Читать книгу Gesammelte Werke - Андре Жид - Страница 9
ОглавлениеZWEITER AKT
Die Szene ist ein Gemach im Palaste, offen nach links und da von einer Terrasse abgeschlossen, auf der Musikanten ihren Platz haben. CANDAULES und GYGES sitzen noch beim Schluß eines Mahles, fast ausgestreckt auf niedrigen Stühlen. GYGES ist glänzend gekleidet. Die Musikanten spielen.
Erste Szene.
CANDAULES: Nun quält mich die Musik. Hört auf! Gyges weiß nun, was ihr könnt. Jede Regung hat nichts sonst Köstliches als ihre Überraschung. Unsere Freude gleicht dem beweglichen Wasser des Stromes – es dankt die Frische seiner währenden Flucht. (Zu den Musikanten.) Geht und zerstreut die Gäste in den Gärten. Entschuldigt mich bei ihnen. Und daß ich später in der Nacht noch komme. Versucht mit Eurem leichten Spiel, sie wach zu halten. (Die Musikanten ab.) Deckt ab! (Die Diener beeilen sich damit.) Den süßen Wein laßt da … Vielleicht trinkt Gyges noch davon … Gib Deinen Becher, Gyges. – Er kommt von Cypern. – Liebst Du ihn? (Zu den Dienern, die abseits stehen.) Bringt uns bald Licht. Der Abend schließt sich. Geht! (Die Diener ab. Candaules rückt Gyges näher.) Freund Gyges! So mußtest Du, wenn Dir das Meer nicht gnädig war, hungrig zu Bett.
GYGES: Ja, Candaules. Es gibt in Deinen Ländern mehr als einen Armen, der öfter als an einem Abend ohne Mahl sein Lager aufsucht.
CANDAULES: Das hätt' ich früher wissen mögen.
GYGES: Wozu?
CANDAULES: Vielleicht – um mich darum zu kümmern.
GYGES: Um Dein Glück Dir zu verderben?…
CANDAULES: Nein, nein – mein Glück hätte das Elend besiegt … Ich glaubte es so groß, so strahlend groß, daß neben ihm nichts Armes möglich wäre.
GYGES: Was Du für mich getan, das hättest Du so auch getan, so ohne mich zu kennen?
CANDAULES: Selbst ohne Dich zu kennen, ja, wahrhaftig.
GYGES (wendet sich traurig ab): So siehst Du, daß Freundschaft zwischen uns nicht sein kann.
CANDAULES: Weshalb denn? Sag!
GYGES: Was Du für mich getan, das tatest Du aus Mitleid. Man hat nicht Freundschaft, man hat nur Mitleid mit den Armen.
CANDAULES: Arm! Bist Du's denn noch? Steh' auf und sieh Dich an! Dein Kleid ist doch ein anderes. Glänzender Gyges, wer wollte Dir jetzt wohl sein Mitleid schenken? (Gyges hat sich erhoben, er betrachtet sein kostbares Gewand, doch sieht bekümmert und wendet sich von Candaules.) Nimm diese Kette … (Er nimmt eine seiner Halsketten ab und will sie Gyges umhängen, der abwehrt.) Ich will es. (Gyges trägt nun die Kette und setzt sich wieder. Candaules neben ihm, eindringlich): Glaubst Du mich reich?
GYGES: Ja.
CANDAULES: Sehr reich?
GYGES: Ja, sehr reich.
CANDAULES: Dann sag mir noch, … wie … wie reich?
GYGES: Ich weiß, so weit mein Blick reicht, ist Dein Land.
CANDAULES: O größer, Gyges, viel größer!
GYGES: Man sagt, Du habest Inseln auf dem Meer.
CANDAULES: Meine schwerbeladenen Schiffe kommen her von dort … Doch, das ist nur ein kleiner Teil … Kannst Du Dir denken, wie viel Gold in meinen Kellern liegt?
GYGES: Fast so viel, denk' ich, als den Armen fehlt.
