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Cytheris

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Name: Volumnia/Cytheris, genannt Lycoris

Lebensdaten: geb. um 70 v. Chr., weiteres Schicksal nach ca. 35 v. Chr. unbekannt

Tätigkeit: Mima

Besonderheit: Geliebte berühmter Männer, Kurtisane

Der römische Dichter Servius (ad Buc. X,6) bezeichnet Cytheris zusammen mit Origo und Arbuscula als „nobiles meretrices tres“, also als „drei noble Huren“ (s. u. zu den beiden anderen Frauen). Wie man weiß, waren alle drei aber Schauspielerinnen, Mimae – bereits damals gehörte der nicht eben schmeichelhafte Vergleich zum allgemeinen Gedankengut, selbst wenn es nicht stimmen sollte. Wir können jedenfalls aus heutiger Sicht kaum noch klären, wie die Tätigkeit dieser berühmten Frau genau aussah.

Wer war das?

Cytheris war die bekannteste republikanische Mimen-Schauspielerin, über die wir am meisten wissen. Ihre „Erfolgsgeschichte“ ist in Details überliefert (während andere, ebenso wichtige Angaben fehlen) – diese ist so außergewöhnlich, dass sie nicht typisch für das Leben einer Schauspielerin dieser Zeit sein kann. Hätte sie nur „einfache“ Männer zu Geliebten gehabt, wüsste das heute keiner mehr – so aber war sie in Rom bis in die Spätantike hinein ein Begriff. Sie wurde um 70 v. Chr. als Sklavin geboren und wohl von Kindesbeinen an in einer Art „Schule“ für ihren Beruf ausgebildet. Wir wissen aus anderen Lebensläufen, dass bereits Mädchen im Alter von 10–12 Jahren auf der Bühne auftraten, was wir somit auch für sie annehmen können. Darauf könnte auch die verniedlichende Form „Mimula“ (das „Mimchen“) hinweisen, die für sie belegt ist. Über ihr Aussehen steht nichts in den Quellen, aber als „Hässliche“ hätte sie keine Chance gehabt und muss daher den damaligen Schönheitsidealen entsprochen haben. Auch als Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin wird ihr großes Können nachgesagt.

Ingenium Galli pulchra Lycoris erat.

„Der Genius des Gallus war die schöne Lycoris.“

Martial (8,73,6)

Ihr Patron war der römische Ritter Publius Volumnius Eutrapelus, der sie zu uns unbekannter Zeit freiließ, aber weiterhin mit ihr zusammenarbeitete. Ob er sozusagen ihr Zuhälter war, ihre „Hetärendienste“ ausnutzte und ihre Liebschaften mit wichtigen Männern der Politik arrangierte, entzieht sich unserer Kenntnis. Sicherlich wird auch er seinen Vorteil dadurch gehabt haben. Jedenfalls konnte Cytheris nur als Freigelassene die Mätresse berühmter Männer werden, die sich einer Sklavin zwar bedient, aber sie nicht offiziell als Geliebte zur Schau gestellt hätten. So konnte sie – allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt – als Geliebte berühmter Männer sozial aufsteigen, aber zum Beispiel trotz allem keinen Senator heiraten.

Der spaßige Ritter

Publius Volumnius Eutrapelus war einer der umtriebigsten Männer der republikanischen Zeit, der es zwar nie „ganz nach oben“ schaffte, aber doch ausgiebig Strippen zog und Menschen manipulierte. Sein griechischer Name bedeutet wörtlich „der Spaßige“, aber auch „der Urbane“. Er war ein reicher Ritter, der möglicherweise eine Art „Künstleragentur“ betrieb, an der seine Sklaven und Freigelassenen tätig waren. Römischen Rittern war zwar das aktive Auftreten auf der Bühne verboten (s. u. Laberius), sie waren aber dennoch im Schauspielbetrieb gut vertreten. Aus diesem Grund waren die Ritter auch das bevorzugte Publikum der Schauspieler, die die grobe Art des Volkes nicht sehr schätzten und von der Senatorenschicht meist abgelehnt wurden.

Eutrapelus jedenfalls stand „auf der richtigen Seite“, also auf der Caesars, was ihm – und damit auch Cytheris – einige Vorteile verschaffte. Er war ein guter Menschenkenner, korrupt und immer bereit, seinen eigenen Vorteil zu ergreifen (Horaz, Episteln, 1. 18. 31). Er hielt sich alle Seiten offen und paktierte notfalls auch mit der Opposition, diente ansonsten dem Antonius als Waffenmeister. Sogar Cicero musste mit ihm verkehren, auch wenn er nach Caesars Tod heftig gegen ihn und seine Freigelassenen Sergius und Lycoris polemisierte. Man schmähte ihn als „Verderber der Jugend“, die dem von ihm angebotenen Luxus nicht widerstehen konnte. Mit anderen Worten: Eutrapelus war der rechte Mann zur rechten Zeit!

