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KAPITEL 2
ОглавлениеIn Mischas Neuköllner Einraumwohnung. Ich liege auf Mischas Diwan und kühle mir die schmerzenden Nebenhöhlen mit einem Eisbeutel. Im Fernsehen läuft Fußball, Milan gegen Manchester.
Mischa schenkt uns beiden Whisky nach. Er sieht mich interessiert an und fragt: „Und, hast du den Toulouser noch flachgelegt? Oder bist du mit dem Kater auf dem Balkon geblieben?“
Mischa ist gebürtiger Moskauer und hat seit kurzem einen deutschen Pass. Nachts verdingt sich der Vater einer sechsjährigen Tochter als Sportkommentator, tagsüber dealt er mit gebrauchter Film- und Tontechnik.
Ich sehe zu Mischa auf und antworte: „So weit ich mich erinnern kann, habe ich niemanden mehr flachgelegt. Stattdessen träumte ich, wie ich als Junge mit meiner Mutter am See baden war. Meine Mutter saß auf einer blaugrün karierten Wolldecke. Sie trug ihren gelben Bikini und sonnte sich. Ich kletterte auf dem alten Sprungturm herum und sprang ein ums andere Mal in den See. Meine Mutter sah mir vom Strand aus zu. Das Klatschen der Wellen, das Lachen der anderen Kinder, alles wirkte so friedlich. Ich kam aus dem Wasser und lief auf meine Mutter zu. Da fing ein Kind an zu weinen. Mehrere Erwachsene versuchten es zu beruhigen. Das Kind aber weinte immer mehr. Es tobte und schrie so intensiv, dass alle anderen Kinder verunsichert aufsahen. Einige stimmten in das Weinen ein. Es war ein furchtbares, herzzerreißendes Geheul. Ich erschrak und wachte auf.“
Mischa fährt sich mit der Rechten über die polierte Glatze.
„Und was ist dann passiert?“
„Ich öffnete die Augen und erschrak ein zweites Mal. Um mich herum standen lauter Kinder. Sie sahen mich von oben herab an und rümpften ihre kleinen Nasen. Als wäre ich Abfall.“
„Aber du sagtest doch, dass du dich auf den Balkon gelegt hattest? Wie können da plötzlich Kinder um dich herum stehen?“
„Es stellte sich heraus, dass der Balkon gar kein Balkon, sondern eine Terrasse war. Diese wiederum grenzte an den Spielplatz des benachbarten Kindergartens.“
„Verstehe“, antwortet Mischa und fragt: „Und bist du wieder zu den beiden in die Wohnung, oder haben die Kindergärtnerinnen deinetwegen die Polizei gerufen?“
„Die Terrassentür war seltsamerweise abgeschlossen. Zum Glück hatte ich noch immer meine Hose an, du weißt ja, der Reißverschluss hatte sich nicht öffnen lassen. Also lief ich ums Haus und klingelte ein paarmal. Da mir jedoch niemand öffnete, entschied ich mich, mit der Straßenbahn nach Hause zu fahren. Und weil ich kein Geld für eine Fahrkarte hatte, durfte ich barfuß von Weißensee bis nach Stralau laufen.“
Ich deute auf meine Füße.
„Hier, willst du meine Schwielen sehen?“
Mischa verzieht seinen Mund.
„Deine Schwielen interessieren mich nicht. Sag mir lieber, was dein Erlebnis auf der Terrasse mit der Entscheidung, deine Installation zu überarbeiten, zu tun hat.“
Ich nippe an meinem Whisky und sehe meinen russischen Freund einen Moment lang an.
„Dieser Ausdruck in den Gesichtern der Kinder war unglaublich, eine Mischung aus Neugier, Entsetzen und Verachtung. Als wären sie Götter, die auf ihre Schöpfung hinabschauen, teils ungläubig, teils angewidert.“
„Meine Güte, meine Tochter sieht mich auch manchmal an, als könnte sie mir direkt in den Kopf gucken. So etwas kommt immer ein wenig schräg rüber und hat vielleicht sogar einen eigenen Reiz. Aber nochmal, wieso willst du schon wieder alles über den Haufen werfen?“
„Ich bin einfach davon überzeugt, dass meine Installation noch sehr viel besser werden könnte. Ich würde gern noch viel stärker kontrastieren, sowohl bildlich als auch musikalisch.“
„Aber du hattest doch letztens im Club einen Super-Auftritt hingelegt.“
Ich nicke Mischa zu und ziehe entschuldigend die Schultern hoch.
