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Dritte Szene.

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Inhaltsverzeichnis

CANDAULES (zur Königin): Schlage den Schleier zurück: Alle sind meine Freunde.

DIE KÖNIGIN: So viele Freunde, hoher Herr! Ich wußt Euch reich, doch dacht' ich Euch es nicht so sehr. Und seien Alle mir willkommen, da Ihr mich neben ihnen an diesem Tische wollt.

(Alle setzen sich. Eine gewisse Verlegenheit folgt den Worten der Königin.)


ARCHELAOS (zu Pharnaces): So sprich doch was!

PHARNACES (halblaut): Ich weiß nicht, was sagen, als daß die Königin sehr schön ist.

ARCHELAOS (zu Philebos): Sprich Du …

PHILEBOS (macht eine stumme Geste).

DIE KÖNIGIN: Wie das? Ihr schweigt – ist's meinetwegen? Wie groß auch mein Vergnügen sei, dem, was Candaules will, zu dienen und ich mich, wie ich's tat, an diese Tafel setzte – könnt' ich denken, daß ich die Festfreude nur in Etwas störte, so stünde ich wohl gleich auf und ginge wieder, denn die laute Freude ist besser hier am Platze als die Königin.

NICOMEDES: Nichts wag' ich sonst der Königin zu sagen, als dieses, daß es die ungewohnte Schönheit ihres Angesichts, die jeden von uns so sehr in Staunen setzt, daß unser Schweigen nichts anderes ist als stumm schauende Bewunderung.

CANDAULES: Laß, Nicomedes! Das ists gerade, was die Königin nicht wollte und fürchtete: daß man sie preist. – Nyssia, ich bitt' Euch, antwortet ihnen. Wacht Ihr mir darüber nicht, passiert's den Herren, daß sie dem Feste nichts sonst bieten als ein langweiliges Hin und Her von wohlgesetzten Komplimenten und Worten ohne Witz und Laune. Wohl macht das Ungewohnte Eurer Gegenwart so sie leicht gezwungen, ängstlich. Doch glaubt mir, sonst wissen sie wohl bessere Worte, leichtere Rede. Mög' Euer Witz ihnen gnädig zuhülfe kommen, das Übel heilen, das Eure Schönheit ihnen antat … wir wollen ein Fest begehen.

DIE KÖNIGIN: Ist wirklich mein Gesicht die Schuld daran, mein hoher Herr, ist's leicht zu machen, daß es nicht mehr schade. Erlaubt, daß ich vor seiner Röte einen Schleier lege, den ich nur gezwungen hob, vor Andern als vor Euch.

CANDAULES (erregt): Nein, Nyssia, nein … noch solche Worte mehr und unser Fest ist ohne Freude. Schlag' den Schleier zurück, Nyssia. Und wir, Ihr Herren, wir trinken den ersten Becher auf die Freude! Die Freude dieses Festes schläft noch, auf! Der Lärm der Stimmen soll sie wecken! – (Bewegung.) Nyssia! – trink auch, Nyssia!

SYPHAX: Sprech ich im Namen Aller?

EINIGE: Sprich, Syphax, sprich zu!

CANDAULES: Füll' erst Deinen Becher wieder.

SYPHAX: Im Namen von Candaules' Freunden bringe ich dies der vollendeten Schönheit von Nyssia, Candaules Weib …

CANDAULES: Laß, Syphax!…

SYPHAX: Und dem Candaules, der ein so seltenes Gut sein Eigen nennt und, statt es zu verbergen und für sich allein zu halten, erlaubt, daß unsere ehrfurchtsvollen und entzückten Blicke sich dran berauschen.

EINIGE (heben ihren Becher): Gut! Gut gesagt, Syphax! Es lebe Candaules!

