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DRITTER AKT
ОглавлениеDieselbe Szene und Anordnung wie im ersten Akte. Syphax, Nicomedes und Pharnaces unterhalten sich rechts.
SYPHAX: Und wie gefällt Dir diese Huldigung? Ihr Schluß besonders:
Der Schenk, der kümmert nicht den Zecher,
Doch ist der Schenk Candaules,
So reich' ich gerne ihm den Becher.
NICOMEDES: Ja, ja, Deine Verse sind ganz nett, aber ich sehe nicht, worin sie sich an Candaules mehr wenden als an irgendwen.
PHARNACES: Und ich seh nicht ein, was Dich das geniert. Was wir an einem Menschen rühmen, sind die Eigenschaften, die ihm nicht eigentlich gehören. Was wir an Candaules lieben, ist sein Reichtum … (Die Anderen widersprechen.) und seine Freigebigkeit natürlich. Wäre er nicht freigebig, so hätten wir nichts von seinem Reichtum, aber wäre er nicht reich, was hätten wir dann von seiner Freigebigkeit?
NICOMEDES: (lacht.)
SYPHAX: Und er wäre nicht der Candaules meines Gedichtes.
NICOMEDES (wiederholt):
Doch ist der Schenk Candaules,
So reich' ich gerne ihm den Becher.
Ich, wenn ich Flasche wäre, ich würde mich bei Candaules bedanken, daß er mich so vielen Leuten auf einmal zur Ergetzung gibt.
PHEDROS und SIMMIAS (sind von rückwärts gekommen, sie bleiben etwas abseits von den Anderen.)
PHEDROS: Und wenn die Flasche sprechen könnte und sagen: ich möchte lieber von Nicomedes als von Candaules getrunken sein, er schmeckt besser, vielleicht hätte es Candaules dann weniger eilig, sie in Dein Glas zu leeren.
PHARNACES: Mein lieber Phedros, nur der schlechte Wein sagt uns: ich möchte von einem Andern getrunken werden. Der gute Wein hat zu mir immer gesagt …
SYPHAX (unterbricht ihn und zieht ihn am Mantel): Spar Deinen Witz. Kommt mit mir, ich les' Euch meine Verse. Es bleibt und vor dem Mahl nicht mehr viel Zeit. Kommt Ihr mit, Simmias und Phedros?
PHEDROS: Nein. Eure Verse werden ohne uns Euch besser vorkommen; Ihr werdet glauben, ein ganz persönliches Gefühl viel besser auszudrücken, seid Ihr nur zu Dritt.
NICOMEDES: Verzeiht, ich drücke überhaupt nichts aus: ich begleite nur.
PHEDROS: Und wir begleiten nicht. (Die Anderen links ab. Phedros und Simmias gehen zu einander). Lassen wir sie, Simmias. Unser Platz ist nicht bei ihnen.
SIMMIAS: Ist er es mehr in diesem Hause, Phedros?
PHEDROS: Du hast Recht. Hast Recht! Wir geh'n.
SIMMIAS: Und verlassen Candaules?
PHEDROS: Ich liebe ihn und schätz' ihn hoch. Seit gestern ist er schweigsam, schließt sich ein und meidet uns. Was kann ihm auch unser Rat, Simmias?
SIMMIAS: So willst Du weg, ganz ohne Abschied?
PHEDROS: Einmal noch möcht' ich mit ihm sprechen, mit ihm allein.
SEBAS und ARCHELAOS: (sind von rechts gekommen; sie prüfen die Vorbereitungen zum Mahle).
PHEDROS: Lebt wohl, Sebas, Archelaos! Trinkt und eßt und freut Euch an alldem!
SEBAS: Wie? Ihr geht?
PHEDROS: Lebt wohl!
ARCHELAOS: Ihr tut nicht recht.
SEBAS: Seht, schon ist für ein neues Gelage der Tisch gedeckt.
PHEDROS: So bleibt Euch mehr. Komm, Freund.
