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2.4.2 Befunde der Unterrichtsforschung

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Die generell positive Wirkung von KL in unterschiedlichen Domänen wird auch durch weitere Untersuchungen gestützt. So konstatiert Shachar (2003, 103):

Research on co-operative learning conducted during the past three decades in several countries has consistently documented the positive effects of co-operative learning and its contribution to the improvement of students’ skills […].

Dennoch steht seit den 1990er Jahren die Frage im Raum, inwieweit KL leistungsschwächere Schüler*innen stärker fördere als leistungsstarke, oder ob es leistungsstarke Schüler*innen sogar benachteilige (vgl. z. B. Li/Adamson 1992). Auf der Basis von acht Studien, die alle über mehrere Monate in kontrolliertem Experimentaldesign mit Lehrerschulung und begleitender Unterrichtsbeobachtung durchgeführt wurden, kommt Shachar (2003) zu dem Ergebnis, dass leistungsschwache Schüler*innen (low achievers) durch KL die größten Zugewinne beim fachlichen Lernen und bei der Identifikation mit der Schule erreichen: Während leistungsschwache Schüler*innen in KL gegenüber frontal-instruktiver Lehrerzentrierung signifikante Zugewinne in Leistungstests in sieben Bereichen in einer Gesamthöhe von 9,3 Prozent erzielten, seien es bei Schüler*innen mittlerer Leistungsstärke vier Bereiche und insgesamt 7,5 Prozent und bei Leistungsstarken zwei Bereiche und insgesamt 1 Prozent (ebd., 109, 112). Mit gleicher Tendenz verteilten sich die Ergebnisse bei Fragen zur Schulidentifikation. Leistungsschwache Schüler*innen erzielten in KL gegenüber frontal-instruktiver Lehrerzentrierung hohe Zugewinne, während Leistungsstarke sogar Verluste zeigten.

Während dies bisweilen (z. B. Li/Adamson 1992) als Schwäche von KL interpretiert wurde, sieht Shachar darin eher einen Verweis auf die Schwäche des Schulsystems. Solange schulische Leistung einseitig akademisch definiert werde und das Sprachspiel des Frontalunterrichts dominiere, wären jene Schüler*innen im Vorteil, die konkurrenzorientiert und dominant diese Sozialform beherrschen. Es sei daher kein Wunder, dass diese Schüler*innen frontal-instruktive Lehrerzentrierung präferierten. Anschließend an eine typische Schüleräußerung konstatiert Shachar:

‚If we were studying only for intellectual challenge, this would be a good method. But we are studying for the exams, so it’s not appropriate.‘ In other words, the traditional WC [whole class instruction, AB] method successfully eradicates students’ intellectual gratification and interest and turns school studies into a mechanical process aimed exclusively at a specific target (Shachar 2003, 115).

Ironischerweise zeigen die Befunde von Shachar, dass gerade KL dazu führt, dass die Schüler*innen ihre schulische Situation reflektieren. Erst damit kommen sie somit zu einer Art von Lernerautonomie, die sie zu sozialer Partizipation befähigt (Benson 2001; Bonnet/Bracker 2018). Shachar zieht daher aus ihrem Literaturüberblick das Fazit, dass frontal-instruktive Lehrerzentrierung allen Schüler*innen schade. Den Leistungsschwachen, weil sie fachlich zurückbleiben und ein negatives Selbstkonzept entwickeln. Den Leistungsstarken, weil ihr Wertespektrum begrenzt bleibe auf „a narrow individualism and competition for high grades“ (Shachar 2003, 116f.), anstatt ihre in den Gruppen gezeigten Fähigkeiten der solidarischen Hilfestellung, der Gruppenorganisation und ggf. -leitung und der Konfliktschlichtung zu würdigen und auch durch Noten zu belohnen.

Diese Interpretation wird durch die Ergebnisse von Buchs/Butera (2015) bestätigt. Auf der Basis einer umfassenden Sichtung der Literatur und den von ihnen selbst durchgeführten Studien stellen sie signifikante Unterschiede in der Kooperativität der Gruppenarbeiten und nachfolgend in der Erreichung von dem KL zugeschriebenen positiven Effekten fest. Das Kernproblem sei, dass bedingt durch eine einseitig auf soziale Leistungsnormen fokussierte schulische Sozialisation auch im KL eine Orientierung auf sozialen Vergleich durchschlagen könne, die das Selbstkonzept insbesondere schwächerer Schüler*innen gefährde:

When students endorse mastery goals, they may perceive other students as relevant sources of information, offering means for progressing and improving their competence. They are likely to perceive strong interdependence with others. Thus, mastery goals can foster student involvement in exchange of information and cooperation. In contrast, students focused on performance goals may perceive other students as potential competitors. As they need to outperform others to affirm their own competence, they are likely to perceive negative interdependence and reduce their willingness to cooperate. This may decrease the benefit of social interactions for learning outcomes (ebd., 207).

Wolle man ernsthaft Effekte von KL bestimmen, genüge es daher nicht, KL formal über Sozialformen zu definieren, sondern man müsse die realisierte Leistungsnorm und besser noch die in den Gruppenprozessen tatsächlich zustande kommende Kooperativität empirisch bestimmen. Empirisch kommen sie außerdem zu dem Befund, dass eine derartige Orientierung besser durch Zuweisung unterschiedlichen Materials als durch Bearbeitung identischen Materials durch die Lernenden zu erreichen sei (ebd., 205). Zusätzlich zu individueller Leistungsstärke und realisierter Zielstruktur wird schließlich die individuelle Ungewissheitstoleranz als für den Ertrag aber auch die Angemessenheit von KL in einem gegebenen Kontext diskutiert. Auf der Basis von vier umfassenden Studien in Deutschland, dem Iran und Kanada folgern Huber et al. (1992, 20), dass KL v. a. für Lernende mit ausgeprägter Ungewissheitsorientierung förderlich sei und dass eher auf Gewissheit orientierte Lernende auf KL und andere Inszenierungsformen mit erhöhter Ungewissheit besonders vorbereitet werden müssten.

Auf dieser Basis kommt man zu dem Ergebnis, dass KL sowohl im kognitiven Bereich als auch in Hinblick auf emotionale und soziale Aspekte bessere Wirkungen erzielt als individualisierte oder auf Konkurrenz angelegte frontal-instruktiv lehrerzentrierte Inszenierungsformen. Dabei hat sich ebenfalls empirisch gezeigt, dass nicht Gruppenarbeit an sich, sondern das Zustandekommen kooperativer Interaktion in einer auf Können fokussierten Zielstruktur für positive Effekte verantwortlich zu sein scheint. Damit sind zentrale empirische Befunde zu KL referiert. Allerdings haben bis hierher Fremdspracherwerb, geschweige denn Fremdsprachenunterricht, noch keine Rolle gespielt. Was ist dazu zu sagen?

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