Читать книгу Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas - Andreas Bosshard - Страница 7
Zum Geleit
ОглавлениеIm Jahre 1987 veröffentlichte der Schweizerische Bund für Naturschutz (heute Pro Natura) ein Tagfalterbuch, worin er unter anderem festhielt, dass nur mehr 1 Prozent der Tagfalterpopulationen im Wiesland des Mittellandes im Vergleich zu den 1950er Jahren vorkommen. Diese dramatische Aussage fand erstaunlich wenig öffentliche Beachtung, obwohl sie eigentlich eine Konkursanzeige für die Schweizer Biodiversität darstellte. Ich wunderte mich auch, dass die Imker als stark Betroffene sich nicht kräftiger über solche Vielfalt-Verluste zu Wort meldeten. Der Film «More than honey» von Markus Imhoof zeigte dann im Jahre 2012 die ganze Misere weltweit auf.
Die Wiesen wurden sichtbar in den letzten Jahrzehnten immer sattgrüner, ein schweizweiter Güllegürtel löschte die bisherigen Farbtupfer mit allem was «kräucht und fleucht» aus. In diesem monokulturell genutzten Wiesland wurde es ruhig, man muss von einer beklemmenden Monotonie sprechen, die auch tierfeindlich ist. Selbst die einst häufigen Blumen wie der Wiesensalbei und die Margerite wurden auf marginale Restflächen wie zum Beispiel Wegränder reduziert. Einzig in Privatgärten sieht man manchmal noch liebevoll vom Rasenmäher verschonte «Margeriteninseln». Ein erbarmungsloses Schnitt- und ein massiv umweltschädliches Düngerregime mit hohen Ammoniakemissionen erzeugten diese «grünen Wüsten». Die schöne wie produktive traditionelle Kulturlandschaft, wurde von einer einseitigen «Produktions- und Verbrauchslandschaft» abgelöst. Auch weit über die Schweiz hinaus ist eine Verarmung, Entleerung und Vereinheitlich in grossen Produktions-Schlägen festzustellen. Das ist das Gegenteil eines an sich anzustrebenden Zustandes, weil die meisten Menschen sich eine vielfältige, strukturreiche Landschaft wünschen. Die Art und Weise der landwirtschaftlichen Produktion ist keinesfalls nur eine landwirtschaftliche Angelegenheit. Dieser getätigte Raubbau an der Biodiversität wird ja vom Steuerzahler massiv mit jährlichen Direktzahlungen im Milliardenbereich finanziert. Diese Mittel fliessen zudem unter dem Mantel der Landschaftspflege.
Andreas Bosshard greift nun die Wieslandfrage aus ökologischer und ökonomischer Sicht auf breiter Front auf. Die vorliegenden Erhebungen belegen mit Akribie oben Gesagtes und Beobachtetes. Wiederum ist analog zu den Tagfaltern von nur mehr einem Prozent der einstigen Vorkommen bunter Blumenwiesen die Rede. Auch die ökologischen Ausgleichsflächen erfüllen mehrheitlich nicht die Erwartungen bezüglich Artenvielfalt. Man muss in den landwirtschaftlichen Gunstlagen von einer Bankrotterklärung für die Naturanliegen sprechen, weil der verlangte ökologische Ausgleich die Erwartungen qualitativ und quantitativ nicht erfüllen kann.
Andreas Bosshard zeigt aber auch auf, dass sich diese Blumenwiesen nicht allein als Ökoflächen erhalten und fördern lassen. Sie müssen wieder Bestandteil einer produktiven, nutzungsorientierten, standortsgerechten Landwirtschaft sein. Das Erstaunliche dabei: Eine solche Landwirtschaft wäre offenbar auch wirtschaftlicher. Nur dank einem international einzigartig hohen Geldmittelfluss von der öffentlichen Hand konnte sich eine derart intensive, gleichzeitig zu teure wie naturfeindliche Landnutzung in der Schweiz überhaupt entwickeln und halten. Weniger wäre offenbar deutlich mehr.
Hierfür werden die Empfehlungen abgegeben, wie der Futterbau angegangen werden müsste. Diese Arbeit ist ein Weckruf, die Gier nach immer mehr zu hinterfragen und sich ökonomisch wie ökologisch wieder auf ein nachhaltiges Mass der Landnutzung zurückzubesinnen. Dies zum Wohl von uns allen, Mensch, Tier und Pflanze, und nicht zuletzt von den Bauernfamilien selber.
