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Historisches über das Veilchen
ОглавлениеDa das Veilchen in der Romantik ein beliebtes Blümchen war, verwundert es nicht, dass unsere Zeitschrift dort Vorgänger hat. Nora Zorn hat hierzu recherchiert. Das geduckte, dezent gekleidete, aber doch hübsche Blümchen galt den Romantikern als ein Symbol für die Tugenden Bescheidenheit, Demut und Zurückhaltung, die ja für SchriftstellerInnen gar nicht verkehrt sind. Diese Symbolik motivierte auch die Namenswahl unserer Zeitschrift. Das Ziel bestand von Anfang an darin, unbekannte Literatur zu fördern, die zu Unrecht wie das hübsche Veilchen von größeren, auffälligeren Pflanzen überschattet wird. Die Zeitschrift selbst muss auch nicht unbedingt wie ein Rosenbusch in der Mitte des repräsentativen Rasens eines Bestsellerschlosses stehen oder wie der Goldregen die Herrschaft über den Literaturpark an sich reißen, sondern darf ruhig beständig bescheiden bleiben.
Drei historische Vorgänger unseres „Veilchens“ lassen sich finden. Zunächst gab es ein Gedicht mit dem Titel „Das Veilchen“ von Goethe, das auch von Mozart vertont wurde. Hierbei handelt es sich um eine ungleiche Liebesgeschichte: Das Veilchen verliebt sich in eine junge Schäferin und träumt davon, von ihr an den Busen gedrückt zu werden. Die Holde jedoch übersieht die kleine Blume und zertritt sie, ohne es zu bemerken.
Man erzählt die Anekdote, Goethe habe in seinen Rocktaschen Veilchensamen getragen und ihn in Weimar verstreut, um die Welt zu verschönern.
Zum Zweiten gab es eine Zeitschrift „Das Veilchen“, die aus dem „Kreis der Empfindsamen“ hervor ging. Dieser Kreis, der sich 1771 um die Landgräfin Caroline von Hessen-Darmstadt (1721-1774) geschart hatte, gab eine Zeit lang dieses Heftchen heraus, mit eigenen Gedichten der Gruppe. Landgräfin Caroline galt als eine der geistreichsten Frauen des Rokokos und der Aufklärung, Wieland nannte sie die „Königin von Europa“, Goethe und Herder sprachen von der „Großen Landgräfin“.
Zum Dritten gab in Österreich der Buchholz Verlag Wien einen jährlichen Almanach heraus, dessen 14. Jahrgang von 1831 und 34. Jahrgang (1851) heute noch (für 140 €) über das Internet antiquarisch erhältlich sind: „Das Veilchen. Ein Taschenbuch für Freunde einer gemüthlichen und erheiternden Lectüre.“
J. W. von Goethe „Das Veilchen“
Ein Veilchen auf der Wiese stand
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzig´s Veilchen.
Da kam ein´ junge Schäferin,
Mit leichtem Schritt und munterm Sinn,
Die Wiese her, und sang.
Ach, denkt das Veilchen wär´ ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur ein Viertelstündchen lang.
Ach – aber ach, das Mädchen kam
Und nicht in acht das Veilchen nahm,
Zertrat das arme Veilchen.
Es sank und starb und freut‘ sich noch:
„Und sterb‘ ich denn, so sterb‘ ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch.“
Veilchen im Juli 2008, Ausgabe 22
Nora Zorn, Andrea Herrmann