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Kapitel 10

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Laura saß auf dem Liegestuhl neben ihm und las. Mal wieder.

Ein beinahe seliges Lächeln lag auf ihren Zügen. Sie war in eine Geschichte eingetaucht, in der Heckeschneiden und Rasenmähen kein Thema waren. Und er sowieso nicht.

Ben sah auf die Uhr. Gleich halb vier. Die Mittagsruhe war vorbei, wer jetzt noch im Bett lag und versuchte, zu schlafen, der hatte es nicht anders verdient. Laura und er hatten sich diese Woche freigenommen, aber trotzdem war das heute für die meisten Menschen ein ganz normaler Montag. Sah man mal von ein paar der kleineren Dörfer ringsum ab, die gerade in den letzten Zuckungen ihrer Schützenfeste lagen.

Hier bei ihnen hatten sie es seit zwei Wochen hinter sich. Gott sei Dank. Ihr unmittelbarer Nachbar war Schützenkönig geworden, was für ein Spektakel! Beinahe zwei Tage hatte Ben gebraucht, um sich von dem Kater zu erholen. Und er war ans Haus gefesselt gewesen. Im Gegensatz zu anderen setzte er sich nämlich nicht mit Restalkohol hinters Steuer.

Laura nannte das seine spießigen Buchhaltergene, obwohl er doch Architekt war. Aber sie konnte es nennen, wie sie wollte, er würde in dieser Hinsicht ganz bestimmt nicht von seinen Prinzipien abrücken. Nachher fuhr er noch gegen einen Baum, wie dieser arme Teufel, den sie ein paar Kilometer weiter gerade aus seinem völlig zerstörten Wagen kratzten. Stückchenweise, wie ihm sein Nachbar eben noch betroffen erzählt hatte. Nein, so wollte er nicht enden. Dann lieber spießig bleiben, den Wagen auch mal stehen lassen und gesund alt werden.

Laura räkelte sich wohlig auf ihrem Stuhl und blätterte eine Seite um.

Wie sie das hinbekam, ihn völlig auszublenden, sobald sie in einem ihrer Bücher versank, würde ihm ein Rätsel bleiben. Es war ja nicht so, als läse er nicht. Natürlich las er, im Urlaub sogar manchmal einen Krimi oder so, aber er war dabei allzeit ansprechbar und das war auch gut so. Laura hätte ihm den Kopf gewaschen, wenn er erst – wie sie – auf die dritte oder vierte Ansprache reagiert hätte.

Er griff nach seinem Kaffee. Auf dem Tischchen zwischen Lauras Liegestuhl und seinem lagen zwei Bücher, die seine Frau bereits ausgelesen hatte. Auch so Nackenbeißer.

Einmal, da hatte er sich abends etwas mutiger gefühlt als sonst und auch ziemlich gut gelaunt, weil er einen neuen Kunden gewonnen hatte. Laura stand im Bad, ein Tuch um die Hüften geschlungen. Sie sah so begehrenswert aus! Er zog sich das Hemd über den Kopf und näherte sich ihr mit nacktem Oberkörper von hinten. Als sie ihn im Spiegel erblickte, lächelte er und stülpte sich dann so über ihre Schulter, wie die muskelbepackten Wilden auf den Umschlägen ihrer Lektüre.

„Was ist denn mit dir los?“, lachte sie, als er begann, ihren Hals abzuknutschen.

„Das ist die heiße Leidenschaft, die mich gerade von der Klippe stürzen lässt!“

Sie lachte, als sie sich zu ihm umdrehte und ihn küsste.

Es war dann wirklich auch eine tolle Nacht geworden. Sie liebten sich zweimal. Wunderbar, aber auch ein wenig beängstigend. Laura war im Vergleich zu sonst nämlich richtig zügellos gewesen und er wurde den Verdacht nicht los, dass sie in die Rolle einer ihrer Romanheldinnen geschlüpft war. Die Frage war nur: War er so toll gewesen wie der Held? Fragen konnte er sie schlecht, aber er lag die halbe Nacht grübelnd wach.

Im Grunde konnte es ihm doch wurscht sein. Hauptsache, es lief zwischen ihnen noch. Sie waren beide Ende dreißig, da hörte man schließlich die schlimmsten Sachen.

„Und? Worum gehts in dem Buch?“, fragte er unvermittelt und wusste selbst nicht so genau, welcher Teufel ihn ritt. Wenn Laura eins hasste, dann beim Lesen unterbrochen zu werden.

Erwartungsgemäß reagierte sie nicht. Als wäre sie taub. Sie koppelte beim Lesen alle Sinne von der Außenwelt ab, vor allem ihren Hörsinn.

„Ich werde dich heute Abend noch verlassen und nach Indien auswandern.“

Nichts.

„Als ich das letzte Mal beim Finanzamt war, hat mich die Sachbearbeiterin am Hintern berührt.“

Nichts.

„Wolf ist mit Candrine Cook von Hamburg aus im Zug zurückgefahren und findet sie süß.“

„Was?!“

„Ach, das hast du mitbekommen?“

„Wirklich? Mit Candrine Cook?“ Laura zeigte aufgeregt auf ihr Buch.

Er stand auf, als habe er ihre Frage nicht gehört, und reckte sich nonchalant, dann ging er langsam und gelassen vor sich hin pfeifend Richtung Geräteschuppen.