Eutrapelus scheint eine Art Künstlerschule unterhalten zu haben, denn künstlerisch ausgebildete Sklaven waren ein Vielfaches von dem Preis ungeschulter Sklaven wert. Darüber hinaus mussten die Freigelassenen ihrem Patron alle Arten von Diensten erbringen, etwa in Philippi gegen die Caesarmörder kämpfen. Neben Cytheris gibt es noch weitere, die aus der „Mimen-Schule“ (palaistra, gymnasium) des Eutrapelus stammten und sich „hocharbeiteten“: Da wäre in erster Linie Sergius zu nennen, der im Gefolge des Marc Anton hohen Einfluss hatte und sozusagen sein Öffentlichkeitsberater war. Viele erhielten zum Dank große Landzuteilungen in Kampanien, was selbst für römische Verhältnisse skandalös war, weshalb wir so gut darüber Bescheid wissen.

In älteren Publikationen ist immer die Rede davon, dass Cytheris eine „unabhängige Frau“ gewesen sei (so bei S. Pomeroy) – das war sie sicher nicht, selbst wenn sie gegenüber ihrem Patron Eutrapelus nicht mehr weisungsgebunden gewesen wäre. Ebenso wenig ist sie direkt vergleichbar mit bekannten Kurtisanen des 19. Jhs. Unstrittig ist jedoch, dass sich Cytheris in der „besseren Gesellschaft“ Roms bewegte: Sowohl mit dem Caesarmörder Brutus als auch mit Marc Anton unterhielt sie stürmische Affären, letzterer bezeichnete sie gar als mima-uxor, als seine Mimen-Gattin, was einen Affront gegenüber seiner rechtmäßigen Ehefrau darstellte. Auch die Schriftsteller schrieben über Cytheris, z. B. Vergil (Buc. X, 43 ff.) und Ovid (Amores I, 15, 39 ff.).

Cornelius Gallus – Politiker und Dichter

Der römische Dichter Cornelius Gallus widmete Cytheris um 40 v. Chr. vier Elegien, die bis auf Fragmente nicht mehr erhalten sind. 1978 entdeckte man in Primis/Qasr Ibrim in Ägypten einen Papyrusfund, der einen Teil eines der Gedichte, in denen Lycoris erwähnt wird, überliefert. Interessanterweise ist er als Dichter nur noch durch seine Beziehung zu Cytheris bekannt und nicht etwa umgekehrt. In den Gedichten pries Gallus sie in poetischem Stil als seine Muse, allerdings indem er alle bekannten literarischen Topoi verwendete, die nicht für bare Münze genommen werden dürfen. So erscheint Cytheris einmal als leidenschaftliche Geliebte, einmal als grausame Domina, was man nicht als tatsächliches Verhalten der Hetäre missverstehen darf. Dass Gallus aber sehr unter der Trennung von seiner Muse litt, ist wohl kein Topos.

Auch Gallus wurde um 70 v. Chr. geboren und trat zum ersten Mal als Gefolgsmann der Politiker Asinius Pollio und Caesar auf. Er lernte früh den Dichter Vergil kennen, mit dem er so eng befreundet war, dass man von einem gewissen literarischen Einfluss ausgehen darf. Gallus gilt als Begründer der augusteischen Liebeselegie, wobei diejenigen auf Lycoris/Cytheris zu seinen bekanntesten Werken zählen, die unter anderem auch für Ovid vorbildhaft wurden.

Später war er Anhänger und enger Vertrauter des Octavian/Augustus und kommandierte dessen Truppen im Kampf gegen Marc Anton. Im Jahre 30 v. Chr. wurde er zum Statthalter von Ägypten ernannt, 27/26 v. Chr. aber aus unbekannten Gründen wieder abgesetzt. Es folgten der Bruch mit Augustus, ja sogar eine formelle Aufkündigung der Freundschaft, zahlreiche Anklagen und schließlich ein erzwungener Selbstmord.

