie auf den Rastplatz, an dem Karina Wells zum letzten Mal gesichtet worden war. Die Wölfe stiegen sofort aus und hoben die Köpfe. Dann joggten sie unisono los.
Erdil seufzte ergeben. Es war wohl zu viel verlangt, Erklärungen zu erwarten.
„Bleib an ihnen dran“, wies er Leo an und beobachtete wie die Ranger immer schneller wurden und dann ins Gelände abbogen.
„Mist“, fluchte Leo. „Soll ich ...“
„Nein, bleib auf der Straße und behalte die grobe Richtung bei. Die werden sich schon melden, wenn sich was ändert.“