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Q. Roscius Gallus

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Name: Q. Roscius Gallus

Lebensdaten: zw. 134 u. 125–63/62 v. Chr.

Tätigkeit: Schauspieler

Besonderheit: galt in fast allen späteren Epochen als Inbegriff des „besten aller Schauspieler“

Spricht man von römischen Schauspielern, so ist Roscius der Name, der am ehesten genannt wird. Nach einer langen erfolgreichen Karriere in Rom ist er noch heute so populär, wie er es sich zu seinen Lebzeiten sicher nie hätte träumen lassen.

Wer war das?

Roscius stammte aus Lanuvium, einem kleinen Ort in der Nähe von Rom, der Spöttern zufolge außer ihm nur noch einen gängigen Typus von Weinschläuchen hervorgebracht hatte. Sein Cognomen Gallus könnte bedeuten, dass seine Vorfahren als Sklaven aus Gallien nach Italien verschleppt worden waren. Roscius selbst war jedoch schon freigeboren oder zumindest freigelassen, was ihn zu einem der wenigen freien Römer macht, die uns als Schauspieler überliefert sind. Zugleich muss er als erster „Superstar“ des römischen Theaters gelten. Aus diesen Gründen kann Roscius nicht als typisch für den Stand der spätrepublikanischkaiserzeitlichen Schauspieler gelten, denn seine Biografie unterscheidet sich in zu vielen Punkten vom „Normalen“. Die Masse der Schauspieler gehörte dem Sklavenstand an und war meist östlicher Herkunft, musste tun, was der Truppenbesitzer ihm (oder ihr) auftrug und war in seinem Rollenrepertoire stark eingeschränkt – all dies war beim wohl freigeborenen Italiker Roscius nicht der Fall.

Roscius kam bereits als junger, gut aussehender Mann nach Rom, wo er seine ganze Karriere verbringen sollte. Er lernte Q. Lutatius Catulus den Jüngeren kennen und wurde dessen Freund (manche sagen: Geliebter, vgl. Cic. Nat. D. I.79), dieser bewunderte ihn und schrieb über ihn erotische Epigramme. Im berühmtesten davon vergleicht er den jungen Musensohn mit Aurora, der Göttin der Morgenröte, und äußert sich erstaunt darüber, dass ein Sterblicher schöner sein kann als eine Gottheit, wenn er sich wie eine zweite Sonne im Osten erhebt. Der Witz bei diesem Gedicht lag in dem Wortspiel mit dem Namen Roscius, der an „roscidus, mit Tau bedeckt“ erinnert. Eine solche Beziehung „à la façon grecque“ wäre für einen Römer von Stand entehrend gewesen, da normalerweise Sklavenjünglinge die Objekte adeliger Begierden waren. (Man erinnere sich an den Sturm im Blätterwald, den das Gerücht auslöste, der große Caesar sei in jungen Jahren Nikomedes IV., dem König von Bithynien, in mehr als in einer Hinsicht zu Diensten gewesen). Im Falle des Roscius war die Situation wohl ähnlich, obwohl er als Bürger und Schauspieler quasi zwischen den Schichten stand. Schauspieler galten jedenfalls nicht nur damals als „ewige verführerische Jünglinge (pueri delicati)“.

Hört oder liest man die Lobpreisungen aus der Feder des Catulus, so kann man sich nur schwer vorstellen, dass Roscius geschielt haben soll! Selbst sein Freund Cicero behauptete nämlich, der Schauspieler habe nur deswegen das Tragen von Masken im römischen Theater eingeführt, um diesen Makel zu verbergen. Offenbar ist es richtig, dass den Römern zunächst die Theatermasken unbekannt waren und diese erst später (um 100 v. Chr.?) eingeführt wurden. Ob dies aber auf Roscius persönlich – und diesen speziellen Grund – zurückzuführen ist, kann nicht sicher entschieden werden. Eine andere Meinung führt den sozialen Aufstieg als Grund an – wollte Roscius, als er Ritter geworden war, auf der Bühne sein Gesicht nicht mehr zeigen?

