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Zweite Szene.

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Inhaltsverzeichnis

Nyssia kommt langsam, doch bleibt sie noch auf der Terrasse, die nur der Mond beleuchtet. Im Gemach selber nur eine Fackel. Ihr unsichtbar und instinktiv erschauert Gyges, da er Nyssia auf die Terrasse treten sieht; er geht ganz leise nach links und bleibt während der ganzen Szene halb im Dunkel verborgen. Candaules ist Nyssia entgegengegangen.

NYSSIA: Ich wär' schon lang bei Euch, doch glaubte ich Euch nicht allein. Es kam mir vor von Weitem, als hörte ich Euch sprechen.

CANDAULES: Ich sprach laut Verse von Syphax.

NYSSIA: Weshalb ließt Ihr die Gäste heut' allein?

CANDAULES: Sie fingen an, mich zu ermüden.

NYSSIA: Seit sie hier sind, sah ich Euch fast kaum … Ihr wißt nicht mehr allein zu sein. Liebt Ihr die Einsamkeit nicht mehr?

CANDAULES: Nein.

NYSSIA: Und fühlt Euch einsam auch mit mir?

CANDAULES: O Nyssia!

NYSSIA: Horcht! – Eure Musikanten in den Gärten – weshalb habt Ihr sie denn hinabgeschickt?

CANDAULES: Nur, um mit Euch allein zu sein …

NYSSIA: Von ferne so ist die Musik sehr schön – der Abendwind bringt sie uns her und trägt sie fort – horcht! – – nun hört man nichts sonst als die Stille. (Am Arm des Candaules und immer zärtlicher an ihn geschmiegt.) Wie waren diese Tage, diese Nächte mir ohne Euch so lang!

CANDAULES: Und mir nicht anders. Ich bin der Worte müd', des Singens, Lachens und warte nicht das Ende ab, zu Euch zu kommen.

NYSSIA: Und meine Liebe hungert, da Ihr fern seid, und ich leide, nicht mehr mit Euch allein zu sein. Ihr habt mich so an's Glück verwöhnt, Geliebter, so viel Ihr für mich tatet.

CANDAULES: Meine Nyssia, für Dich zu viel? Mehr jeden Tag und jeden Tag verliebter. Manchmal erschreck' ich, daß ich so wenig Deiner Lust zu finden weiß. Ach Alles, was Verliebtes diese Erde schuf, ich wollt', es sei von mir erschaffen. Doch – was tun?…

NYSSIA: Mich lieben.

CANDAULES: Ich bete zu Dir, Nyssia. Komm – es wird kühl hier. (Er nimmt, nachdem er einen schweren Vorhang vor die Terrasse so gezogen, daß nur ein schmaler Streifen Licht von draußen hereinfällt, Nyssia den Königsmantel von den Schultern.)

NYSSIA (wie sich hingebend): Lösch' dieses Licht.

CANDAULES (hält die Bewegung auf, die sie gegen die eine Fackel hin macht): Laß – ich will Dich sehen.

NYSSIA: Eure Blicke wollen mich glauben machen, daß Ihr an mir nur meine Schönheit liebt. (Sie lacht und will selbst die Fackel löschen.)

CANDAULES (heftiger): Laß! Laß! sag' ich Dir.

NYSSIA (wie in einem Spiel): Dann will ich ein Versprechen, Candaules – –

CANDAULES (wie eingehend auf das Spiel): Ich verspreche –

NYSSIA: Was?

CANDAULES (löst am Kleid der Nyssia und geheimnisvoll gegen Gyges hingewandt, scheint er nicht zu achten, was er sagt): Was immer –: Ich versprach! – Alles, was Du willst. Was nun?

NYSSIA (läßt das erste Kleid fallen:) Daß Du nie mehr meinen Schleier hebst vor anderen Augen als den Deinen –

CANDAULES (wankt wie in Schmerz).

NYSSIA: Was hast Du?

CANDAULES (sinkt wie betäubt auf einen Sitz): Ich weiß nicht – Gib mir, ich bitte Dich, ein wenig Wein … 's ist nichts. – (Nyssia zum Tisch, von ihm fort.) Was hab' ich mir auch zugetraut? – Ich kann nicht mehr … (Er preßt die Fäuste an sich.) Candaules, Du bist schwach! Wer sonst kann das als Du?