CANDAULES: Sprich mir nicht von den Armen, Gyges, ich kann sie reich machen wie Könige und würd' es doch kaum spüren in meinem Schatzhause. Morgen sollst Du es sehen. Deine Hütte war eng, Gyges, nicht wahr?
GYGES: Eng und niedrig, ja, Candaules.
CANDAULES: Und Geschmeide, glaubst Du, daß ich Geschmeide habe?
GYGES: Du zeigtest mir sehr schöne …
CANDAULES: Ich habe noch schönere, Du wirst sehen. Was trinkst Du für gewöhnlich?
GYGES: Wasser.
CANDAULES: Schmeckt Dir der Wein?
GYGES: Er mag nicht schlecht sein.
CANDAULES: Ich habe besseren.
GYGES (zieht seinen Kopf aus seinen Händen): König Candaules, weshalb hältst Du so viel darauf, daß ich Deinen Reichtum kenne?
CANDAULES: Damit Dich die Freundschaft freut, die Dich von all den Schätzen genießen läßt.
GYGES: Ich dachte, die Freundschaft, die Du wolltest, war nicht die Deines Reichtumes, aber Deiner selbst …
CANDAULES: Laß Deinen Spott, Gyges. Und wehr' Dich nicht gegen das Glück. Was liegt daran, daß Einer gibt, der Andere nimmt, wo Beide sich desselben Gutes freuen? Hör': Unmut und Kummer ist in mir, so lang' Du nicht die ganze Fülle meines Reichtums kennst.
GYGES: Viel besitzt Du, dessen Namen nichts für mich bedeutet. Was nanntest Du mir alle Deine Schätze? Wie sie schmecken, läßt sich das denken? Was man nicht haben kann, ist besser, nicht daran zu denken.
CANDAULES: Aber ich geb' Dir alles das … Alles … Alles … O Gyges, zu lang unglücklicher Gyges. Ich möchte heut' Dein Glück größer als je Dein Unglück groß war und Dein Schmerz. (Die Diener bringen Fackeln und gehen ab. Schweigen.) An was denkt mein Freund?… Um diese Stunde, was tat er gestern? Müde von der bittern Welle, trauriger Fischer
GYGES (unterbrechend): Kam er in seine Hütte, wo Trydo ihn erwartete.
CANDAULES: Trydo … ja – Du trauerst um sie! Armer Gyges … Komm zu mir, sag – Du liebtest sie? (Gyges schweigt.) Hast Du für mich nur eine Freundschaft, die kein Vertrauen kennt? – Mein Freund Gyges, sag, sprich doch … Du liebtest sie? – Gyges?
GYGES (legt den Kopf in die Hände und bebt): Die Winternächte war sie warm in meinem Bett … Ich sagte zu ihr: Trydo; und sie sprach: Meister. – Ich glaubte, sie liebte mich, und ich war glücklich.
CANDAULES: Armer Gyges! (Er hat sich erhoben, geht langsam den Saal nach rückwärts, leise.) Was flüsterst Du mir da zu, unruhiger Gedanke? (Er löscht entschlossen einige Fackeln; dann wendet er sich, noch immer rückwärts, zu Gyges.) Gyges – weißt Du, weshalb mich die Liebe zu Dir faßte? – Du allein hast die Schönheit der Königin verstanden … Bevor Du sie sahest, konntest Du glauben, Dein Weib sei schön … Aber ich weiß es, kaum daß Du Nyssia sahest, da schien Dir auch Trydo nicht mehr schön. (Er kommt Gyges näher.) Deshalb … hast Du sie getötet, nicht wahr, Gyges?
GYGES: Wie kannst Du das denken, o König!
CANDAULES: Fing ich Dich, Gyges?
GYGES: So wahr ich an Gott glaube, dies ist nicht so.
CANDAULES (nimmt wieder sein Gehen auf): Du glaubst an Gott?
GYGES: Ich glaube.