Was hat ihn berühmt gemacht?

Roscius spielte vor allem Komödien, trat aber auch in Tragödien auf bzw. rezitierte tragische Reden, denn in republikanischer Zeit wurden keine kompletten Tragödien mehr aufgeführt. Diese Vielfältigkeit ist einerseits ungewöhnlich, denn normalerweise waren antike Schauspieler auf ein Genre festgelegt, andererseits sind Komödie und Tragödie diejenigen Gattungen, die erstens einen festgeschriebenen Text besaßen und zweitens ein festgelegtes, genau eingeübtes Gestenrepertoire. Im Gegensatz dazu waren Mimus und Atellane freiere Theaterformen, die stärker auf Improvisationen setzten. Roscius jedenfalls war bekannt für seine Aussprache und Betonung sowie für sein ansprechendes Äußeres und seine männliche Gestalt. Seine Eleganz und große Körperbeherrschung wurde allgemein gerühmt. Angeblich übte er jede auf der Bühne verwendete Geste haarklein zu Hause ein – auf jeden Fall war er berühmt für seine harte Arbeit an seinen Rollen.

Roscius war befreundet mit dem Staatsmann Sulla, dessen Absetzung er erstaunlicherweise überlebte und von dem er um 80 v. Chr. durch Verleihung des goldenen Ritterringes zum Ritter erhoben wurde. Er durfte aus diesem Grund in der Folgezeit für seine Auftritte keine Gagen mehr nehmen – ein „Luxus“, den er sich leisten konnte, weil er mit seiner Kunst schon genügend verdient hatte. Zudem verlegte er sich in späteren Jahren immer mehr aufs Unterrichten, was ihm fast so viel Geld einbrachte wie zuvor die Schauspielerei (man denke an die 100.000 Sesterzen, die der Schauspielschüler Panurgus zur Zeit seines vorzeitigen Todes wert gewesen war und um die sich Roscius mit seinem ehemaligen Kompagnon Fannius vor Gericht stritt). Ein von ihm verfasstes Handbuch der Schauspiel- und Redekunst ist leider nicht erhalten geblieben (vgl. Macr. 3.14.2), war aber möglicherweise das Vorbild für Quintilian, einen berühmten Rhetoriklehrer des 1. Jhs. n. Chr., der diesem Aspekt ein ganzes Buch seiner Redekunst (Institutio oratoria) widmete und dabei bemerkte, dass sich beide Künste in spätrepublikanischer Zeit angenähert hätten – wovon er keinesfalls erbaut war.

Bühnenreife Verteidigung – Fannius vs. Roscius

Im Jahre 66 v. Chr. wurde Roscius von einem C. Fannius Chaerea wegen Betrugs verklagt, da er ihm angeblich 50.000 Sesterzen schuldete. Cicero verteidigte den Freund, und wie er dies aufbaute, ist ein Schaustück sondergleichen. Es ging um den ehemaligen Sklaven des Fannius, Panurgus, der von Roscius zum Schauspieler ausgebildet werden sollte und dessen Wert ursprünglich 1000 Sesterzen betragen hatte. Dabei ist wichtig, dass dessen Name Panurgus bereits ein Künstlername sein dürfte, denn er bedeutet „Schurke“. Nach Beendigung der Ausbildung sollte Panurgus 100.000 Sesterzen wert sein, die die beiden (Fannius und Roscius) sich teilen wollten, doch so weit kam es nicht: Panurgus wurde ermordet, bevor er sich für beide „auszahlen“ konnte. Roscius erhielt vom Mörder eine Entschädigung in Form eines Landgutes, von dem Fannius 15 Jahre später (!) seinen Anteil, eben jene 50.000 Sesterzen, einforderte. All die Jahre zuvor, als Roscius mit dem Gut nur Arbeit hatte, war Fannius das nicht eingefallen, doch jetzt, da es erste Erträge abwarf, kam es ihm wieder in den Sinn.

