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Kapitel 6

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Das Pfeifen und Trommeln des Piepenchors war nicht zu überhören, als Catrin schließlich in einer unscheinbaren Seitenstraße aus dem Wagen sprang. Es dauerte nur wenige Minuten, da wurde sie mit großem „Hallo!“ an der Schützenhalle begrüßt.

„Na, junge Frau? Stolz auf Felix? Ach, was frage ich? Natürlich bist du das!“

Karl befestigte ein buntes Plastikband an ihrem Handgelenk und winkte sie weiter. Das Schützenvolk klatschte begeistert zur Musik, während sich Catrin durch die Menge schlängelte. Überall nickte man ihr zu, klopfte ihr wohlwollend auf den Rücken und hob prostend das Glas. Sie konnte sich kaum ein Lächeln abringen, während sie sich der Bühne näherte, auf der Felix und Sabrina saßen, strahlend umringt von ihrem Hofstaat.

Es dauerte einen Augenblick, bis Felix mitbekam, dass sie dort unten stand und ihn anstarrte, dann einen weiteren, bis er zu begreifen schien, dass er aus dieser Nummer nicht mehr verheiratet herauskommen würde.

Schwerfällig erhob er sich und in diesem Moment wurde sie auch von Sabrina wahrgenommen, die unter ihrer dicken Schminke sichtlich erbleichte.

Catrin riss die rechte Hand hoch und hielt ihr kurz einen aussagekräftigen Mittelfinger hin, dann wandte sie sich zur Treppe und ging ihrem Noch-Ehemann entgegen, der sich abstützen musste, um nicht zu stolpern.

Voll wie eine Haubitze, schoss es Catrin durch den Kopf, aber sie riss sich zusammen. Wenn sie herausfinden wollte, wohin Felix ihre Hündin geschafft hatte, musste sie sich im Griff haben. Ein falsches Wort von ihr und er würde es ihr vermutlich nicht sagen. Aus Trotz.

Als er auf sie zutorkelte und schließlich vor ihr stehen blieb, beugte sie sich vor und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Gott, wie er stank! Aber wenn sie ihren Hund zurückhaben wollte, dann durfte sie nun keinen Fehler machen. Sie wusste schließlich sehr genau, wie jähzornig er sein konnte, wenn er genug Promille intus hatte.

„Herzlichen Glückwunsch, Felix! Ich habe deinen Triumph online mitverfolgt und bin direkt heimgekommen, um dir zu sagen, wie stolz ich auf dich bin!“

Sie musste regelrecht gegen den Lärm der Feiernden anbrüllen, aber es gelang ihr, trotzdem zu lächeln.

Felix, der endlich eines seiner armseligen Lebensziele erreicht hatte, konnte seine Überraschung kaum verbergen, aber er schaltete überraschend schnell.

„Warst du schon zu Hause?“, fragte er laut, aber lauernd, und legte ihr dabei einen Arm um die Schultern, damit es für alle anderen so aussähe, als sei er völlig entspannt. Er war so ein schlechter Schauspieler. Und wie er roch! Sabrina musste ein echtes Problem mit ihrem Geruchssinn haben, wenn sie diese Mischung aus Schweiß und Alkoholfahne attraktiv fand.

„Nein, ich habe mir am Bahnhof ein Taxi besorgt und bin direkt zu dir geeilt! Quasi non-stop von der Nordsee an deine Seite!“, brüllte sie gegen den Lärm an. „Und jetzt fahre ich heim und geh mit Diva raus! Die lange Fahrt, du weißt schon! Gibst du mir mal den Haustürschlüssel?! Ich glaube, ich habe meinen zu Hause vergessen, als ich gefahren bin!“

Sie sah förmlich, wie es hinter der Stirn ihres Mannes arbeitete. Hoffentlich kam er nicht auf die Idee, sie zu begleiten.

„Komm, lass uns mal eben vor die Tür gehen, hier drin ist es zu laut!“, rief Felix und zog sie bereits fort von der Bühne, auf der Sabrina noch immer stand und ihnen nun nachstarrte.

Auf dem langen Weg hinaus aus der Halle musste Catrin ungezählte bierselige Glückwünsche über sich ergehen lassen und mehr als einmal lehnte sie ein angereichtes Glas Bier mit den Worten ab: „Danke, später vielleicht!“

Endlich hatten sie es geschafft und standen draußen in der prallen Sonne. Catrins Blick glitt zum angrenzenden Parkgelände und zu dem Rosenbusch, der wirklich prachtvoll blühte. Der ruhige See dahinter glitzerte in der Sonne.

Ihr habt es ja nicht weit geschafft, ehe ihr übereinander hergefallen seid, dachte sie wütend und bemühte sich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.

„Der Schlüssel?“, fragte sie scheinheilig.

„Ja, natürlich“, stammelte ihr Mann und wühlte in seiner Hosentasche.

Als der körperwarme Schlüsselbund in ihre Hand glitt, ballten sich Catrins Finger um ihn zur Faust.

„Danke! Ich laufe nur eben heim, versorge Diva, dann ziehe ich mich um und komme zurück“, säuselte sie und wandte sich zum Gehen.

„Du kannst doch auch gleich hierbleiben“, sagte Felix schnell und hielt sie zurück.

