Читать книгу Gesammelte Werke - Андре Жид - Страница 13
Vierte Szene.
ОглавлениеGYGES (leise): Die schönste aller Nächte!… Genug! Mein Ring – genug! (Er reißt den Ring von seinem Finger.) Und wenn ich daran sterben muß –! (Er nähert sich der Königin.) Königin!
NYSSIA (läßt überrascht den Schleier über das Gesicht fallen): Ach! Habt Ihr mich doch erschreckt! – Ich hörte niemand kommen.
GYGES (vor ihr gebeugt): Königin …
NYSSIA: Was wollt Ihr?
GYGES (reicht ihr den Ring): Der Ring, den der König sucht – hier ist er.
NYSSIA: Da Ihr es wußtet, daß er ihn sucht, was gabt Ihr ihn nicht früher?
GYGES: Euch wollt' ich ihn zuerst geben.
NYSSIA: Doch – wie kommt Ihr zu dem Ring?
GYGES: Der König gab mir ihn.
NYSSIA: Und wenn er Euch ihn gab, was sucht er ihn?
GYGES: Nicht, um den Ring zu sehen, doch mich, der ihn trug.
NYSSIA: Ich versteh Euch nicht … Wer seid Ihr? Ihr war't nicht, glaub ich, gestern bei dem Fest?
GYGES: Ich kam erst spät … als es zu Ende ging … Ich bin Gyges: – Erinnert Ihr Euch nicht des Fischers Gyges, um den Ihr letzte Nacht Candaules fragtet: «Der arme Fischer – was ist aus ihm geworden?». Der bin ich.
NYSSIA (zuerst etwas verwirrt): Wie sollte ich Euch wieder erkennen, so reich gekleidet? – Des Königs Güte gab Dir das?
GYGES (verwirrt): Ja, Königin; er gab mir alles das … alles das – und diesen Ring hier. (Er beugt sich wieder vor ihr und reicht ihr den Ring.)
NYSSIA: Ich will ihn dem König wiedergeben.
GYGES: Ein Wort noch, Königin, ich bitt' Euch … dieser Ring …
DIE KÖNIGIN (betrachtet den Ring und will ihn anstecken.)
GYGES: Ah! Steckt diesen Ring nicht an!
NYSSIA: Weshalb nicht?
GYGES (ängstlich vor dem, was er sagen will): Der Ring …
NYSSIA: So sprich doch, sprich –
GYGES: Macht unsichtbar den, der ihn trägt.
NYSSIA (lächelnd): Ein ganz kostbarer Ring und ich verstehe nun, weshalb Candaules ihn so suchte.
GYGES: Und auch vielleicht, warum er ihn nicht fand.
NYSSIA (wird unruhig): Du verbargst Dich, Gyges?
GYGES: Der Ring verbarg mich.
NYSSIA: Doch, sag … weshalb denn gab der König Dir den Ring?
GYGES: Um selber ungesehen zu sehen.
NYSSIA: Und was … was konnte denn der König so zeigen wollen?
GYGES (fällt vor Nyssia auf die Knie): Euch Nyssia! – (Gleichzeitig hält er ihr einen Dolch hin, den Nyssia instinktiv ergreift.) Stecht zu! Stecht zu!… Ich war's, der diese Nacht … ich ließ Euch schlafend diesen Morgen … Ach! Ich hätte schweigen können und Ihr, Ihr hättet's nie erfahren, doch war ich da, als Ihr es sagtet, daß diese Nacht der Liebe von allen Euren Nächten …
NYSSIA (deren Verwirrung mit jedem Wort des Gyges zunimmt und die mit jedem Wort zu verstehen anfängt, schreit auf): Candaules! – (Sie schreit wild auf.) Ich hielt mich für geliebt.
GYGES (erhebt sich ein wenig): Ihr seid es, Königin …
NYSSIA (in jähem Zorn): Was sagst Du?
GYGES: Ihr seid geliebt, Nyssia.
NYSSIA (gibt ihm, wie von diesem Worte zu einem plötzlichen Entschluß gebracht, den Dolch in die Hand): Geh! Erschlag' ihn!
GYGES (in tiefer Ergriffenheit): Wen?… Ihn?
NYSSIA: Erschlag ihn!
GYGES (läßt den Dolch zur Erde fallen): Ich kann nicht. Mein Freund!…
NYSSIA: Und er war mein Gemahl! Töte ihn.
GYGES: Ich kann nicht … er war's, der mir es gab.
NYSSIA: Er war's, der mich verriet. (Sie zerreißt ihren Schleier.) Einer von Euch Beiden muß es sein, der stirbt … Nimm den Ring!
GYGES (bestürzt): Wie? Ohne mich zu zeigen?
NYSSIA: Für mich hast Du Dich gut verborgen!
GYGES: Er hat mir den Ring gegeben –
NYSSIA (verzweifelt vor diesem Widerstand): Es muß doch Einer von Euch Beiden eifersüchtig sein! (Sie stürzt Gyges um den Hals und küßt ihn in wilder Wut.) Oh! Du wirst ihn erschlagen, Gyges, nicht wahr? Du wirst ihn erschlagen! – Den Ring! Nimm doch den Ring. (Sie steckt ihm den Ring an den Finger.) Und da … den Dolch. Verbirg Dich! Der König!
CANDAULES (kommt im Gespräch mit Phedros).
NYSSIA und GYGES (ziehen sich nach rückwärts zurück).