CANDAULES: Nicht doch, meine Werten! Ihr sollt mir es nicht danken, daß ich diesem Feste die Schönheit der Königin gewähre. Wahrhaftig: ich litt zu sehr daran, sie nur allein zu kennen. Je mehr mein Staunen vor ihr wuchs, so mehr fühlte ich auch, wie ich Euch Alle darum beraube. Wie ein habsüchtiger Wuch'rer kam ich mir vor, der ohne Recht das Licht zurückhält.

PHARNACES: Ohne Recht, Candaules? Ist es nicht Recht, daß jeder sein Gut verwendet, wie es ihm beliebt?

CANDAULES: Vielleicht, – doch war mir, als täte ich Diebstahl an dem Gut, mit dem ich ganz allein zur Freude war.

SEBAS: Man kann einen sublimen Gedanken nicht schöner ausdrücken.

DIE KÖNIGIN (zu Candaules): Ihr scheint, Gebieter, zu vergessen, daß ich das Gut bin, von dem man spricht.

CANDAULES: Verzeiht, Ihr gebt den Worten falschen Sinn! Ich dachte, Nyssia, an Euch nicht mehr und was ich sagte, sagte ich nur so im allgemeinen.

PHILEBOS: Und Ihr, Frau Königin was denkt Ihr von dem Mitbesitz und Teilen?

SIMMIAS (zu Phedros): Philebos ist sehr kühn.

DIE KÖNIGIN (zu Philebos): Ich denke, man tötet lieber manches Glück, als daß man's teilen könnte.

(Das Fest wird nach und nach belebter. – Die Stimmen drängen sich, und Sebas, Phedros und Candaules antworten fast gleichzeitig.)

CANDAULES (gereizt, als ob er nur die Antwort der Königin gehört hätte): Es kommt d'rauf an, mit wem …

PHEDROS (zu Simmias): Hast Du gehört, wie fein die Königin das gab?

SEBAS: Man kann nicht hübscher auf eine doch so heikle Frage antworten.

CANDAULES: Laß, Sebas! Gieb Dich lieber mit den Feigen ab. (Er wirft ihm eine zu.) Phedros! Du trinkst nicht? Reich' mir Deinen Becher, komm! Ich habe mir vorgenommen, Euch Alle auf die Probe zu stellen.

NICOMEDES: Uns auf die Probe, Candaules? – Und womit?

CANDAULES: Mit dem Rausch.

PHEDROS: Ich bin ein trauriger Trinker, und aller Rausch erschrickt mich. Erlaß es mir, Candaules.

CANDAULES: Was fürchtest Du, Phedros? Der Rausch zeigt nichts sonst, als was wir in uns tragen. Was fürchtest Du ihn, der Du nur Edles in Dir hast? Die Trunkenheit entstellt nicht, übertreibt nur, nein, sie zeigt von jedem, was er sonst aus falscher Scham verborgen hält: Dir Phedros Deine Klugheit; dem Pharnaces und Syphax ihren Witz, dem Archelaos – nichts, dem Sebas die Feigen, mit denen er sich vollstopft.

PHEDROS: Der König fängt an, viel zu sprechen.

CANDAULES (zu den Dienern): Zerlegt den Fisch!

NICOMEDES: Wenn er nur braun genug ist.

CANDAULES: Ich wette, er war dort im Meer daheim, wo sich die Sommersonne zur Ruhe legt. Seht …

DER KOCH (zeigt den Fisch).

ARCHELAOS: Es ist ganz köstlich.

DER KOCH: Es ist ein Goldkarpfen.

CANDAULES: Trinken wir auf die Pracht dieses Fisches! Und Du, Pharnaces, machst uns die Verse auf den Karpfen!

PHARNACES: Der König scheint zu vergessen, daß die Fische stumm sind.

SYPHAX: Nicht alle! Man erzählt von einem der Orakel gab.

PHARNACES: Mach Du die Verse, Syphax!…

EINIGE: Den Spruch! Die Verse!