NYSSIA (reicht ihm zu trinken): Ihr fühlt Euch besser?

CANDAULES: Ja, ja. 's ist besser. Ich dank' Dir. (Er trinkt.)

NYSSIA (in einem anderen Ton): Ich mag Philebos nicht, er ist zu dreist.

CANDAULES: Und Phedros – gefällt er Dir?

NYSSIA: Ich sah ihn nicht ganz gut. Der welche war es?

CANDAULES: Macht nichts. – Und Nicomedes?

NYSSIA: Langweilte mich. – Doch sprechen wir nicht mehr von denen. – Ich bin so müd. (Währenddem hat sie sich allmählich entkleidet. Sie richtet ihr Haar. Dann setzt sie sich auf's Bett, ganz im Hintergrunde des Gemachs, um ihre Sandalen abzustreifen.)

CANDAULES (vor ihr auf den Knieen): Laß mich Dir selber die Bänder lösen. (Das Haar Nyssia's fällt aufgelöst über den knieenden Candaules.) Das lieb' ich, so über mir Dein Haar …

NYSSIA: Und der arme Fischer – was ist aus ihm geworden? Sag. – Was gibst Du keine Antwort? Ich denke, Du hast sein Elend wohl getröstet …

CANDAULES: Sei still.

NYSSIA: Weshalb denn soll ich still sein? Glaubst Du, ich kenne Deine Güte nicht?

CANDAULES: Nyssia!…

NYSSIA: Wie heißt er doch? Was sprichst Du nicht?

CANDAULES: Ich weiß nicht mehr.

NYSSIA: Der Unglückselige. – Was er getan hat, das war furchtbar. – Er tut mir leid, trotzdem … O, wie kann dies eine Frau …? Er hat ganz Recht getan, als er das Messer in sie stieß … Zwei Männern zu gehören – o, das ist furchtbar.

CANDAULES: So sprich doch leiser, Nyssia!

NYSSIA: Weshalb denn leiser?

CANDAULES: Die Worte tun mir weh.

NYSSIA: Verzeih! Ich will auch schon gar nicht mehr daran denken. Vergessen wir, daß man je untreu sein könnte … Candaules … mein Geliebter …

CANDAULES: Nyssia, Geliebte …

NYSSIA (vollendet ihre Nachttoilette): Ich kann die Öse da nicht lösen – mach sie auf! (Fernes Singen wird hörbar.) Hörst Du das Singen?

CANDAULES: Die Gäste sind's die mich erwarten. Sie finden die Nacht weit vorgeschritten und ich versprach, sie heute noch zu sehen.

NYSSIA: Wenn Du sie heute ließest, sag?

CANDAULES (der fort will): Bloß einen Augenblick – geh' nun zu Bett, Nyssia – gleich bin ich wieder bei Dir … schlaf … wie bist Du herrlich, Nyssia!

(Nyssia ist fast völlig entkleidet. Gyges betrachtet sie wider seinen Willen, und kommt näher; man fühlt den Kampf und wie er nicht hinsehen will. Im Augenblick, da Nyssia ihren letzten Schleier fallen läßt, geht er auf die Fackel zu und wirft sie zu Boden. Dunkelheit, nur der dämmerige Streifen von der Terrasse her, quer über die Bühne.)

CANDAULES: Gyges!

NYSSIA (bedeckt sich erschrocken): Was ist das?

CANDAULES (sehr erregt und trunken von seinem Tun): Nichts; nichts. Sei unbesorgt – im Gehen warf ich die Fackel um. – Schlaf, ich bin gleich zurück.

NYSSIA (legt sich auf's Bett.)

STIMMEN (von draußen): Candaules! König Candaules! Du wirst erwartet!

CANDAULES (ruft): Ich komme. (Er stößt auf Gyges, der gleichfalls fort will, völlig fassungslos, den Mantel vor dem Gesicht.)

CANDAULES (leise): Bist Du's Gyges?

GYGES (sehr leise): Ja, ich bin's.

CANDAULES (befehlend): Bleib! – (Leise.) Und nun sei alles um mich glücklich! (Ab.)

Vorhang.

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