„Aber was ist mit dem Hund?“

„Weißt du, ich habe Diva für ein paar Tage zu jemandem gegeben, der sich gut um sie kümmert“, beichtete Felix. „Sabrinas Bruder hat sie abgeholt und wollte sie eigentlich morgen zurückbringen.“

Catrin spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Felix hatte das sensible Tier einfach einem Wildfremden überlassen, der sie weiß Gott wohin verschleppt hatte? Eine Wut stieg in ihr auf, die sie in dieser Heftigkeit noch nie gespürt hatte.

Laut sagte sie: „Das war aber gut mitgedacht!“ Das falsche Lächeln, das sie Felix schenkte, brannte, als sie es auf ihre Lippen zwang.

Wieder konnte ihr Mann seine Überraschung kaum verbergen. „Mensch, Catrin, und ich dachte schon, du machst Theater deswegen.“ Er wischte sich mit einem Taschentuch über das verschwitzte Gesicht. „Wie war die Tagung?“, heuchelte er Interesse, während sein Blick bereits wieder erhaben über die Menge glitt, die ihn und seine Regentschaft feierte.

„Bestens“, sagte sie und wusste, dass ihn die Antwort überhaupt nicht interessierte. Alles, was sich um ihren Beruf als Autorin drehte, war ihm vollkommen egal. Er hielt es trotz des Geldes, das sie verdiente, eher für das Hobby einer gelangweilten Ehefrau, und er gönnte es ihr mit der ihm eigenen schleimigen Überheblichkeit.

„Du, Felix“, sie sah ihm mit einem gespielt traurigen Augenaufschlag in die alkoholgeröteten Augen. „Ruf Sabrinas Bruder an und sag ihm, er soll Diva vorbeibringen.“

„Jetzt?“

„Jetzt!“

„Hat das nicht Zeit bis morgen?“

„Ach, Felix“, sie tätschelte sein feuchtes Gesicht, „wie oft muss ich dir noch sagen, dass man mit Frauen nicht diskutiert?“

„Das kann aber dauern, er wohnt irgendwo im Hochsauerland, wenn ich das richtig verstanden habe.“

„Du weißt gar nicht, wo Diva ist?“, fragte sie eine Spur zu schnell.

„Natürlich weiß ich, wo sie ist.“ Felix sah sie misstrauisch an und runzelte die Stirn.

Schnell lächelte Catrin und sah, wie er sich gleich wieder entspannte. Arschloch!, dachte sie.

„Die ist bei Sabrinas Bruder“, lallte Felix. „Der ist Jäger, kennt sich super mit Hunden aus. Sabrina hat das organisiert.“

Sabrina. Natürlich. „Ruf ihn an.“

„Und dann?“, fragte Felix lauernd. „Willst du zu Hause auf ihn warten?“ Wieder diese kaum unterdrückte Nervosität in seiner Stimme.

„Wenn du ihn jetzt anrufst, jetzt sofort, und er auch gleich losfährt, dann soll er hierherkommen. Ich warte dann hier. Bei dir.“

Er warf ihr einen letzten skeptischen Blick zu, dann tippte er bereits auf dem Display seines Handys herum.

„Simon? Hier ist Felix! … Ja, danke! … Ja, deiner Schwester gehts auch gut, bestens sogar. Ja …“ Felix wandte ihr den Rücken zu, sie hörte, wie er tief und schallend lachte.

Wie lange ging das eigentlich schon mit ihrem Mann und seiner Kollegin? Die Vertraulichkeit, mit der Felix mit diesem Typ sprach, erinnerte sie an die Herzlichkeit unter Schwägern.

„… kannst du Diva zurückbringen? Meine Frau steht vor mir … ja, genau, sie ist etwas früher zurückgekommen von ihrer Schreiberling-Tagung“, er warf ihr über die Schulter ein leicht ertappt wirkendes Lächeln zu, „… und sie möchte den Hund sehen ... Ja. Pack sie in den Wagen und fahr los. … Was? … Nein, lieber sofort. … Nein, wirklich. Es muss sofort sein. … Noch nicht. Du, lass uns darüber später reden, ja? ... Komm einfach mit dem Hund zur Halle, du weißt ja, wo wir sind. Danke!“ Mit diesen Worten beendete Felix sein Telefonat und atmete tief durch. „Zwei Stunden, dann ist er hier.“

„Ach, Felix, du bist ein Schatz“, säuselte Catrin und spürte, wie sie sich beruhigte. Sobald sie Diva zurückhatte, würde sie sich in den Wagen setzen und verschwinden. Mit Felix’ Schlüsselbund. Sollte er doch zusehen, wie er ins Haus kam, das ja immerhin zur Hälfte auch ihr gehörte.

„Komm“, sagte sie und straffte die Schultern. „Lass uns wieder reingehen und feiern.“

Dankbar griff sie nach dem ersten Glas Bier, das man ihr anbot, und reichte es sofort an ihren Mann weiter. „Ex und hopp! Das hast du dir verdient!“

Es war wichtig, dass er in zwei Stunden so abgefüllt war, wie nie zuvor in seinem Leben.

ROCK IM WALD - Ein Norbert-Roman

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