SYPHAX: Paßt auf … um so schlimmer, wenn sie schlecht sind:

Du Sonne, deren letzten Strahlen

Dich Karpfen durchaus goldig malen,

Laß auch den Dichter ohne Qualen

Dir diesen Spruch als Dank bezahlen.

PHARNACES und CANDAULES: Bravo, Syphax!

NICOMEDES: Hoffen wir, der Fisch ist besser als das Gedicht. (Man reicht den Fisch.)

CANDAULES: Wie findet Ihr ihn, Pharnaces? Archelaos?

PHARNACES: Ausgezeichnet …

ARCHELAOS (mit einem Schrei): Hölle! Was ist das? – Beinahe hätt' ich einen Ring gegessen!

NICOMEDES und ANDERE: Einen Ring? –

ARCHELAOS: Und habe mir zwei Zähne daran ausgebrochen.

SYPHAX (leise): Was ein gefräßiges Tier!

ARCHELAOS: Er war im Fleisch des Fischs versteckt. Ihr lacht dazu?!

SYPHAX und ANDERE (lebhaft widersprechend): Durchaus nicht! Nicht im geringsten!

SEBAS: Du nimmst eben zu große Bissen.

ARCHELAOS: Ich hätte dran ersticken können.

SYPHAX: Mindestens.

NICOMEDES: Zeig' doch den Ring.

PHILEBOS (gibt ihn ihm): Er ist nicht übel.

NICOMEDES (nimmt ihn in der Reihe): Im Fisch, sagst Du?

SYPHAX: Höchst sonderbare Nahrung.

NICOMEDES: Der Stein darin ist hübsch.

CANDAULES: Ein ganz gewöhnlicher Saphir, nichts weiter. Ich hab' mehr solche, größer noch und reiner. Morgen sollst Du sie sehen, Nicomedes.

SYPHAX (zu dem nun der Ring, der die Runde gemacht, gekommen): Wem gehört er nun, der Ring?

ARCHELAOS: Mir gab ihn der Fisch und ich geb ihn dem König.

SYPHAX: Für Archelaos ist das Wort sehr hübsch.

EINIGE: Dem König den Ring, dem Candaules!

PHEDROS (der den Ring genommen, um ihn dem König zu geben): Halt, da ist was eingeschrieben.

NICOMEDES (neigt sich schauend zu Phedros): Syphax hat Recht: der Karpfen hat gesprochen.

DIE KÖNIGIN und CANDAULES: Was sagt er?

NICOMEDES: Ich seh' nicht deutlich.

PHEDROS: Pharnaces hat scharfe Augen.

PHARNACES (erhebt sich und geht mit dem Ring zu einer der Fackeln, die die Diener mittlerweile gebracht hatten): Zwei griech'sche Worte.

CANDAULES: Und heißen?

PHARNACES: εὐτυχίαν κρύπτω

PHEDROS: «Ich verberge das Glück.»

EINIGE: «Ich verberge das Glück»? Was für ein Glück?…

NICOMEDES: Das Wort ist dunkel.

PHARNACES (als ob er noch etwas sähe): Wartet! – Da … (Alle in Erwartung.) Nein – es ist alles. König Candaules, ich stecke diesen rätselvollen Ring an Deinen Finger.

CANDAULES (hält mit einer Geste Pharnaces zurück): Koch! – Woher kommt der Fisch?

DER KOCH: Ein Mensch bracht' ihn vorhin. Der Fisch war schön, so kaufte ich ihn.

CANDAULES: Wo ist der Mensch?

DER KOCH: Er ist heim.

CANDAULES: Weshalb hast Du ihn nicht zum Gelage in der Küche zurückgehalten?

DER KOCH: Er wollte nicht.

CANDAULES: Ich seh's nicht gern, daß man zurückweist, was ich biete … Was für ein Mensch?

DER KOCH: Ein armer Fischer, weiter besond'res nichts.

CANDAULES: Und Du, Du gabst ihm für den Fisch?

DER KOCH: Vier Silberstücke.