Wenn von Lycoris/Cytheris die Rede ist, kommt es immer wieder zur Namensverwirrung, so dass es sich empfiehlt, dies genauer aufzulösen. Ihr wahrer Name war wohl Volumnia, Cytheris dürfte dagegen ihr Künstler- oder Bühnenname gewesen sein, der nicht zwingend, aber möglicherweise auf eine griechische Herkunft weist. Cytheris stellt eine Anspielung auf die Liebesgöttin Aphrodite dar, was zu einer Mimin gut passt. Da in der späten Republik in Rom alles Griechische „en vogue“ war, ist anzunehmen, dass eine Schauspielerin mit griechischem Namen auch in dieser Sprache vortragen konnte, selbst wenn es nicht ihre Muttersprache war. Lycoris wiederum ist eine Anspielung auf den Gott Apoll, aber auch auf das griechische Wort für „Wolf “, Lykos, mitsamt seinen erotischen Konnotationen. (Messalina etwa nannte sich bei ihren Eskapaden Lycisca, Wolfswelpe.) Unter diesem Namen ist sie in den Dichtungen des Gallus verewigt, etwa so, wie aus der Adeligen Clodia bei Catull die kühle Lesbia wird.

Sowohl Cytheris als auch Lycoris sind öfters wiederkehrende Namen von Sklavinnen und Freigelassenen, die aber nicht notwendigerweise Schauspielerinnen oder Hetären gewesen sein müssen – manches Sklavenmädchen wird auch zu Ehren der bekannten Lycoris der republikanischen Zeit so benannt worden sein. Wir wissen nicht, wie ihr weiteres Schicksal aussah, ob sie bis ins hohe Alter Theater spielte und beispielsweise Archimima wurde oder aber vorher verstarb – sobald sie sich von den berühmten Geliebten trennen musste, verschwindet sie aus den Quellen.

Der Mimus ist die Mimesis des Lebens

Das Wort „Mimus“ bedeutet wörtlich „Nachahmer, Nachäffer“. Es handelt sich um burleske Stücke mit Tanz- und Gesangseinlagen, bei denen die Schauspieler im Gegensatz zu allen anderen Sparten nicht maskiert waren, was ein höheres schauspielerisches (sowie sängerisches und tänzerisches) Können als das maskierte Spiel erforderte. Neben diesen Auftritten ohne Maske ist noch eine weitere große Revolution beim Mimus zu beobachten: Frauenrollen wurden auch von Frauen gespielt. Das Fehlen der Maske wurde automatisch als ein Fehlen von Würde und Distanz interpretiert, was auch bedeutete, dass „mann“ sich an unmaskierte Frauen eher herantraute als an maskierte Männer in Frauenrollen.

Die Theaterform des Mimus ist typisch römisch und ausgeprägt städtisch, sie brauchte das Umfeld der Großstadt, die dort vorhandenen Einflüsse von überall her, das mondäne Leben der Halbwelt. Auf der Bühne traten normalerweise vier bis sieben Schauspieler auf, die vom 1. Schauspieler, dem Archimimus – oder der Archimima –, angeführt wurden. Diese ersten Schauspieler verlangten von ihren untergebenen Kollegen strikte Unterordnung: Nach einer Aussage von Cicero musste mancher Schauspieler bewusst schlechter spielen, selbst wenn er besser war als der Hauptakteur! Kein Wunder, dass dies oft Zank und Unmut innerhalb der Truppe hervorrief, wie etwa Fluchtäfelchen beweisen (s. u. Asedis/Dido).

Der Mimus löste im 1. Jh. v. Chr. die Atellane als Nachspiel der Tragödie ab und nahm in der Kaiserzeit massiven Aufschwung. Es entwickelte sich eine regelrechte und bewusste „Gegenkultur“ zu den „gehobeneren“ Theaterformen Drama (Tragödie + Komödie) und Pantomimus, und als es den Mimenschauspielern nicht gestattet wurde, in die Gilde der Dionysoskünstler einzutreten, gründeten sie einfach ihre eigene Gilde, die sie ironisch die „Parasiten des Apollon“ nannten. Ziel des Mimus war eine möglichst genaue Imitation des Alltags bis hin zu Tierstimmenimitationen bzw. dem Einsatz lebender Tiere auf der Bühne. Sogar Elefanten sollen im Rahmen von Mimus und/oder Atellane auf der Bühne zu sehen gewesen sein!