„Ja schon. Aber der Mann, auf den es ankam, ist gar nicht erst erschienen.“
„Der Zoo-Booker ist nicht dagewesen? Und wieso erfahre ich das erst jetzt?“
„Habe ich dir alles gemailt, letzte Woche schon.“
„Ich habe nichts bekommen“, erwidert Mischa und sieht mich verwundert an.
„Ich habe ihn eingeladen, und er ist nicht gekommen. Außerdem hat mir ein befreundeter DJ gesteckt, dass der Zoo-Booker großen Wert auf Exklusivität legt. Mein Installations-Konzept ist aber strenggenommen zwei Jahre alt. Wenn ich also wirklich sichergehen will, dass der Zoo-Booker auf meine Arbeit abfährt, muss ich nochmal gründlich Hand anlegen.“
„Und wo wirst du deine neue Installation präsentieren? Im Hinterhof eures Mietshauses oder auf dem Kinderspielplatz in Weißensee?“
„Auf dem Schwarzlicht-Festival, auf deren Talent-Floor. Da präsentiert sich dieses Jahr der musikalische Nachwuchs Berlins. Zwar gibt es nur eine begrenzte Zahl an Startplätzen, mein Mitbewohner kennt aber die rechte Hand des Veranstalters. Der wird mich entsprechend empfehlen.“
Mischa nickt stumm vor sich hin. Er überlegt einen Moment lang, sieht zu mir und sagt: „Nimm es mir bitte nicht übel, aber meine Entscheidung steht fest. Ich bin nicht mehr in der Lage, dein Projekt weiter zu sponsern.“
Ich trinke einen Schluck Whisky und genieße das kurze, aber intensive Brennen im Rachen.
„Weißt du, Mischa, mein Anspruch an mich selbst ist irgendwie gewachsen. Meine Musik ist viel klarer geworden. Ich spiele jetzt nicht mehr so viel herum, verliere mich nicht im Klein-Klein. Alles folgt einer Linie, auch das Licht und die Videosequenzen ordnen sich einer leitenden Idee unter. Die Leute verstehen das oft nicht sofort, aber sie spüren es irgendwie, also instinktiv. Sie steigen dann unbewusst auf die von mir kreierten Welten ein und lassen sich davontreiben. Dieser Austausch zwischen Zuhörer und Künstler schafft eine unglaubliche Nähe. Deshalb habe ich auch so viele Fans, im Netz.“
„Fans zu haben ist toll. Aber mit Gefällt-mir-Buttons kann man keine Miete zahlen. Oder gibt es eine neue Tauschbörse im Netz, von der ich noch nicht weiß?“
Ich überlege, was ich meinem russischen Freund auf dessen Einwände hin entgegnen könnte.
Mischa aber kommt mir zuvor: „Wie es aussieht, produzierst du mal wieder ins Blaue hinein. Natürlich hoffst du, dass sich der Aufwand am Ende lohnt. Was aber, wenn du keinen Startplatz für dieses Festival zugelost bekommst? Was, wenn der Zoo-Booker wieder nicht kommt? Was, wenn du wie letztes Jahr abstürzt und wieder wochenlang ausfällst?“
„Ich bin gar nicht mehr so unstet. Ich arbeite sehr viel konzentrierter und fühle eine neue Kraft in mir. Eine Kraft, die mich antreibt und mich voranschreiten lässt. Früher wusste ich oft nicht, warum ich eine Entscheidung treffe. Mir fehlte die Selbstsicherheit und die Ruhe. Doch das alles hat sich mit der Perspektive Zoo grundlegend verändert. Jetzt bin ich in der Lage zu sagen, was ich will und wohin es mit meiner Musik und meinen Bildern geht.“
Mischa beugt sich zu mir, schenkt uns Whisky nach und fragt mit süffisantem Lächeln: „Du bist also reif für die ganz große Bühne? Klingt großartig. Ich steige trotzdem aus. Einen Künstler wie dich kann ich mir im Moment einfach nicht leisten.“
„Kein Problem, dich zwingt ja keiner, dabeizubleiben. Obwohl ich es sehr schade finde, dass du mich in so einer wichtigen Situation im Stich lässt. Und ja, ich denke schon, dass ich für den nächsten großen Schritt bereit bin.“
Mischa hebt sein Glas an und prostet mir zu: „Na dann, auf deine neue Kraft und darauf, dass dir das Projekt nicht irgendwann über den Kopf wächst.“
„Was meinst du damit?“, frage ich und sehe Mischa mit schmalen Augen an.
