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2.2.3 Temperatur und Höhenlage

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Das Wachstumsvermögen der Wiesenpflanzen ist stark wärmeabhängig. Deshalb hängen die Ertragsfähigkeit ebenso wie die Verbreitung der einzelnen Wiesenpflanzenarten wesentlich von der Höhenlage, aber auch von lokalklimatischen Eigenschaften eines Standortes ab (z. B. Exposition). Pro 100 m Höhendifferenz nimmt die durchschnittliche Temperatur um rund 0,5 °C ab. Gleichzeitig geht die Länge der Vegetations- und Wachstumsperiode zurück. Umgekehrt beschleunigen höhere Temperaturen – sofern sie noch im physiologisch günstigen Bereich liegen – das Wachstum der Pflanzen (Abb. 11).

Da verschiedene Pflanzenarten unterschiedlich auf die Temperaturverhältnisse reagieren, hat die Jahres- und Sommertemperatur einen grossen Einfluss auf die botanische Zusammensetzung der Wiesen: Die am intensivsten nutzbaren Gräser sind auf milde Lagen mit hohen Jahrestemperaturen angewiesen. Bei sehr intensiver Nutzung sind das Englische und Italienische Raygras bestandesbildend und für gute Erträge ausschlaggebend. Die beiden Arten werden nur in der kollinen und, auf guten Standorten, der unteren und mittleren montanen Stufe bestandesbildend (Ertragsanteil > 20 %), das heisst bis rund 800 m ü. M., das Italienische Raygras meist nur bis 600 m und nur bei genügend und ausgeglichenen Niederschlägen. Regionen und Standorte, wo diese beiden Grasarten vorherrschen können, bezeichnet man als raygrasfähig. Raygrasfähige Lagen sind deutlich intensiver nutzbar als nicht raygrasfähige. Die Beurteilung der Raygrasfähigkeit ist deshalb ein wichtiges Kriterium bei der Planung der optimalen Nutzungsintensität und der differenzierten Wiesennutzung – nicht nur in Mitteleuropa, sondern mit globaler Gültigkeit (PFADENHAUER und KLÖTZLI 2014).

Ähnlich bedeutsam für die Ausbildung von Wiesentypen in der Schweiz ist das relativ hohe Wärmebedürfnis des Fromental, in Deutschland Glatthafer genannt. Fromental ist bei wenig intensiver Nutzung bis in die obere montane Stufe eines der konkurrenzfähigsten Gräser und damit oft bestandesbildend. Zudem ermöglicht es einen höheren Biomassezuwachs als die meisten anderen Gräser. Ab etwa 1000 m ü. M. kann sich das Fromental temperaturbedingt nicht mehr halten und wird vom Goldhafer als bestandesbildende Art abgelöst, welcher für ein gutes Wachstum deutlich tiefere Temperaturen erträgt. Goldhafer ist zwar auch in den unteren Lagen regelmässig in wenig intensiv genutzten Wiesen vorhanden, jedoch ist die Grasart gegenüber dem Fromental und anderen Gräsern weniger konkurrenzfähig und wird deshalb kaum je bestandesbildend.


Abb. 11. Temperaturabhängigkeit von Photosynthese und Atmung, welche hauptsächlich für das Pflanzenwachstum verantwortlich sind. Das Temperatur-Wachstumsoptimum während des Tages (Topt bezogen auf die Nettophotosynthese) liegt für viele Wiesengräser Mitteleuropas zwischen 17 und 21 °C, wobei zwischen den einzelnen Arten deutliche Unterschiede bestehen (Quelle: LACHER 2001). Stark wüchsige Gräser wie Italienisches oder Englisches Raygras oder das Fromental haben relativ hohe Temperaturoptima. Mit zunehmender Höhenlage treten sie deshalb zugunsten von weniger wüchsigen, aber an tiefere Temperaturen angepassten Gräser zurück. Während der Nacht findet nur Atmung und keine Photosynthese statt. Je tiefer die Nachttemperaturen, desto weniger Energie veratmet die Pflanze.