Bei seiner Verteidigung wandte Cicero einen genialen Trick an: Er übertrug die schlechten Eigenschaften von Roscius’ Paraderolle, dem Zuhälter Ballio in Plautus’ Pseudolus, auf den Prozessgegner Fannius und schilderte, wie der große Komöde sich bei seiner Darstellung immer Fannius vor Augen geführt und sich so Eigenschaften verinnerlicht hätte, die seiner eigentlichen Persönlichkeit komplett widersprachen – nicht Roscius, sondern Fannius sei der Bösewicht und daher zu verurteilen. Dies war ein juristischer „coup de théâtre“ voller verbaler Anspielungen auf das Theater, der noch unterstützt wurde durch Chaereas Aussehen, das genau dem eines typischen römischen Zuhälters entsprach!

Ein weiterer Freund des Roscius war sein Schauspielkollege Aesopus, obwohl – oder vielleicht gerade weil – beide einen völlig unterschiedlichen Schauspielstil hatten. Roscius sah seine Kunst als perfektioniertes Handwerk (techné), während sein Freund Aesopus sich vom eigenen inneren Gefühl leiten ließ. Nach Aussage des Cicero war Roscius im Leben ebenso beherrscht und perfekt wie auf der Bühne. Aesopus dagegen schlug manchmal über die Stränge – nicht nur auf der Bühne.

Dritter im Bunde der Freunde des Roscius war Cicero, die beiden lieferten sich spielerische Wettkämpfe darin, wer einen Sachverhalt besser dem Publikum vermitteln konnte, wobei ersterer durch wohlgesetzte Worte überzeugte, letzterer aber durch seine Darstellungskunst. Es spricht viel für das große Können des Roscius, wenn Cicero überliefert, er habe bei ihm Redeunterricht genommen. Roscius wiederum studierte die Gesten und Redeweisen der bedeutendsten Juristen und Gerichtsredner Roms, vor allem die des Hortensius, der bekanntermaßen einen sehr „schauspielerhaften“ Stil hatte.

Unrömisch? Aber mit Stil!

Cicero schrieb einmal, dass ein hervorragender Redner die Stimme eines Tragöden und die Sprechweise des besten Bühnenkünstlers haben müsse, ohne in dessen Mimik und übersteigerte Körpersprache zu verfallen – denn wie ein Schauspieler, also wie ein in der Gesellschaft verachteter Mann niederen Standes zu wirken, war die größte Angst eines jeden römischen Rhetors. Dahinter stand vor allem die Befürchtung, als „weibisch“, also als „unmännlich“ und „unrömisch“, zu gelten.

Genau in dieses Schema passte der Redner Quintus Hortensius Hortalus, der vor dem Auftreten Ciceros der Größte seiner Zunft im 1. Jh. v. Chr. war. Er trat sehr elegant, gestenreich und ausdrucksstark auf und galt als etwas affektiert in seinem Gehabe, etwa durch das gekünstelte Arrangieren seiner kostbaren Tunika während der pathetisch-überladenen Rede. Cicero lobte ihn einerseits als technisch besten Redner mit hervorragendem Wortschatz, der immer in der Lage sei, sich eloquent auszudrücken, fügte andererseits aber rügend hinzu, dass „seine Bewegung und seine Gesten kunstvoller [waren], als von einem Redner gefordert ist“ (Brutus 302–3). Auch Hortensius’ Redestil selbst, den sog. Asianismus, bezeichnete er als „unrömisch“, denn ein guter Redner hätte sich des attischen, klassischen, sachlichen Redestils zu bedienen, um ernst genommen zu werden.