CANDAULES: Gold verdiente er dafür.

DER KOCH: Er ist so unglücklich, daß Silber ihm genug ist.

CANDAULES: Es gibt nur Glückliche in meinem Reich, – oder es ist, daß ich ihn nicht kenne. Wie heißt er?

DER KOCH: Er hat, zu dienen, den Namen Gyges.

CANDAULES: Man suche ihn. Ich will ihn kennen. Ich schwöre es, kein Finger kommt in diesen Ring, bevor ich nicht den Mann gesehn. Gyges sagst Du?

DER KOCH: Ja, Gyges.

CANDAULES: Bevor ich nicht mit Gyges, dem Fischer, gesprochen. Geh! Such' ihn!

DER KOCH (gibt einem Mann Befehle): Auf der Stelle.

(Ein ziemlich langes Schweigen begleitet das Schweigen des Königs. Dann hört man):

SEBAS: Es ist luftiger hier als drinnen im Saal.

PHILEBOS: Und diese Stelle hier im Garten ist wundervoll zur Nacht.

NICOMEDES: Was für ein Blick! Ich hab' es gern, wenn man so bis aufs Meer sieht: – wo sich, da seht, der wachsende Mond heraufhebt.

NYSSIA: Was ist das für ein Leuchten?

PHILEBOS: Es ist der Mond, hohe Frau.

NYSSIA: Nein! Da, da unten, ganz am Rand der Küste.

PHARNACES: Man möchte sagen, eine Hütte brennt.

NICOMEDES: Es sieht sehr schön aus, so in der Nacht, das Brennen.

SEBAS: Diese Fasane sind vorzüglich.

ARCHELAOS: Ich habe eine Wachtel genommen.

SYPHAX: Candaules spricht kein Wort und scheint bekümmert.

CANDAULES: Man sieht fast nichts mehr … bringt Fackeln, mehr Fackeln. (Man bringt Fackeln.) – Mein Becher ist leer. Der Eure auch. Philebos! Pharnaces … der Wein verdirbt.

(Philebos, dem man Wein eingießen will, weist zurück.) Und wenn Du schon nicht trinkst, so sprich – ich bin voll Unruh … dies Wort im Ring … was denkst Du davon? Philebos? Ich kann mein Denken nicht davon wenden.

PHILEBOS: Weshalb, Candaules? Ich glaube, nichts weiter ist's als solcher doppelsinniger Worte Spiel, wie sie im Brauche der Orakel. Was sie Geheimnisvolles haben, ist nur der Glaube, den man ihnen gibt. Mit vieler Mühe findet man am Ende nichts weiter in dem Rätsel als eine ganz gemeine Alltagswahrheit.

PHARNACES: Und öfter noch findet man überhaupt nichts.

CANDAULES: So meint Ihr, die Worte wollen fast nichts sagen?

PHILEBOS: «Ich verberge das Glück» –? Nein … nichts.

CANDAULES: So besser so. Ich hätte mich davon beunruhigen lassen.

NICOMEDES: Und dann, wenn Worte dieser Art schon einem nüchternen Menschen widerspenstig scheinen, sind wir, der eine nicht und nicht der andere, glaub' ich, jetzt im Stand, das Rätsel zu lösen.

SYPHAX: Du hast recht, Nicomedes! Trinken wir kurz und gut auf das Glück des Candaules. Er macht es dem Ring nicht nach, er verbirgt sein Glück nicht, im Gegenteil! –

PHARNACES (erhebt sich, um mit den Anderen anzustoßen): Es lebe Candaules, der glücklichste Mensch der Erde!

CANDAULES (schlägt mit der Faust heftig auf den Tisch): Was! Mein Glück! Was wißt ihr von meinem Glück!? Was!

PHEDROS: Nichts, Candaules.