PHEDROS und SIMMIAS: (links ab).
SEBAS und ARCHELAOS (sehen sich an und zucken die Schulter).
ARCHELAOS: Hast Du Hunger?
SEBAS: Ja.
ARCHELAOS: Schon?
SEBAS (klagend): Archelaos, ich werde fett.
ARCHELAOS: Iß weniger.
SEBAS: Da könnt' ich mager werden.
ARCHELAOS: Dann kannst Du nachher um so mehr essen.
SEBAS: Glaubst Du? Du dürftest wahrhaftig Recht haben. Ich lege diese Feige wieder zurück und kann dann mehr davon zu Mittag essen.
PHILEBOS (sehr schnell von rechts): Habt Ihr Pharnaces und Syphax gesehen?
ARCHELAOS: Sie waren –
SEBAS (unterbrechend): Da sind sie.
(Nicomedes, Syphax und Pharnaces kommen von links. Philebos läßt sich auf eine Bank fallen und hält sich erschöpft die Seiten.)
NICOMEDES: Hast Du Candaules gesehen, Philebos? Wir suchen ihn überall.
PHILEBOS: Grad hab' ich ihn verlassen.
SYPHAX: Wo ist er denn?
PHILEBOS: Überall und nirgends. Er streift umher, gehetzt, gejagt … Ach, meine Freunde, Laßt mich lachen! – Was eine köstliche Geschichte, ah – (Wie außer Atem von Lachen.)
PHARNACES und SEBAS: Was ist? Was soll's?
PHILEBOS: Ihr wißt doch, dieser Ring, an dem Sebas fast erstickt wäre –
ARCHELAOS: Verzeiht, ich wär' beinah' daran erstickt.
PHILEBOS: Das ist ja gleich.
ARCHELAOS: Mir ist das gar nicht gleich.
PHILEBOS: Um so schlimmer. – Laßt mich erzählen: Du erinnerst Dich doch, Pharnaces, an die griechischen Worte, die Du in dem Ring geschrieben fandest?
SEBAS: Verzeiht, verzeiht! Die hat Phedros gefunden.
PHILEBOS: Aber – unterbrecht mich doch nicht immer.
NICOMEDES: Erzähl! | } | (Gleichzeitig!) |
PHARNACES: Erzähl' nur! | ||
SYPHAX: Wir sind ganz Ohr! |
PHILEBOS: Ich weiß nicht, wie und wodurch es geschah, daß der König, der erst noch so beunruhigt von den eingeritzten Worten war, den Ring in seiner Hand vergessen konnte. Ich glaube, Gyges, der Fischer, war die Schuld. Ach, Freunde! wünscht Ihr die Fortsetzung? Es ist zu komisch …
DIE ANDEREN: Erzähl! So sprich doch!
PHILEBOS: Ich weiß gar nicht, gar nicht, wie ich's erzählen soll.
NICOMEDES und PHARNACES: Ach was! Fang einmal an. Erzähl!
PHILEBOS (den das Lachen schüttelt.): Nein … wenn Ihr den König hättet sehen können.
SYPHAX: Weshalb? Was macht er denn?
PHILEBOS: Er sucht.
SYPHAX und PHARNACES: Er sucht? Was sucht er denn?
PHILEBOS: Den Ring! – – Hört zu, hört zu … Es ist das tollste aller Abenteuer. (Die Anderen haben sich alle um Philebos gruppiert, der immer auf der Bank sitzen bleibt.) Es scheint, daß gestern – Morgen – wozu? Das weiß ich nicht, und wie? Das weiß ich auch nicht – kurz, daß gestern Morgen Candaules diesen Ring an seinen Finger steckte. Er war mit uns. Ihr wißt doch noch, er war mit uns. Und plötzlich war er verschwunden und wie wir ihn da suchten –
ARCHELAOS: Ja, ja. Weshalb ging er denn weg?
PHILEBOS: Er ging nicht weg.
PHARNACES, NICOMEDES: Erklär' doch deutlich. Erzähl doch weiter.