Dass er durchaus selbstbewusst mit einer solchen Kritik umgehen konnte, bewies Hortensius im Jahr 62, als Lucius Torquatus ihn bei einer Verhandlung rüde mitten im Satz unterbrach und ihn mit einer Schauspielerin namens Dionysia verglich (Aulus Gellius Noct. AH. I.5), die damals eine sehr bekannte Mima und Tänzerin war. Dieser Vergleich war umso schlimmer, als er Hortensius als Mann mit einer Frau verglich und nicht mit einem beliebigen männlichen Schauspieler. Hortensius’ Antwort darauf jedoch hatte Klasse. Er bemerkte mit sanfter, leiser Stimme und selbstverständlich auf Griechisch: „Ich wäre sicherlich lieber Dionysia, als was du bist, Torquatus, unkultiviert [wörtlich: von den Musen verlassen], ohne Charme [ohne Aphrodite] – ein Mann, der von Dionysos nicht geliebt wird!“ Ob Torquatus das überhaupt verstehen konnte? Das übrige Auditorium jedenfalls tobte vor Begeisterung. Hortensius gab sich mit seiner Antwort keineswegs als viriler Mann, sondern unterstrich seinen androgynen Charakter. Er verwandelte sich praktisch in diesem Moment tatsächlich in Dionysia, und der Vorwurf fiel auf Torquatus zurück. Kein Wunder, dass er das große Vorbild sowohl aller Redner als auch aller Schauspieler seiner Zeit war!

Allerdings durfte ein „idealer Redner“ sehr wohl schauspielern – etwa sich nach einem anstrengenden Plädoyer erschöpft geben, selbst wenn er es überhaupt nicht war (indem er beispielsweise absichtlich-unabsichtlich seine Toga von der Schulter gleiten ließ), denn das war er seinem Klienten schuldig, der daran erkennen konnte, dass sich sein Anwalt „bis zum Letzten“ für ihn eingesetzt hatte. Spätestens in spätrepublikanischer Zeit hatten sich beide Professionen so weit angenähert, dass sie sich beeinflussten, wie schon Cicero und Roscius erkannten, so dass sie beschlossen, voneinander zu lernen.

Wie ist das alles überliefert worden?

Roscius blieb wie kein anderer antiker Schauspieler im Bewusstsein seiner Zeitgenossen und Nachgeborenen haften. Auch in der Spätantike war er daher noch ein Begriff: Augustin kannte ihn aus den Schriften des Cicero, er wusste von seinem gesellschaftlichen Ansehen und von seinen schauspielerischen Fähigkeiten. Außerdem zählte er mehrere Rollen auf, die Roscius gespielt hatte oder hätte spielen können (Aug. sol. II 10, 18: Hekabe, Priamos, Hektor, Andromache, Herkules). Ob sich dies mit dem tatsächlichen Repertoire des Roscius in etwa deckte, wissen wir nicht, denn erstaunlicherweise gibt es in früheren Quellen so gut wie nie Hinweise darauf, welche Rollen er tatsächlich verkörperte (abgesehen vom Zuhälter Ballio, s. o.). Heute werden berühmte Schauspieler wie selbstverständlich in einem Atemzug mit ihren wichtigsten Rollen genannt – das war offenbar in der Römerzeit nicht üblich, denn nicht nur im Falle des Roscius haben wir kaum Hinweise. Anscheinend waren damals ein Schauspieler und seine Rollen so allgemein bekannt, dass eine Nennung für überflüssig gehalten wurde.

Was bleibt?

Meministi Roscium? „Erinnerst du dich an Roscius?“ So fragten schon die Römer nachfolgender Generationen, wenn sie über diesen großen Mann sprachen. Immer wieder vergab man ihm zu Ehren den Namen Roscius und das nicht nur an vielversprechende Schauspielschüler. Ob allerdings Roscia, die Tochter des Sidonius Apollinaris, ebenfalls nach ihm benannt ist, bleibt unklar (Epist. 5.16.5). Besonderen Nachruhm erlebte Roscius ab der Renaissance, während der er als Vorbild der dramatischen Schauspielkunst galt. Viele der Akteure, die uns gegen Ende dieses und im nächsten Band der „Berühmten Schauspieler“ begegnen werden, wurden von ihren Zeitgenossen als „der Roscius seiner Epoche“ bezeichnet: so Richard Tarlton, Edward Alleyn und Richard Burbage für die Shakespeare-Zeit oder der afro-amerikanische Schauspieler Ira Aldridge (1807–1867, einer der besten Shakespeare-Schauspieler seiner Zeit), der als „afrikanischer Roscius“ galt (vgl. Bd. 2).

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