CANDAULES (sich besinnend): Verzeiht, Ihr werten Herren – ich weiß nicht, was mich so bewegen konnte … Und Ihr, Nyssia, die Ihr schweigt, wenn man an Euch nicht ganz besonders das Wort richtet – sagt, was denkt Ihr von meinem Glück?

NYSSIA: Daß es ist wie ich, hoher Herr.

CANDAULES (von Neuem erregt): Rätsel! Wieder Rätsel! – Was meint Ihr damit? Sprecht!

NYSSIA: Ich wollte sagen, das Glück verwelkt, wird es entschleiert.

CANDAULES (in dem der Wein zu wirken beginnt): So bedeckt Euch! Es liegt mir nichts mehr daran nun Jeder Euch gesehen hat.

NYSSIA (macht eine Bewegung traurigen Erstaunens).

CANDAULES: O, verzeiht, Nyssia!… Was habe ich sagen können? Ach Schmerz … ich will Euch keinen Schmerz antun. Doch weil mein Glück, weil mir mein unverborg'nes Glück im Andern seine Kraft und seine Heftigkeit zu schöpfen scheint, so kommt's mir vor, oft kommt's mir vor, es existierte nur im Wissen, daß die Andern davon haben und daß ich's erst besitze, wenn Andere wissen, daß ich es besitze. Dies schwör' ich Euch, Ihr Freunde, wenig läg' mir daran, die Erde mein zu nennen, wär' ich allein auf ihr und keiner da, der wüßte, daß die Erde mein ist. Glaubt mir dies: ich fühle meinen Reichtum nur, da Ihr ihn nützt. Ich bin so reich …! Kein Rausch ist stark genug, daß er mich dieses übertreiben machte: ich bin sehr reich. Und da ich vorhin unwillig ward, als Ihr mein Wohl, das Wohl des reichsten Menschen dieser Erde tranket, so war es nur, weil Ihr ja gar nicht wißt, wie reich ich bin.

PHEDROS: Nicht auf Deinen Reichtum tranken wir, Candaules, wir tranken auf Dein Glück.

CANDAULES (beugt sich vor, sich ereifernd): Das ist das Schlimm're! Was? Was wißt Ihr von meinem Glück? Weiß ich denn selbst davon? Kann man sein Glück denn ansehn, greifen? Man sieht nur das der Anderen. Das eigene fühlt man nur, wenn man's nicht ansieht. – Die Luft ist schwül heut Nacht und ihre Wollust drückend … Und dieser Gyges! Was ist's mit ihm! (Er erhebt sich und schwankt ein wenig, aber ganz wenig.) Wenn Gyges kommt, so wollen wir ihn betrunken machen. (Man gießt ihm ein. – Er nähert sich Phedros.) Und Du weißt nicht, Phedros, noch nicht weißt Du – ein Geheimnis …

(Er setzt sich zwischen Phedros und Simmias. Die Tafel ist etwas in Unordnung, wie bei unsern Mahlzeiten, wenn der Kaffee gereicht wird. Nicomedes nähert sich der Königin und spricht zu ihr.)

CANDAULES (zu Phedros): Und dann – was liegt mir, mir am Glück? Nicht wahr, 's ist nur des Armen würdig, sich zu beschäftigen mit dem Glücklichsein. Sag, verstehst Du mich, Phedros? Und Deine Weisheit, unterschreibt sie, was ich nur Dir sagen kann? Jedes neue Gut, das man besitzt, es schleppt sein neues Verlangen nach, es zu probieren, es zu wagen … Und Besitzen, das ist für mich Versuchen, Wagen. (Er schlägt mit seinem Becher auf den Tisch und hört auf den Ton.) Warum sagst Du nichts, Phedros? Hast Du nichts getrunken? Phedros, ist Dein Glück denn in der Ruhe? Hab' ich mehr Weisheit, als Du Philosoph, um zu verstehen, daß, nur wo das Leben überfließt, das Glück ist? O Phedros! Für mehr Glück und mehr Leben verbraucht sich der Mensch, wenn er arm ist, im Verlangen – das ist die eine Art, verstehst Du? Aber nichts verlangen, nein: Arbeiten für das, was man verlangt. Und wenn man es hat, es wagen. Verstehst Du. Das Glück auf's Spiel setzen – das ist die andere Art, die Art der Reichen. Das ist die meine. Ich bin so reich, Phedros, und des Lebens so voll …