„Nun, wenn man dir so zuhört, könnte man meinen, du seist Christo und Copperfield in einer Person und hättest vor, den Vatikan mit Hilfe eines überdimensionalen Kondoms verschwinden zu lassen.“
Trotzdem wir gut befreundet sind, fühle ich mich ob Mischas unqualifizierter Kritik angegriffen. Auch sein spontaner Rückzug als mein Hauptsponsor schlägt mir gehörig auf den Magen. Ich fixiere den Russen und knurre: „Das ist ja drollig, dass ausgerechnet du findest, dass ich mich zu wichtig nehme?“
Mischa sieht mich überrascht an und fragt zurück: „Wieso, was ist denn mit mir?“
„Na, überleg mal! Erst hintergehst du deine Frau mit ihrer besten Freundin, und kaum, dass Gras über die Sache gewachsen ist, knallst du euer neues Kindermädchen.“
Mischa zieht die Schultern hoch.
„Ja und?“
„Dein Vergnügen ist dir das Wichtigste. Platz eins für Mischa und seinen unermüdlich ackernden Freudenstab. Alles andere kommt an zweiter Stelle. So weit du beim Ficken überhaupt bis zwei zählst. Wer nimmt sich hier also zu wichtig, du oder ich?“
Mischa winkt ab und antwortet: „Jetzt übertreibst du aber gehörig. Die Affäre mit der Freundin meiner Frau ist gar nicht mehr aktuell. Und unser neues Kindermädchen habe ich bisher nur einmal vernascht. Abgesehen davon bin ich nicht immer uneingeschränkt glücklich mit dem, was ich tue.“
„Nicht uneingeschränkt glücklich? Was genau soll das heißen?“
„Na ja, manchmal frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich als Mormone oder Moslem geboren wäre. Muslime leben nach wie vor polygam und dürfen so viele Frauen haben, wie sie wollen. Als Jude musst du dich inzwischen für eine Einzige entscheiden und dann auch noch bei ihr bleiben. Das wiederum widerspricht meinem Naturell.“
Ich stelle mir Mischa in einem weißen Kaftan und Sandalen vor und muss lachen. Meine innerliche Aggression verpufft.
„Du wärst also lieber Moslem? Du müsstest dann während deines Urlaubs nach Mekka pilgern. Keine besonders leichte Aufgabe, bei deinem Übergewicht.“
„Moslem oder was auch immer. Ich wäre auf jeden Fall gern jemand, der sich und sein Begehren in Bezug auf Frauen nicht ständig moralisch hinterfragen muss.“
Ich schüttle belustigt den Kopf und antworte: „Aber du liebst es doch, moralische Grenzen zu überschreiten, und noch mehr liebst du deinen Genuss.“
„Nun, eigenartigerweise habe ich in letzter Zeit immer mal wieder ein schlechtes Gewissen, vielleicht wäre ich deswegen gern religiöser“, erwidert Mischa.
Ich lehne mich zurück und frage: „Du würdest also freiwillig deine Freiheit und deinen Verstand opfern, nur um im Gegenzug ein klein wenig mehr zur Ruhe zu kommen?“
Mischa rückt ein Stück näher an mich heran.
„Ja, das würde ich. Grenzenlose Freiheit bringt doch auf Dauer eh nur Ärger. Übrigens glaube ich, dass auch dir etwas mehr Spiritualität gut zu Gesicht stehen würde. Sie würde dir Halt geben.“
Ich wende mich kopfschüttelnd ab und sehe zum Fernseher rüber. Der Schiedsrichter hat den Italienern einen Elfmeter zugesprochen. Der Gefoulte schießt selbst – daneben.
