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2.4.3 Befunde der Fremdsprachenforschung

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Aus der Perspektive der Fremdsprachenforschung werden die allgemeinen Wirkungen von KL auf die Lernenden nicht in Zweifel gezogen (vgl. z. B. Oxford 1997; Würffel 2007). Die bereits angesprochenen Relativierungen in Bezug auf Leistungsstärke und Ungewissheitstoleranz sind durch Oxford (1997, 445) ebenfalls bereits in der Fremdsprachenforschung rezipiert worden. In Hinblick auf die Anwendung der Mikromethoden des KL im Fremdsprachenunterricht ist es ein Allgemeinplatz, dass KL den Schüler*innen eine Art kommunikativen Schonraum zur Verfügung stellt. Sie können zunächst mit ihren Mitschüler*innen sprechen, bevor sie sich in der ganzen Klasse äußern müssen und in manchen Methoden (z. B. Placemat) werden die sprachlichen Anforderungen langsam gesteigert: Die anspruchsvolle mündliche Kommunikation wird durch schriftliche Aktivitäten vorbereitet. Diese Annahmen klingen plausibel, wurden allerdings nie systematisch geprüft. Dies galt lange Zeit für viele Annahmen bezüglich KL und Fremdsprachenunterricht. Seit dem Befund von Würffel (2007, 4), die empirische Belege noch als sehr unvollständig betrachtete, sind einige Arbeiten hinzugekommen. Insgesamt ist die empirische Evidenz aber immer noch sehr lückenhaft. Die gefundenen Effekte lassen sich in drei Bereiche kategorisieren (vgl. Tab. 2.2), die im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Der erste Bereich umfasst Wirkungen, die mit der Interaktionsstruktur verbunden sind und daher zumindest mittelbar den Fremdspracherwerb beeinflussen. Wenn auch schwach, so doch jeweils mindestens mit einer empirischen Studie sind folgende Wirkungen belegt. Rein quantitativ kann man davon ausgehen, dass die Zeit, die jede*r Lernende in der Zielsprache kommuniziert, gegenüber frontalen Unterrichtsinszenierungen deutlich erhöht ist (Haitink/Haenen 2002; Würffel 2007; Zhu/Mitchell 2012). Auch ist eindeutig dokumentiert, dass der Umfang mündlicher (Shachar/Sharan 1994) und schriftlicher Sprachproduktion (Shachar/Eitan 2000) durch KL um bis zu 50 Prozent gegenüber frontal-instruktiver Lehrerzentrierung zunimmt. Darüber hinaus scheint sich auch die Qualität der Interaktion zu verändern. So finden sich Belege dafür, dass bestimmte kooperative Methoden – in diesem Falle jigsaw-activities und peer-response-activities – intensiviertes negotiation of meaning im linguistischen Sinne der sprachlichen Disambiguierung und gegenseitigen Verständnissicherung, die gemäß Interaktionshypothese (vgl. z. B. Long 1996) den Fremdspracherwerb fördert, zur Folge haben (Chinnery 2008; Zhu/Mitchell 2012). In gleicher Weise besteht begründeter Anlass zu der Vermutung, dass klassische Methoden des KL, hier z. B. das Gruppenpuzzle, bei entsprechender Begleitung durch sprachliche Übungen tiefere Argumentationen und einen höheren Elaborationsgrad der peer-Interaktion bewirken (Jacobs/Ferrell 2001; Haitink/Haenen 2002; Kronenberg/Souvignier 2005).

Immer wieder genannt, aber nicht empirisch belegt, sind folgende Effekte. Rein quantitativ wird davon ausgegangen, dass sich für die einzelnen Lernenden mehr Übungsmöglichkeiten ergeben (Würffel 2007). Hinsichtlich der Interaktionsqualität wird angenommen, dass sich eine höhere Redundanz der Äußerungen der Lernenden und eine bessere Passung der Äußerungen zur Sprachkompetenz der peers ergibt (Würffel 2007) und dass in den kooperativen Phasen eine größere Vielfalt unterschiedlicher Sprechhandlungen vollzogen wird (Schwerdtfeger 2000). Beides würde den Fremdspracherwerb im Sinne der Interaktions- und Outputhypothese (vgl. z. B. Swain 1993) zumindest mittelbar fördern.