Exkurs 5

Einfluss der Höhenlage auf den Ertrag und die Futterqualität von Wiesen

Mit zunehmender Höhenlage geht die maximal mögliche Nutzungsintensität und das Ertragsmaximum von Wiesen zurück. Inwieweit das der Fall ist, zeigt Abbildung 12 (grüne Kurven). Bei gedüngten Wiesen nimmt in der Schweiz der Ertrag im Durchschnitt um 4 bis 6 Prozent pro 100 Höhenmeter ab, das sind zwischen 0,2 (DIETL 1986; THOMET et al. 1989) und 0,4 t TS/ha (MOSIMANN 2005) pro 100 Höhenmeter oder, auf die Milchproduktion umgerechnet, um etwa 350 bis 700 kg Milch/ha (WINCKLER et al. 2012). Ungenügende oder übermässige Wasserverfügbarkeit, schattige Lagen und andere Standortfaktoren, die sich nicht oder nur begrenzt beeinflussen lassen, können die Ertragsfähigkeit eines Wiesenbestandes innerhalb der klimatischen Grenzen weiter einschränken.

Bei ungedüngten Wiesentypen ist der Ertrag dagegen weniger von der Höhenlage abhängig als von anderen Standortbedingungen, vor allem der Nährstoffverfügbarkeit (THOMET et al. 1989). Der ungedüngte Wiesentyp mit einem der höchsten TS-Erträge liegt in der subalpinen Stufe: die früher oft als Wildheumähder genutzten, meist ausserordentlich artenund blütenreichen subalpinen Hochgrasfluren (eigene Untersuchungen, unveröff.).

Generell nimmt der Gehalt an Eiweiss und Energie ebenso wie die Verdaulichkeit des Futters bei ungedüngten Wiesentypen mit zunehmender Höhenlage auf vergleichbarer geologischer Unterlage deutlich zu. Ein Beispiel sind die ausgedehnten ungedüngten, halbschürigen oder einschürigen Futterwiesen zwischen 1900 und 2200 m ü. M. auf der rechten Talseite des Schanfigg (Kanton Graubünden), also in der oberen subalpinen und unteren alpinen Stufe (Abb. 13). Das nährstoffreiche, gut verdauliche Heu dieser sehr arten- und blumenreichen Wiesen wird bis heute für die Fütterung des Milchviehs auch während der Laktation eingesetzt, genau wie das Futter der intensiv genutzten Wiesen in den tieferen Lagen um die Dörfer.

Die für das Wachstum und die Konkurrenzverhältnisse wichtige Temperatur ist für die Verbreitung nicht nur einzelner Arten, sondern auch der verschiedenen Wiesentypen ein ausschlaggebender Faktor (Kap. 5.5).


Abb. 12. Ertragspotenzial von Wiesland in Abhängigkeit der Nutzungsintensität (Horizontalachse) und der Höhenlage (grüne Kurven A-D). Mit zunehmender Höhenlage nimmt die Nutzungsintensität, welche einen maximalen Ertrag ermöglicht, ab. So sind in den tieferen Lagen (kollin, bis ca. 600 m ü.M., Kurve D) mit einer sehr intensiven Nutzung hohe Erträge möglich, da hier die intensiv nutzbaren Grasarten geeignete Wachstumsbedingungen vorfinden. In der alpinen Stufe (Kurve A) dagegen ist schon eine mittelintensive Nutzung nicht mehr möglich, ohne dass der Pflanzenbestand degeneriert (s. Kap. 5.5). Blau und rosa stellen schematisch den Anteil der wichtigsten Faktoren der Ertragsbildung bei zunehmender Nutzungsintensität unter der Bedingung konstanter Wasserverfügbarkeit dar. Im extensiven, das heisst ungedüngten Bereich hängt der Ertrag lediglich von der Bodenstruktur/Bodenart, der Artenzusammensetzung und der Artenvielfalt ab. Bei zunehmender Nutzungsintensität nimmt die Bedeutung dieser Faktoren ab, und der Ertrag wird zunehmend durch das Düngungsniveau definiert.


Abb. 13. Ausgedehnte, blumen- und artenreiche Heuwiesen prägen die untere alpine Stufe im mittleren Schanfigg ob St. Peter und Peist (Kanton Graubünden). Bereits kleine Standortunterschiede führen zu unterschiedlichen Wiesentypen – links im Bild eine magere Goldhaferwiese auf basischer Unterlage, rechts ein artenreicher, relativ nährstoffreicher Borstgrasrasen mit Arnika auf saurer Unterlage. Obwohl ungedüngt und nur halbschürig bis einschürig genutzt, liefern diese Wiesen Heu mit relativ hohem Eiweissund Energiegehalt. Das Futter wird zusammen mit demjenigen aus den Intensivwiesen im Tal den laktierenden Milchkühen verfüttert.

Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas

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