PHILEBOS: Scheint, daß der König – doch Ihr werdet's mir nicht glauben!
DIE ANDEREN: So erzähl' doch! Was war's?
PHILEBOS: Und dieses war der Sinn der beiden griechischen Worte … (Ernst.) Man sieht den nicht mehr, der den Ring am Finger trägt.
NICOMEDES: Was sagst Du da?
PHILEBOS: Der Ring macht seinen Träger unsichtbar.
DIE ANDEREN (lachend): Die Geschichte ist nicht übel.
PHILEBOS: Hört doch das Ende. Und das ist nicht das Hübsche der Geschichte. – Candaules überrascht, sprach nichts. Und da er selber es kaum glauben wollte – so wenigstens hat er mir es gesagt – wollt' er sich von der Macht des Ringes an irgend Einem überzeugen: Der Gyges war gerade da, und ohne weiter nach einem Anderen zu suchen, gibt er ihm den Ring. Gyges nahm ihn … nichts mehr!
SEBAS und ARCHELAOS: Wieso? Wieso nichts mehr?
PHILEBOS: Nichts mehr. Hat Gyges seine schnelle Macht verstanden? Fest steht, daß er stillschweigend verschwand. Gyges trägt den Ring, der Ring verbirgt den Gyges. Er ist verschwunden, ohne Spur verschwunden … Candaules hat gut suchen. So dumm ist Gyges nicht. Er ist durchaus verborgen.
GYGES (ist währenddem von rechts ganz langsam gekommen, so daß er am Ende von Philebos Erzählung diesem direkt gegenüber und inmitten der Zuhörer steht; er bleibt unbeweglich, den Rücken gegen das Publikum.)
PHILEBOS: Der, ohne zu sehen, zu finden weiß, muß gar geschickt sein. Candaules irrt umher und ruft und frägt: Habt Ihr Gyges nicht gesehn? Habt Ihr meinen Ring gesehn? Doch – wer kann die Beiden sehen? Nun hat Candaules seinen Herrn gefunden. Wo immer Gyges sein will, dort kann er sein.
DIE ANDEREN: Wunderbar! Ganz wunderbar!
PHILEBOS: Aber nichts weniger als angenehm. Vor ihm ist jeder von uns ohne Augen. Was kann man gegen einen, den man nicht sieht? Was tun wir, frag ich Euch? Wenn plötzlich seine Stimme da unter uns sagt, daß er da ist, daß er da unter uns ist, hört was wir sagen und uns Dummköpfe nennt?
GYGES (laut): Dummköpfe!
(Beim Ton von Gyges' Stimme zerstieben die Herren nach allen Seiten. Im Eifer der Flucht rennt Archelaos an einen Baum, und in der Meinung, an Gyges gerannt zu sein.)
ARCHELAOS: Oh … verzeiht …
(Kaum ist Gyges allein, stürzt er wie von Schande und Verzweiflung vernichtet zu Boden, gegen die Bank hin, auf der Philebos saß.)
GYGES: Mein Ring! Mein Ring! (Er drückt ihn an die Lippen.) Ach! Verbirg mir mein Denken!… Allen jagst Du Furcht und Angst ein, unsichtbarer Gyges. Ring! Was kannst Du mich mir selber nicht unsichtbar machen! Gyges hat Angst vor Gyges. (Er verhüllt sein Gesicht in den Händen und schauert.) Hab' ich Dir weh getan mit meinen allzuwilden Küssen? – Von Liebe voll und von Entsetzen floh ich. Schlafend ließ ich sie auf ihrem Bette hingestreckt, lief in die Nacht, lief wie ein Dieb, im Morgentau der kalten Wiesen das Fieber meinen Händen abzuwaschen, das Grauen von meinem Denken, die Schande von meiner Stirn und das Verbrechen meines Herzens … Da kommt wer … Nyssia! (Er bleibt auf der Erde und drückt sich an die Bank, da er Nyssia hört.)