„Ich sollte also lieber mit dir in die Synagoge gehen, statt am Wochenende im Club abzuhängen? Glaubst du wirklich, dass mich so ein Schnickschnack weiterbringt?“
Mischa lässt seine linke Hand eine unsichtbare Linie in der Luft nachzeichnen und antwortet: „Na ja, womöglich existiert zwischen deinen exzessiven Abstürzen und deiner unendlichen Sehnsucht nach Anerkennung ja ein Zusammenhang? Ich zumindest habe manchmal den Eindruck, dass du nicht in der Lage bist, dich als Teil von etwas Übergeordnetem zu begreifen. Deshalb fehlt dir auch die nötige Entspanntheit beim Lösen von Problemen.“
„Ich wusste gar nicht, dass du so ein Fan von Hausfrauen-Psychologie geworden bist. Außerdem, was bitte ist so schlimm an meinen exzessiven Abstürzen?“
„Eigentlich nichts. Du lebst das Leben eines Künstlers, so gesehen hast du das Recht, dich ab und an treiben zu lassen oder durchzudrehen“, antwortet Mischa und ergänzt: „Wie gesagt, ab und an, denn sonst besteht die Gefahr, dass du dich verlierst und gar kein Land mehr siehst.“
„Aber du bist doch auch nicht in der Lage, dich einer spirituellen Kraft unterzuordnen. In die Synagoge gehst du doch nur an Feiertagen, und den Talmud, der da so demonstrativ in deinem Bücherregal steht, hast du den etwa gelesen?“
„Es geht doch nicht darum, irgendwelchen religiösen Mustern oder Traditionen zu folgen“, antwortet Mischa.
„Um was geht es denn?“, frage ich.
„Es geht darum, zu wissen, wer man ist und wo man hingehört.“
„Ach, und du weißt, wo du hingehörst?“
„Na logisch weiß ich das. Ich hintergehe zwar gelegentlich meine Frau, und ja, sie hat mich gerade aus unserer gemeinsamen Wohnung rausgeschmissen. Aber prinzipiell weiß ich, wo ich hingehöre und welchen Prioritäten ich mich unterzuordnen habe. Ich bin verheiratet, habe eine kleine Tochter, lebe für meine Familie und glaube an die Selbstverwirklichung innerhalb der kapitalistischen Konsumgesellschaft.“
„Gerade noch wolltest du zum Islam wechseln, um tausendundeine Frau zu knallen, und nun erklärst du mir, dass dir deine Familie am wichtigsten ist?“
Mischa breitet die Arme aus und lächelt mich zufrieden an.
„So ist es, mein Freund.“
Ich schüttle genervt den Kopf und versuche, das Gesagte nicht an mich heranzulassen. Zu spät, gnadenlos wechselt mein Hirn in seinen Frage-Terror-Modus: ‚War mein Lebenswandel tatsächlich derart unstet? Neigte ich in Bezug auf meine Arbeit deshalb zu chronischen Neustarts? Stand ich mir am Ende gar selbst im Weg?‘
Da mein Kopf mich regelmäßig auf diese Weise ins Kreuzverhör nahm, wusste ich, was in solchen Momenten zu tun war. Es galt, die unangenehmen Fragen mit Alkohol und niederer Unterhaltung zu torpedieren, so lange, bis diese sich verpisst hatten.
Nach einer Viertelstunde konzentrierten Fußballschauens und zwei doppelten Single Malt habe ich meine Gedanken endlich wieder im Griff.
Mein Kopf ist befriedet und ich der Überzeugung, dass alles nur eine Frage der Zeit und des sich verändernden Energieflusses ist und es sich definitiv nicht lohnt, sich von Mischas kruden Hypothesen den Abend versauen zu lassen. Schon in wenigen Tagen würden sich meine Endorphin-Depots regeneriert haben. Dann würde sich alles wie von selbst finden. Es gab also keinerlei Grund, sich derart verunsichern zu lassen.
Entspannt sehe ich zu Mischa, deute auf die vor dem Bücherregal stehende schwarze Reisetasche und frage: „Dein neues Mikrofonset ist aber auch dabei, oder hast du das vorsorglich rausgenommen?“
Mischa überlegt einen Moment lang.