SIMMIAS: Wäre Dein Glück eine Freundschaft, Du sprächst nicht davon, mit diesem Glück zu spielen, Candaules: aber eine Freundschaft, das ist es, was Dir fehlt.

CANDAULES: Du hast recht. Um wieviel Schätze, schöner Simmias, kaufte ich nicht die Deine!

DER KOCH (kommt mit Gyges, von links.)

DER KOCH: König, hier ist der Fischer.

CANDAULES (von der rechten Seite des Tisches, wo er sich niedergelassen): Also Du bist Gyges?

GYGES: Ja, ich bin Gyges, König Candaules.

CANDAULES: Gyges, der Fischer.

GYGES: Ja, Gyges der Fischer.

CANDAULES: Gyges, der Arme.

GYGES: Gyges, der Arme, König Candaules.

ARCHELAOS: Er ist nicht sehr gesprächig.

SEBAS: Das hat er von den Fischen.

CANDAULES: Laß, Sebas, – Komm näher, Gyges. Warum bist Du nicht beim Gelage in den Küchen?

GYGES (antwortet nicht).

CANDAULES: Man reiche ihm einen Becher. Trinkst Du manchmal Wein?

GYGES: Sozusagen nie.

CANDAULES: Trink! (Er sieht einen Sklaven gewöhnlichen Wein eingießen.) Nein! Nicht von dem! Bessern.

PHARNACES: He! Das schmeckt, Gyges!

CANDAULES: Laß, Pharnaces! Ist es wahr, daß Du so unglücklich bist, Gyges?

GYGES: Nein, nicht unglücklich – elend.

CANDAULES: Bist Du sehr arm?

GYGES: Ich habe, was ich brauche.

SYPHAX: Für einen Fischer ist er gar nicht so dumm.

CANDAULES: Was hast Du denn?

GYGES: Ich hatte ein kleines Haus. Aber mein Weib kam aus Deinen Küchen, König, und hatte sich da ein wenig betrunken. Sie wollte das Herdfeuer aufschüren, mir meine Suppe zu wärmen. Sie brachte Feuer an's Stroh und, ich weiß nicht wie es kam, die Hütte war wohl ausgedörrt – Alles brannte nieder.

CANDAULES: Hattest Du sonst nichts, Gyges?

GYGES: Meine Netze – sie verbrannten in der Hütte.

CANDAULES: Wie kann auf dieser selben Erde, neben einem Glück wie dem meinen, wie kann ein solches Elend sein?… Ich will Dein Weib sehen armer Gyges.

ARCHELAOS: Und ich auch.

GYGES: Sie sehen? – Leicht, Candaules, sie ist nicht weit. Ich wollte sie nicht allein lassen, denn sie ist betrunken, so nahm ich sie mit mir. (Gyges ab.)

SEBAS (stößt Archelaos mit dem Ellenbogen, leise): Archelaos, das gibt zu lachen! S' ist die! Du weißt, mein Schatz von gestern Nacht.

ARCHELAOS: Ich bin gespannt. (Zu Pharnaces.) Candaules hat da wahrhaftig einen wunderbaren Einfall! (Zu Sebas.) Ist sie wenigstens schön?

SEBAS: Was willst Du! Ein Fischerweib!

PHARNACES: Na weißt Du, ich hab' schon Bäuerinnen gesehen, die nicht …

PHEDROS (sieht Gyges mit seinem Weibe kommen; die ist wie eine Wilde, das Haar wirr und schlecht gekleidet): O König, was Du tust, ist gefährlich!