CANDAULES: Ich nicht viel. – Einfach Du selber kannst Du auch nur Einfaches denken, ich aber … (leise) lauter, sprich lauter, mein jüngster Gedanke! Wohin willst Du mich führen? Herrlicher Candaules … (Er schreitet im Gemach, löscht wieder eine Fackel, dann zu Gyges gewandt.) Also wirklich deshalb, weil … So war es Dir so arg, zu wissen, daß Dein Weib nicht Dir allein gehörte?
GYGES: Dafür hab' ich sie getötet – und weil ich den Andern nicht töten konnte.
CANDAULES: Stolzer Gyges!… Sonderbar … muß man so wenig sein Eigen nennen, um es so für sich allein zu wollen?… Aber – wenn der Andere Dein Freund gewesen wäre?
GYGES: O König, wie könnte ein Freund daran denken, mich zu betrügen?
CANDAULES: Ja … aber, wenn er es täte, ohne Dich zu betrügen?
GYGES: Ich verstehe Dich nicht mehr, Candaules.
CANDAULES: … Also Du hast die Königin nicht gesehen?
GYGES: Ein wenig, ja … doch hab' ich sie nicht angesehen.
CANDAULES: Dann sahst Du sie nicht. – Man kann den Blick nicht von ihr wenden, sieht man sie. (Leiser.) Sie weiß das. Sie will nicht mehr, daß man sie sieht. – Sie sagte zu mir: Dies erste Mal, daß ich mich zeige, sei auch das letzte Mal. (Noch näher zu Gyges und noch leiser.) Gyges … willst Du sie sehn, die Königin?
GYGES (erhebt sich, wie ermüdet): Nun bin ich müde, laß mich gehn.
CANDAULES (hält ihn am Gewand zurück): Gyges … verlangt es Dich, die Königin zu sehn?
GYGES (macht sich los): Nein.
CANDAULES: Gyges, ich will Dir Nyssia zeigen.
GYGES (wendet sich heftig zu Candaules): Aber ich will sie nicht sehn.
CANDAULES (leise): Ach! Wenn Du sie angesehen hättest …!
GYGES: Liebst Du sie denn nicht?
CANDAULES: Oh – mehr als mich selbst! Sie dürfte es auch nicht wissen … Und wie sie mich liebt …! Das soll Dir ihre Schönheit sagen – doch hör's ganz leise: (Er neigt sich Gyges ans Ohr.) Niemals, niemals hab' ich nach anderen Frauen begehrt … Ihr Antlitz, was ist ihr Antlitz … Wenn Du wüßtest, Gyges!… Und ihre Wollust … Und wenn Du sie da hörtest … Ich leide, hör' ich ein andres Weib loben und sag' zu mir: das ist nur, weil sie Nyssia nicht kennen. – Gyges … willst Du Nyssia kennen?
GYGES: Du willst mich auf die Probe stellen? – Ich versteh' Dich nicht.
CANDAULES: So schlimmer. Lassen wir's. Das Kleinod, das ich Dir um den Nacken legte, – alle meine Diener kennen es und gehorchen dem, der es trägt. Es ist des Königs Halsband und ich schenk' es Dir. Zweifelst Du noch an meiner Freundschaft?
GYGES: So lange Du es bist, der immer gibt: ja … Entlaß mich nun, ich möchte schlafen.
CANDAULES (ein wenig erregt): Später, später! – Bleib, Gyges. Hör: – Du hast mir auch etwas gegeben.
GYGES: Ich?