„Nein, mein neues Set ist nicht dabei.“
„Aber ein einheitliches Mikrofonset würde mir meine Arbeit deutlich erleichtern.“
„Du wolltest mit vier herkömmlichen Mikrofonen eine Flächenatmosphäre nachstellen. Deshalb habe ich dir vier Mikrofone besorgt. Von meinem neuen Set war nie die Rede. Außerdem kannst du dir so ein hochwertiges Mikroset gar nicht leisten.“
„Wie viel muss ich denn abdrücken, wenn das neue Set nicht dabei ist?“
„Dreihundertfünfzig.“
„Aber so viel habe ich gar nicht.“
„Du kannst mir die Miete in Raten zu je fünfzig Euro abstottern, vorausgesetzt, du zahlst einen Hunderter an.“
Ich hole mein Portemonnaie hervor und versuche, mir einen Überblick über meine Barbestände zu machen.
„Wenn ich dir einen Hunderter anzahle, bin ich faktisch pleite.“
„Keine Hände, keine Kekse“, antwortet Mischa und dreht den Ton des Fernsehers lauter.
„Und ich dachte, wir sind Freunde. Oder hat der Mann, der an die Selbstverwirklichung innerhalb der Konsumgesellschaft glaubt und sich weigert, weiter Geld in meine Installation zu investieren, keine Freunde?“
„Natürlich sind wir Freunde, mein Lieber. Deshalb mache ich dir ja auch einen Freundschaftspreis“, erwidert Mischa.
„Dreihundertfünfzig, das ist doch kein Freundschaftspreis. Dafür könnte ich den Schrott ja schon fast kaufen“, antworte ich.
„Dann kaufe ihn dir doch, den Schrott. Dann musst du auch kein Geld mehr für Technikmiete ausgeben“, erwidert Mischa gereizt.
„Schon gut. Ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen. Ich bin nur gerade etwas knapp bei Kasse. Es wäre daher schön, wenn du mir den Gesamtbetrag stunden könntest?“
Mischa tut so, als er hätte er meine letzte Frage nicht gehört. Er kneift die Augen zusammen und versucht, den Spielstand abzulesen. Ich packe mein letztes Geld auf den Tisch, trinke meinen Whisky aus und stehe auf. Mischa sieht verdutzt zu mir.
„Wie denn, du willst schon los? Ich dachte, wir schauen noch das Spiel bis zu Ende?“
Ich nehme mich der Tasche an und checke die Technik.
„Ich verpasse sonst die letzte Bahn. Keine Angst, meine Sonne, du bekommst deine erste Rate spätestens Ende des Monats, versprochen.“
Mischa zählt mein Geld, steckt es sich in die Hose und steht ebenfalls auf.
„Ich weiß, dass du ein ehrenwerter Geschäftsmann bist. Ach, und manchmal ist es gut, wenn man jemanden an seiner Seite hat, der einem nicht nur nach dem Mund redet. Jemand, der einem ein Stück weit die organisatorische Verantwortung abnimmt. Jemand, der musikalisch kompetent ist und eine unabhängige Meinung einbringt.“
Ich wuchte die Tasche hoch und drehe mich zu Mischa um.
„Nun, ich hatte gerade versucht, dich zu überzeugen, nicht aus dem Projekt auszusteigen. Um das finanzielle Risiko überschaubar zu halten. Aber eher geht wohl ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass du ein Underground-Musik-Projekt bis zu dessen Vollendung sponserst.“
Mischa schenkt mir ein breites Lächeln und umarmt mich zum Abschied.
„Vergiss nicht, wenn man allein arbeitet und auch alle Entscheidungen selbst trifft, besteht die Gefahr, dass man vor lauter Arbeit den Blick fürs Wesentliche verliert.“
„Ich bin nicht allein, Mischa. Meine Gedanken, meine Bilder und Ideen sind stets bei mir.“
„Na, dann hoffe ich für dich, dass dir deine Gedanken weiter beistehen“, sagt Mischa und geleitet mich zur Tür.
„Du wirst sehen, diese Klanginstallation wird mein Durchbruch werden. Ein Auftritt im Zoo ist wie eine Aufführung am Broadway. Allein der Fakt, dass man sich auf dieser Bühne präsentiert, katapultiert einen in die Top 20 der Berliner Kunstszene. Danach werde ich mir eine ganze Schar an Mitarbeitern und Assistenten leisten können. Du darfst dann gern als Buchhalter bei mir anfangen und mein Geld zählen“, erwidere ich.