Читать книгу Gesammelte Werke - Андре Жид - Страница 6
ОглавлениеERSTER AKT
Die Szene stellt einen Teil eines wohlgepflegten Gartens dar, der zu einem Festsaal verwandelt ist. Etwas nach rechts ist eine Tafel reich gedeckt.
Prolog:
GYGES: Der, der ein Glück hält, soll sich gut verstecken! Und besser noch: sein Glück vor Andern. Hier wird Candaules seine Schmeichler lehren, an seinem Reichtum reich zu werden. Ich kann nicht schmeicheln, nicht schön reden, und stärker als meine Zunge sind meine Arme. Ich, der arme Gyges, hab' nichts, als vier Dinge auf der Welt: Meine Hütte, mein Netz, mein Weib und meine Armut. Ein Fünftes noch: die Kraft, mit der ich mir meine Hütte und meinen Stolz baute, die sich am Strand die Binsen brach, mein Haus zu decken. Ebbt das Meer, so sammle ich den Tang – getrocknet gibt er ein rauhes duftendes Lager, auf dem wir müde ruhn, ich und mein Weib. Zum Morgenaufgang zieh' ich aus, im einen Arm mein Netz, im andern meine Kraft. Ich fing den Fisch hier. Ich fing ihn, mein Weib, das wird ihn braten; seit zwei Tagen arbeitet sie draußen in den Palastküchen. – Wie wenn sein Glück ihm zu groß für einen einzelnen Menschen schiene, ruft der freigebige Candaules die Könige und Großen seines Reiches um sich. Man feiert Feste. – Ehemals kannte ich, der arme Gyges, Candaules, den König. Wir sind gleichen Alters und da wir beide jung waren, kam der kleine Candaules oft herab zur Küste und spielte da. Er spielte und wollte alle seine Spiele mit mir teilen, denn er hatte ein gebendes Wesen. Er erinnert sich nicht mehr daran, weil er reich ist, aber in dem Leben eines Armen bleibt alles. Seit jener Zeit sah ich ihn nicht mehr. Doch liebe ich Candaules und leide daran, daß ich ihn von solchen schamlosen Schmeichlern und Dummköpfen umgeben sehe, die seine gütige Art nützen und ihn preisen, ohne ihn verstehen zu können. Es lebe Candaules! Alle schönen Redensarten der Schmarotzer sind nicht das eine «Danke!» wert, das ihnen der König gibt. Aber was macht es Candaules, daß ich ihn liebe? Der Blick der Mächtigen schaut über die Kleinen weg und sieht sie nicht. Drum geh' ich, wenn auch zum Feste in den Küchen eingeladen, das endet spät, und später noch der Rausch. Und morgen fehl' ich dann den Fang. – Auf Gyges du Stolzer, Gyges du Nüchterner, trag deine nassen Netze in die Küche; dann warte an der Tür – schau' nicht viel um – bis daß dein Weib die Teller abgewaschen und mit dir geht in's Haus des Fischers Gyges. Komm', Gyges.
(Er geht ab.)
Der Koch und mehrere Diener mit Schüsseln
DER KOCH: Überallhin Früchte … He! Gyges! Du gehst?… Nein, nicht hierher den Salat!… Gyges, bleib doch bei uns. Der König lädt' heut' Alles, was vorbeikommt in sein Haus. Ich lade Dich im Namen der ganzen Küche. Der König will, daß heute so viel Wein vergossen werde, daß er bis auf unsere Tische fließt und daß der kleinste Küchenjunge betrunken darunter liegt.
GYGES (der mit seinen Netzen beladen zurückkommt): Ich bin kein Diener des Königs.
DER KOCH: Was macht das? – Wenn des Königs Tisch zu voll ist und überläuft: mach' Dir's zu Nutzen.
GYGES: Es gefällt mir nicht, den König zu nutzen. (Er geht ab nach links.)
DER KOCH: Was für ein Tölpel! – Ein Glück, daß sein Weib es leichter nimmt. (Zu den Dienern): Eilt Euch, eilt Euch!
(Sebas und Archelaos sind eingetreten und gehen umher.)
SEBAS (nimmt eine Feige und ißt sie): Haben wir gute Plätze?
DER KOCH (zeigt ihm einen Platz):
SEBAS: Nah bei den Flötenspielerinnen, hoff' ich.
DER KOCH: 's gibt heut' keine.
SEBAS und ARCHELAOS: Oh!
DER KOCH: Die Königin will keine.
ARCHELAOS: Da werden wir uns mit dem Anblick der Königin trösten.