GYGES: Hier, werte Herren, ist das Weib des Gyges.

ARCHELAOS (lacht).

CANDAULES: Wie heißt sie?

GYGES: Ich ruf' sie Trydo.

SEBAS: Haha, hätt ich das gewußt! Trydo! Trydo!

CANDAULES: Gebt Frieden! (Leise.) Laßt mich gut zu diesem Menschen sprechen. Nun, armer Gyges, das ist alles, was Du hast?

GYGES: Besser das Wenige, aber das für mich allein.

SEBAS (platzt heraus, zu Archelaos): Paß auf!

GYGES: Vier Dinge waren mein Eigen, ich hab' nur mehr zwei. Man hält zwei Dinge besser in den Händen als vier.

CANDAULES: Was sind das für zwei Dinge, tapfrer Gyges?

GYGES: Das eine ist mein Weib.

SEBAS (kann sich nicht mehr halten): Ach, mein lieber Gyges, was das Weib betrifft, da kannst Du sicher sein, daß Du es nicht allein besitzest.

CANDAULES (entrüstet): Sebas!

SEBAS: Nein. Aber es darf doch dieses Schwein nicht kommen und sich stolz vor mir machen und sagen, daß er das Weib da allein hat …

CANDAULES: Sebas!

SEBAS: Wenn sie, während er seinen gehörnten Fisch fängt, (Archelaos krümmt sich vor Lachen) nicht, Trydo, he? Gestern in der Küche …

NYSSIA (zu Candaules): Aber, mein Gebieter, das ist ja fürchterlich …

CANDAULES: Ich bitt' Euch, Nyssia. Ich werde es nicht dulden, daß man diesen Mann beschimpft.

GYGES: Danke, Candaules. – Und Du, Herr, dessen Namen ich gar nicht kenne und den zu kennen mich wahrhaftig nicht verlangt – Du vermagst viel über mich, ich über Dich – nichts. Aber ich vermag alles über die da. Sie gehört mir, sag ich Dir. (Er reißt ein Messer vom Tisch und sticht auf Trydo.) Sie gehört mir! – (Bewegung.) Sie gehört mir!

NYSSIA: Haltet ihn doch!

NICOMEDES: Archelaos! Sebas! Haltet ihn doch!

SEBAS (der sich erhoben, verwickelt sich mit seinen Beinen in seine Kleider und rollt, völlig betrunken, unter den Tisch).

NYSSIA (erhebt sich und will gehen).

NICOMEDES (versucht, sie zurückzuhalten.)

PHARNACES: Dieser Mensch ist scheußlich!…

CANDAULES: Nein, Pharnaces, wunderbar ist er! Und vornehmer als Du, Sebas. – Sebas! Wo ist er denn?

NICOMEDES: Er ist unter den Tisch geflüchtet.

CANDAULES: Laß ihn, Pharnaces, er ist besser dort, als anderswo. Nyssia! Ihr geht?

NYSSIA (ab).

GYGES (der eine Weile neben seinem toten Weibe steht, will fort.)

CANDAULES: Bleib! Bleib! Gyges! Gyges!

GYGES: Nein, Herr.

CANDAULES: Gyges!

GYGES: Nein. – Nichts hab' ich mehr als eines – das kann mir keiner rauben. (Fragende Geste des Candaules) Mein Elend!

CANDAULES: Ja, Gyges; und der es von Dir nimmt, bin ich, Dein Herr.

GYGES: Ich bin nicht Dein Knecht, o König.

CANDAULES: Das sagst Du gut. Ihr hörtet es, Philebos und Phedros. Nein, Du bist mein Knecht nicht, Gyges, und ich bin nicht Dein Herr; Dein Freund! (Zu den Dienern) Man richte im Palast ein Gemach für ihn. – Die Tafel ist aufgehoben, meine Herren. Heute wird wohl keiner mehr trinken wollen.

Vorhang schnell.

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