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Ein Gastarbeiter als Theaterrevolutionär

Livius Andronicus

Name: Livius Andronicus

Lebensdaten: ca. 284 v. Chr.–204 v. Chr. (?)

Tätigkeiten: Theaterautor, Schauspieler in Tragödie und Komödie, Intendant

Besonderheiten: führte in Rom das lateinische Drama nach griechischem Vorbild ein; erster römischer Dichter, dessen Name bekannt ist

Im Gegensatz zu den theaterbegeisterten Griechen hatten die pragmatischen Römer lange ein Problem mit dem neuen Medium Theater. Daher ist es erstaunlich, dass sich die römischen Magistrate im 3. Jh. v. Chr. dazu entschlossen, Ludi im griechischen Stil in Rom abzuhalten – und mit deren Ausrichtung einen Griechen zu beauftragen.

Wer war das?

Der als Livius Andronicus bekannt gewordene Mann, dessen Geburtsname unbekannt ist, kam im süditalienischen Tarent, einer Stadt mit großer Theatertradition, zur Welt und gelangte wohl als Kriegsgefangener nach Rom. Er diente der Familie der Livier als Hauslehrer (wie viele griechischen Sklaven, denn man hatte schnell deren hohe Bildung erkannt). Nach seiner Freilassung war er als Schriftsteller tätig und schrieb unter anderem Lehrbücher für den Griechischunterricht sowie eine recht pathetische lateinische Fassung der Odyssee des Homer – das einzige seiner Werke, von dem mehr als ein paar verstreute Zeilen oder Stücktitel erhalten sind – und damit die erste literarische Übersetzung der Geschichte. Allerdings ist die Odusia keine wortgetreue Übersetzung, denn Andronicus erlaubte sich einige dichterische Freiheiten und passte zudem einige Personen dem römischen Zielpublikum an.

Was hat ihn berühmt gemacht?

Man kann als sicher annehmen, dass Livius Andronicus in seiner Heimatstadt mit dem Theater groß geworden war – so wie alle frühen Theaterleute Roms keine „echten Römer“ waren, sondern süditalienische Griechen. Da für diese, und eben auch für Andronicus, Latein nicht ihre Muttersprache war, war die Vermittlung des neuen Mediums noch weiter erschwert.

Um 240 v. Chr. erhielt Andronicus von den Ädilen (Stadtbeamten) den Auftrag, die Ludi Romani zu Ehren des höchsten Gottes Jupiter zu organisieren, wozu er ein lateinisches Theaterstück nach griechischem Vorbild schrieb und den Bedürfnissen der Römer anpasste. Er selbst spielte wahrscheinlich die Hauptrolle und instruierte die übrigen Schauspieler, die wohl ebenfalls Griechen waren. Dieses Theaterstück gilt nicht nur als Geburtsstunde des römischen Theaters, sondern sogar als die der römischen Literatur als solche. Sowohl Cicero als auch Horaz betrachteten Andronicus bereits als frühesten lateinischen Autor.

In den darauffolgenden Jahren schrieb er weitere lateinische Tragödien und Komödien, die damals nur bei religiösen Festen aufgeführt werden durften. Deren Themen stammten aus dem griechischen Sagenkreis, besonders dem um den Trojanischen Krieg. So verfasste er zur Ehre der Göttin Juno Regina ein Prozessionslied (parthenion). Durch den großen Erfolg seiner Werke war der damalige Status der Schauspieler und Stückeschreiber in Rom sehr hoch, so dass sie sogar die Erlaubnis erhielten, den Minervatempel auf dem Aventin für ihre Versammlungen zu nutzen.

Stückeschreiber als Schauspieler

In Griechenland spielten die Autoren ihre Stücke in der Regel selbst, erst später traten berufsmäßige Schauspieler an ihre Seite. In Rom waren beispielsweise Plautus oder Ambivius Turpio sowohl Autoren als auch Darsteller. Dies scheint ein Charakteristikum für frühe Theaterformen zu sein, in denen es noch keine Spezialisierung der einzelnen Funktionen gab. Dieses Phänomen hielt sich bis in die frühe Neuzeit (Shakespeare, Molière).

Was bleibt?

Die bewusste Hinwendung zur später so hoch geschätzten griechischen Kultur erfolgte entweder mit oder kurz nach der ersten Einführung des Theaters in Rom. War das schon im Sinn der den Auftrag gebenden Magistrate gewesen oder war das römische Volk erst durch diese Neuerung „auf den Geschmack gekommen“? Jedenfalls setzte Andronicus den Standard für die lateinische Literatur der nächsten Jahrzehnte bis zum Erscheinen der ersten „römischen“ Dichtergeneration mit Plautus und Terenz.