CANDAULES: So setz' Dich doch!… Bleib noch ein wenig. (Gyges setzt sich halb.) Siehst Du den Ring? Gestern noch, da machte ich nicht viel daraus. Nur, weil ich seinen Wert nicht kannte. Doch waren da zwei Worte eingegraben, die machten mich, wie auch die sonderbare Herkunft unruhig. Er war im Fleisch des Fisches, den Du gestern fingst. Einer fand ihn in einem Bissen und gab ihn mir. Ich aber war erstaunt, verwirrt, und tat den Schwur, nicht früher den Ring an meine Hand zu stecken, bevor ich nicht den Fischer sprach, dem wir den Fisch auf unserer Tafel dankten. – Du kamst. Wir sprachen. Und des Mahles blutiges Ende ließ mich den Ring vergessen, bis heute Morgen – ich war mit meinen Gästen – da steckt' ich ihn gedankenlos an meinen Finger. Auf einmal: «Wohin entfloh Candaules?» sprach einer. Ein anderer: «Er war im Augenblick noch unter uns», «Wo ist er? Wo steckt er denn? Er ist verschwunden, fort!» Und doch hatt' ich mich nicht vom Fleck gerührt. Ich sah die Herren neben mir, ganz nah, wie ich bei Dir … doch sie, sie sahn mich nicht. Und voll Entzücken ward ich betäubend so gewahr, daß mich der Ring unsichtbar machte. Stark genug, kein Wort zu sagen, schlich ich mich leise aus ihrer Mitte, und dachte gleich: der Ring, der ist von Gyges, meinem Freund, dem ich ihn schulde. – Da ist er!
GYGES: Wär' ich so Dein Freund, Candaules?
CANDAULES: Da – sieh mich an. (Er steckt sehr deutlich auffallend den Ring an den Finger.)
GYGES: Oh! Wie ein Körnchen Salz, so schmilzst Du weg. – Die Luft, sie schließt sich über Dich – – Du verschwandest … Candaules? Bist Du da? – Wo bist Du denn?… Candaules … (Sehr deutlich auffallend zieht Candaules den Ring vom Finger. – Es ist völlig unnütz, daß Candaules durch irgendwelche Maschinerie auch immer aus dem Blick der Zuschauer verschwindet. Worte und Gesten des Gyges genügen, anzuzeigen, daß er Candaules nicht mehr sieht. – Da Candaules seinen Ring wieder abgezogen hat, wirft sich Gyges vor dem König zu Füßen und zeigt so, daß er ihn wieder sieht.) Ah! meine Augen!… Da bist Du! – Du verschwandest und erschienest wieder wie ein Gott, Candaules.
CANDAULES: Nicht wie ein Gott, Gyges – wie Du selber, wenn Du diesen Ring an Deinen Finger steckst … da …
GYGES (besieht furchtsam den Ring und wagt es, ihn an den Finger zu stecken.)
CANDAULES: Wunder! Ein Traum entflieht nicht schneller den Augen des aufgewachten Schläfers … Geheimnisvoller Ring, verschwunden mit dem, den Du verschwinden läßt, schütze das Glück meines Freundes Gyges und verbirg es! – Bleib verborgen, Gyges!… Still! – Ich höre Nyssia! (Er wendet sich auf ungefähr gegen den Platz, auf dem er Gyges gelassen und der leer ist, da Gyges, wie erfüllt von Entsetzen, zurückgewichen) Bleib verborgen, Gyges. – Halt fest den Ring an Deinem Finger. Sei still! Sei wie die Luft unsichtbar. (Er löscht noch eine Fackel. Der Saal ist nur noch ganz schwach erleuchtet von einer Fackel und dem Dämmer der Nacht, der von der Terrasse kommt.) Seid Ihr es, Nyssia?
NYSSIA (draußen:) Geliebter?
CANDAULES: Kommt Ihr?
NYSSIA: Langsam. – Die Nacht ist schön … Komm, Candaules, sieh, was eine Süßigkeit hier draußen …
CANDAULES (horcht auf die Worte, bleibt unbeweglich, wie bebend in trauriger Lust … Wie zu sich spricht er und wie in Tränen): Nyssia? Meine Liebe – Nyssia, meine Geliebte! – Halte Dich, halte Dich, schwankender Gedanke!… Wein! Ist noch genug?… (Er trinkt.) Ich wurde schwach … (Dann – ins Unbestimmte, Leere.) Bleib' still! – Ich tu' Unsinniges …