Erzeugte Wirkung Quelle Empirische Belegtheit
Interaktionsstruktur
Erhöhung der Zeit für authentische Kommunikation in der Zielsprache Haitink/Haenen 2002; Würffel 2007; Zhu/Mitchell 2012 Mind. 1 emp. Studie
Deutlich umfassendere mündliche und schriftliche Sprachproduktion Shachar/Sharan 1994; Shachar/Eitan 2000 Mind. 1 emp. Studie
Intensive negotiation of meaning im linguistischen Sinne der sprachlichen Disambiguierung in jigsaw-activities und bei peer-response-activities Chinnery 2008; Zhu/Mitchell 2012 Argumentative Begründung
Vielfältigere Diskursmuster und dadurch Realisierung einer größeren Vielfalt von Sprechakten Schwerdtfeger 2000 Argumentative Begründung
Tiefere Argumentationen der Lernenden und höherer Elaborationsgrad der peer-Interaktion bei entsprechendem Training Jacobs/Ferrell 2001; Haitink/Haenen 2002; Kronenberger/Souvignier 2005 Mind. 1 emp. Studie
Mehr Übungsmöglichkeiten für einzelne Lernende Würffel 2007 Argumentative Begründung
Höhere Redundanz der Äußerungen und bessere Passung zur Sprachkompetenz der Mitlernenden Würffel 2007 Argumentative Begründung
Förderung sprachlicher (Teil-)fertigkeiten
Förderung des Schreibprozesses der Individuen und Erweiterung der Schreibkompetenz Faistauer 1997 Argumentative Begründung
Förderung der Lesekompetenz durch virtuelles (untutorierte SchreibWIKIS) und reales (Lesen im Gruppenpuzzle) KL Platten 2008; Law 2011 Mind. 1 emp. Studie
Zunahme der Englischleistung durch KL Sharan 1984 Argumentative Begründung
Emotionale und metakognitive Effekte
Gruppenzusammenhalt verstärkt motivationale Faktoren und damit sowohl mittelbar als auch unmittelbar den Kompetenzerwerb. Dramabezogenes KL fördert autonome Motivation Dörnyei 1997; Law 2011 Mehrere emp. Studien
Emotionen erweisen sich selbst als soziale Konstruktionen Imai 2010 Argumentative Begründung
Verstärkte Reflexivität Haitink/Haenen 2002; Rankes 1999 Mind. 1 emp. Studie

Tab. 2.2:

Befunde zu schülerseitigen Effekten von KL im Bereich des Fremdsprachenlernens.

Der zweite Bereich umfasst positive Auswirkungen von KL auf sprachliche (Teil-)Fertigkeiten und damit unmittelbare Effekte im Bereich des Fremdspracherwerbs. Diese Effekte sind jeweils durch eine empirische Untersuchung und damit schwach belegt. So wird zum einen eine gegenüber nicht-kooperativen Inszenierungen erhöhte Förderung der Lesekompetenz durch virtuelle, hier: untutoriertes Schreiben von Wikis (Platten 2008), und reale Kooperation, hier: Lesen im Gruppenpuzzle (Law 2011), festgestellt. Zum anderen scheint es in kooperativen Inszenierungen zur Erweiterung der Schreibkompetenzen und einer Förderung des individuellen Schreibprozesses zu kommen (Faistauer 1997). Eine generelle Zunahme der Englischleistung durch KL misst Sharan (1984).

Der dritte Bereich schließlich umfasst die emotionalen und metakognitiven Effekte, die wiederum mittelbar auf den Fremdspracherwerb einwirken. Relativ gut durch mehrere empirische Untersuchungen, die von Dörnyei (1997) referiert werden, ist belegt, dass KL den Gruppenzusammenhalt (cohesion) erhöht und damit motivationale Faktoren wie die Motivation selbst aber auch andere Faktoren wie z. B. Selbstwirksamkeit fördert. Diese Faktoren wiederum stehen in engem Zusammenhang mit der Fachkompetenz, die hier als Sprachkompetenz aufzufassen ist. Eine weitere Studie berichtet, dass mit Mitteln der Dramapädagogik (z. B. Standbild) arbeitende Methoden des KL die autonome Motivation der Lernenden erhöhen, die wiederum in hohem Zusammenhang mit dem Erwerb sprachlicher Kompetenz gesehen wird (Law 2011). Einen sehr interessanten Befund fördert eine aktuelle Studie aus Japan zu Tage. Während die emotionalen Effekte des KL bis vor kurzem immer in Bezug auf die Auswirkungen auf die Individuen beforscht wurden (s.o.), kann eine sehr innovative Studie (Imai 2010) mit großem empirischen Aufwand – neben Fragebögen und Interviews kommt auch die Videographie privater Treffen der Arbeitsgruppen zum Einsatz – rekonstruieren, wie Emotionen sich im Verlauf der gemeinsamen Arbeit verändern und wie sie im Sinne gemeinsamer emotionaler Aushandlungen sozial konstruiert werden. Damit findet sich im Bereich der Emotionen ein ähnliches Phänomen der Ko-Konstruktion, wie es insbesondere im Rahmen von Kollaboration für die kognitive Wissenskonstruktion angenommen wird. Im metakognitiven Bereich finden sich ebenfalls schwache, aber immerhin vorhandene empirische Belege dafür, dass es in kooperativen Inszenierungen zu verstärkter Reflexivität kommt.

Im Lichte dieser Zusammenschau lässt sich insgesamt resümieren, dass es zwar keinesfalls abschließende, aber durchaus sehr umfassende empirische Hinweise darauf gibt, dass KL den Fremdspracherwerb fördert. Dies geschieht sowohl mittelbar, nämlich einerseits über die Intensivierung der Kommunikation und die Verstärkung von sprachliches Lernen unterstützenden Merkmalen der Interaktion, und andererseits über die positive Beeinflussung von den Fremdspracherwerb steigernden emotionalen Faktoren, wie z. B. Motivation. Darüber hinaus sind auch unmittelbare Wirkungen belegt, nämlich eine gegenüber nicht-kooperativen Inszenierungen erhöhte direkte Verbesserung sprachlicher Teilfertigkeiten wie Lese- oder Schreibkompetenz.

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