SEBAS: Sie wird also beim Fest sein?
DER KOCH: Das erste Mal, daß sie sich öffentlich zeigt.
SEBAS: Weshalb verbirgt sie sich? – Hält sie sich für zu häßlich?
ARCHELAOS: Im Gegenteil: für zu schön.
SEBAS: Stolz also?
ARCHELAOS: Scham.
(Beide lachen.)
SEBAS (nimmt wieder Feigen, ißt und reicht dem Archelaos davon): Das macht Appetit! – Ich bin verzweifelt, mein teurer Archelaos: Sie geht wieder!
ARCHELAOS: Wer denn?
SEBAS: Die Köchin!
ARCHELAOS: Dein Schatz von gestern Abend?
SEBAS: Ihr Mann holt sie nach dem Essen.
ARCHELAOS: Das tut mir leid für Dich.
SEBAS: Es tut mir leid für sie, das arme Kind … (Sie entfernen sich.) Also Flötenspielerinnen …
(Man hört):
ARCHELAOS: … Was ein Narr!!
(Nicomedes, Syphax, Pharnaces treten auf.)
NICOMEDES: Das kleine Fest kündet sich nicht übel an, mein lieber Syphax. Was denkst Du?
SYPHAX: Bess'res vom Fest als von Candaules.
PHARNACES: Und doch ist er besser als das Fest.
NICOMEDES: Glaubst Du?
PHARNACES: Gewiß – denn dieses Fest läßt uns nur einen Candaules sehn, während Candaules uns viele Feste sehen läßt.
DER KOCH (zu den Dienern): Feigen hierher.
SYPHAX (kommt mit Nicomedes vor): Ich fange wirklich an zu glauben, daß es weder Politik noch Dummheit ist, was den König veranlaßt, uns mit Festen und Geschenken zu überschütten, es ist vielmehr, wie Du es sagtest, so eine Art unentschiedener Gnädigkeit.
NICOMEDES (bestätigt): Das ist es.
DER KOCH: Da fehlen noch zwei Becher.
SYPHAX (fortfahrend): Und das ist gerade, was mich geniert. So lang ich auch den König schon verachte, ich nahm seine Geschenke gern; aber wenn er wirklich der ist, den ich ihn zu glauben anfange, so bin ich es, den ich nun verachten will.
NICOMEDES: Ach laß doch! Du nimmst doch nichts sonst, als was er Dir anbietet. Komme das Gute nun vom Himmel oder vom Menschen – die Wohltat freudig hinnehmen, das ist das Geheimnis des Glücks.
DER KOCH: Nun ist wohl alles fertig.
(Er zieht sich mit den Dienern zurück. – Die Herren entfernen sich.)
Phedros und Simmias, freundschaftlich verschlungen, Philebos.
PHEDROS: Nein, glaub' mir, Lieber: Der König Candaules ist weiser als Du zugibst. Es ist eine große Weisheit, sich für glücklich zu halten.
SIMMIAS: Ist er denn wirklich glücklich, oder scheint er es bloß?
PHEDROS: Noch mehr Weisheit braucht es dazu, glücklich zu scheinen.
PHILEBOS: Sich glücklich glauben, ist mehr wert, als es zu sein suchen.
PHEDROS: Trotz aller seiner Schätze, weiß er doch den Wert der Freundschaft. Er weiß, sie ist nicht mit Gold zu kaufen. So macht er sich wenig aus der Freundschaft seiner Schmeichler und schätzt nach ihrem Preis ihre Worte, und bezahlt er sie, so tut er's ohne Glauben. Mehr noch – ich sah ihn gegen nichts sonst aufgebracht, als gegen diese süßen Worte.
PHILEBOS: Wenn eines noch sein Glück beunruhigt, ist es dies, um sich und eben wegen seines Reichtums nur Höflinge zu spüren – und nicht einen Freund.
SIMMIAS: Er hat seine Frau.
PHILEBOS: Die Frau – der Freund ist nicht dasselbe.
SIMMIAS: Man sagt, er liebe sie leidenschaftlich.
PHEDROS: Da tut er recht.
SIMMIAS: Man sagt, sie sei ganz wunderbar schön.
PHILEBOS: Nur hat sie noch niemand sehen können.
SIMMIAS: Man sagt, sie würde heut' Abend beim Fest erscheinen.
PHILEBOS und PHEDROS: Wer sagt das?
(Währenddem ist Candaules mit einigen der Herren nähergekommen. Er hört die letzten Worte, und)
SIMMIAS (wendet sich zu ihm und sagt): Aber Candaules selbst.