Hinter ihm raschelte es, als seine Frau hastig aufstand und ihre Lektüre achtlos ablegte.

„Moment! Warte doch mal!“

Du bist nicht die Einzige mit einem Schalter im Kopf, dachte er und ignorierte sie. In aller Ruhe öffnete er die Tür des kleinen Schuppens und holte die schwere Heckenschere hervor. Dann ging er an ihr vorbei, zurück Richtung Haus, und steckte den Stecker in die Außensteckdose. Probeweise ließ er die Maschine anlaufen.

„Hey! Ich rede mit dir!“ Laura riss das Kabel mit einem Ruck aus der Wand.

Jetzt konnte er sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. In aller Ruhe legte er die Schere auf den Boden und stemmte die Hände mit gespielter Empörung in die Hüfte. „Was fällt dir ein, Weib?“

„Du lernst dein Weib gleich kennen!“, maulte sie und zog ihn zurück zu den Stühlen, dann setzte sie sich gemütlich hin und forderte ihn mit einer eindeutigen Geste auf, ebenfalls Platz zu nehmen.

„Er findet sie süß?“

Ben nickte, während er sich setzte. „Ja, da bin ich ziemlich sicher. Er hat die ganze Zeit gelächelt, als wir über sie sprachen.“

„O Gott, wie ist sie denn so?“

„Glücklich verheiratet.“

„Nein!“

„Doch.“

„Mist.“

„Ich schätze, das denkt Wolf auch.“

„Sag ihm, er soll sie mal einladen.“

„Hm“, Ben tat so, als müsse er erst darüber nachdenken, ob das wirklich eine so gute Idee war.

„Wo wohnt sie denn?“

„Keine Ahnung.“ Er versuchte, sich an die Adresse auf der Visitenkarte zu erinnern. „Doch, Moment, irgendwo hier in der Nähe, glaube ich.“

„Was? Candrine Cook wohnt im Sauerland und ich weiß das nicht?!“ Laura war fassungslos. „Ist das eigentlich ihr richtiger Name?“, fragte sie neugierig,

„Nein, das ist ihr Künstlername. Er stand auf der Rückseite der Karte.“

„Du hast Candrine Cooks Visitenkarte in der Hand gehalten?“

„Yep!“ Wie sie ihn ansah! Als handelte es sich bei dem Fetzen bedruckten Karton um eine Reliquie! Es war, als würde ein wenig von dem Glanz dieser Schriftstellerin, an die er Nacht für Nacht seine Frau verlor, plötzlich auf ihn abfärben.

„Wow!“

„Yep!“ Laura musste ja nicht wissen, dass er eigentlich stinksauer auf die Frau war. Für die Bücher, die sie schrieb. Obwohl er noch nie eins davon gelesen hatte.

„Und?“

„Was und?“

„Wie heißt sie?“

„Catrin irgendwas.“

„Catrin irgendwas?“

„Ich kann mich nicht mehr genau erinnern.“

„Kannst du nicht oder willst du nicht?“

„Himmel, Laura! Sie hieß Catrin irgendwas.“

„Wo ein Catrin ist, da ist sicher noch mehr. Bitte!“

„Kannst du sie nicht einfach googeln?“

Laura sprang wortlos auf und eilte ins Haus.

Oh nein, nicht das auch noch! Wenn seine Frau am Rechner saß, dann wurde es meist teuer, weil sie irgendwann auch etwas online bestellte. Er sprang auf und eilte hinter ihr her. Sie hatte sich gerade hingesetzt und wollte den PC hochfahren, da ergriff er ihre Hände.

„Catrin Stechler.“ Das sollte ja wohl reichen.

Laura schüttelte ihn ab. „Super, so finde ich sie leichter.“

„Willst du mir allen Ernstes sagen, dass du seit Jahren die Bücher von ihr liest und dich noch nie dafür interessiert hast, wer dahinter steckt?“

„Naja“, sagte Laura aufgeregt, während das Windows-Kleeblatt über den Monitor flackerte und die Erkennungsmelodie erklang. „Ich hätte nie gedacht, dass sie eine Deutsche sein könnte. Normalerweise kommen doch die ganzen tollen Romane aus Amerika. Was soll ich auf einer englischen Webseite?“

„Jetzt tu nicht so, als könntest du kein Englisch.“

„Was regst du dich denn so auf, Ben? Ich hab mich nie drum gekümmert, aber jetzt kümmere ich mich. Wolf fand sie süß, das ist doch wohl Grund genug, oder? Stell dir vor, wir laden sie mal hierher ein und überraschen Wolf dann damit!“

Ben stöhnte auf. Das war sicher genau das, was sich sein Bruder wünschte: einen Abend mit seiner verheirateten Reisebegleitung … und deren Mann.

Laura klickte sich bereits durchs Internet. „Wow, sie ist bei Facebook, schau mal!“

Er riss die Arme hoch und rief laut: „Ein Skandal! Ruf die Kirchenältesten zusammen! Eine Autorin, die bei Facebook ist!“

„Blödmann!“ Laura vertiefte sich bereits in die Meldungen, die auf der Autorenseite von Candrine Cook erschienen.

Er dagegen starrte auf ihr Foto. Kein Wunder, dass sein Bruder gelächelt hatte. Die Frau war ja bezaubernd!

„Ach du Scheiße!“, murmelte Laura.

„Was ist?“

„Ich glaube, du solltest deinen Bruder anrufen. Sofort!“

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