Mario F. Broggi
Stiftungsrat Bristol-Stiftung, Zürich
Das Grünland ist ein vom Menschen geschaffenes Ökosystem und unterliegt deshalb in besonderem Masse dem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel. Das wird im Wiesenbuch von Andreas Bosshard in eindrücklicher Weise dargelegt. Besonders die historischen, pflanzensoziologischen und wiesenökologischen Kapitel stellen viel Wissen zusammen, das bisher nicht allgemein zugänglich war. Am Beispiel der Fromental-Wiesen wird aufgezeigt und naturwissenschaftlich begründet, wie sich die Artenvielfalt in den letzten Jahrzehnten verändert hat.
Im Wiesenbuch werden der starke Rückgang der Fromental-Wiesen und insbesondere deren Artenvielfalt beklagt und der Eindruck erweckt, dass dafür vor allem eine Fehlentwicklung in der Landwirtschaftspolitik verantwortlich ist. Diese Einschätzung ist eine etwas einseitige Sichtweise und wird der Realität zu wenig gerecht. Zwar ist der Artenrückgang im Grünland des schweizerischen Mittellands eine Tatsache, doch war, ist und bleibt die Hauptfunktion die Produktion von wertvoller Nahrung. Dies geschieht einerseits über die Veredelung von Wiesenfutter via Wiederkäuer zu Milch und Fleisch oder durch Steigerung der Bodenfruchtbarkeit im Wechsel mit dem Ackerbau. Die unumgängliche Steigerung der Produktion wäre ohne einen gewissen Verlust an Biodiversität und Strukturreichtum nicht möglich gewesen.
Die sogenannten Fruchtfolgeflächen, die sowohl als Wiesen und Acker genutzt werden, sind vor allem im Schweizer Mittelland konzentriert. Seit 1900 hat eine gewaltige Veränderung der Kulturlandschaft und ihrer Nutzung stattgefunden: das Bevölkerungswachstum hat um 253 Prozent zugenommen. Es ist eine Wohlstandsgesellschaft mit hohem Mobilitätsbedürfnis entstanden, die sich nicht gross um den masslosen Bodenverschleiss für den Siedlungs- und Strassenausbau gekümmert hat. Zum Opfer gefallen ist vor allem die produktive landwirtschaftliche Nutzfläche. Das Ackerland ist in den letzten dreissig Jahren pro Kopf um ein Drittel gesunken und liegt nur noch bei 500 m2 pro Einwohner – das ist ein Viertel des internationalen Durchschnitts. Mindestens so wichtig wie eine nachhaltige, standortgemässe, differenzierte Nutzung des Wieslandes ist deshalb der absolute Schutz der verbliebenen Flächen vor weiterer Überbauung, aber ebenso die weitere Flächenaufgabe im Berggebiet.
Weite Teile des Schweizer Mittellands gehören zu den privilegiertesten Grünland-Gunstlagen der Welt. Dank den sicheren und gut verteilten Sommerniederschlägen wächst hier bestes Gras in grossen Mengen, das sich hervorragend für die Milchproduktion eignet. Die Veredelung von Wiesenfutter zu Nahrung ist über die Milch um ein Mehrfaches effizienter als über Fleisch. Entsprechend ist es richtig, wenn im Wiesenbuch vor allem die Milchproduktion im Fokus der Betrachtungen steht. Es ist Andreas Bosshard gelungen, gerade hier wichtige Zusammenhänge aufzuzeigen und die aktuelle Entwicklung der Schweizer Milchproduktion und Viehzucht in ein kritisches Licht zu stellen. Das entsprechende Kapitel im Wiesenbuch ist besonders wertvoll und eine anerkennenswerte transdisziplinarische Leistung.
Möge das Wiesenbuch von Andreas Bosshard dazu beitragen, den richtigen Weg zur nachhaltigen Nutzung unserer vom Grünland geprägten Kulturlandschaft zu finden. Als Antithese zur heutigen Realität liefert es viele wertvolle Impulse und Denkansätze.
Peter Thomet
ehemaliger Professor für Grünlandlehre, Futterbau und Milchproduktion an der Hochschule für Agrar- Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) und ehemaliger Präsident der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaues (AGFF)