Der Mimus kannte wie auch die klassische Komödie Rollentypen: den Dümmling, den gehörnten Ehemann, die zu rettende Unschuld, den jungen Liebhaber, den schlauen bis verschlagenen Diener usw. Die Körperbewegungen und Gesten waren freizügig und allein schon deshalb gewagt, da die Römer das übertriebene Gestikulieren nicht schätzten und sofort kritisierten (s. o. Roscius/Hortensius). Als „Bühne“ dienten öffentliche Plätze, auf denen häufig der besseren Sichtbarkeit wegen Holzplattformen errichtet worden waren.

Was hat sie berühmt gemacht?

Cytheris ist nicht unbedingt durch ihre Kunst bekannt geworden, sondern vielmehr durch ihre Verehrer Marcus Brutus und Marcus Antonius sowie den Schriftsteller Cornelius Gallus. Sie war deren Mätresse, stellte sich auf Banketten mit ihnen öffentlich zur Schau und reiste mit ihnen durchs Land. Angeblich hat Marc Anton „Volumnia“ in der Öffentlichkeit nicht als Geliebte, sondern als seine Gattin vorgestellt, die sie jedoch nicht war. So ist etwa der berühmte Zug durch Italien bekannt, als er sie auf einer Dienstreise unter Liktorenbegleitung in einer Sänfte an der Spitze des Zuges mitführte, während seine Mutter sich ganz am Schluss einreihen musste. Zudem ließ er sie als „Volumnia“ ansprechen, bezeugte ihr also mehr Ehre, als ihr eigentlich zukam, nämlich die einer ehrbaren Matrone. Folge war, dass Antonius sogar als „Cytherius“ verspottet wurde, als „Freund der Cytheris“, was ihm sogar nach der Trennung von ihr noch als Schimpfname blieb.

„Du kamst an den Golf von Brundisium, eingeschlossen in die Arme deiner hübschen Schauspielerin.“

Cicero nutzt Cytheris, um Marc Anton schlecht zu machen

(Phil. 2. 25. 61).

Trotz alledem konnte Cytheris nie damit rechnen, durch eine Heirat in die allerhöchsten Kreise aufzusteigen, denn das war ihr als Freigelassene und Mima verwehrt – und es muss ihr auch bewusst gewesen sein. Trotzdem wendeten sich manche mit der Bitte um Hilfe oder Vermittlung an sie (so Ciceros Gattin Terentia?) – denn sie hatte durch ihre Liebschaften durchaus großen Einfluss.

Lycoris war für mehrere Jahre Marc Antons „Frau“, obwohl er eigentlich mit Fulvia verheiratet war. Nachdem die Kritik an seinem Verhalten zunahm und sich nicht nur Moralisten wie Cicero, sondern auch seine eigenen Soldaten gegen ihn stellten, verstieß er Cytheris im Jahre 47 (Cicero spricht tatsächlich von „Scheidung“) und kehrte reumütig zu seiner rechtmäßigen Gattin zurück. Selbst die gute Beziehung zu Caesar hatte auf dem Spiel gestanden, und diesen konnte Antonius keinesfalls brüskieren. Dabei war das Problem nicht sein Verhältnis zu einer Schauspielerin, sondern dass er sie nicht wie eine solche behandelte und behandeln ließ. Eine Mima als Mätresse war normal, aber diese Mima wie eine ehrbare Ehefrau zu halten, war es nicht. Antonius gab jedenfalls dem Druck von oben nach und beendete die Beziehung, egal wie sehr er in Cytheris verliebt war.

Volumnia Cytheris aber suchte sich einen neuen Mann, der sie aushalten konnte. Dieser war höchstwahrscheinlich Offizier in den Nordwestprovinzen, ein Mann aus dem Gefolge des Marc Anton – hatte der sie an seinen Untergebenen oder gar seinen Bruder Lucius „abgetreten“? Einige Hinweise lassen darauf schließen, dass dieser sie mit nach Germanien nahm, denn Gallus beschreibt, wie sie „durch den Schnee“ an den Rhein reiste. Leider ist unklar, welcher Feldzug genau gemeint ist, aber interessanterweise hatte der sicher hohe Offizier die Möglichkeit, weibliche Begleitung mitzunehmen, was eigentlich nur in Friedenszeiten denkbar war. Darüber hinaus ist nichts mehr über sie bekannt – sobald sie Rom und seine Politiker verlassen hatte, berichtete niemand mehr über sie.

Was bleibt?

Für eine Schauspielerin der republikanischen Zeit hat es Cytheris zu einem vergleichsweise hohen literarischen Ruhm gebracht, wenn auch nicht durch ihre Kunst. Sie war nicht mehr als eine hübsche Marionette im politischen Wechselspiel ihrer Zeit.

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