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Professionsgebundene Reisen in der Frühen Neuzeit

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Gesellenwanderung

Neben den Reisen aus gesundheitlichen und religiösen Gründen hatte das Unterwegssein zu beruflichen Ausbildungszwecken einen großen Anteil am Reiseaufkommen vor 1700. Eine besondere Form war die Gesellenwanderung, die auch als eine spezielle Variante der Arbeitsmigration verstanden werden kann und seit dem 14. Jahrhundert fassbar ist. Sie schloss sich an die Lehrzeit eines Handwerkers an und diente dem Abschluss seiner Ausbildung; man schickte die Lehrjungen auf die „Walz“. Die Wanderzeiten waren zunächst kurz, verlängerten sich aber seit dem 16. Jahrhundert auf zwei bis sechs Jahre, ebenso nahm der Radius der besuchten Städte zu. Die Gesellenwanderung, die mit bestimmten Ritualen und einer eigenen Infrastruktur versehen war, bot nicht nur einen neuen Erfahrungsraum für die reisenden Lehrjungen, sondern trug durch das Erlernen berufsspezifischer Techniken und Fertigkeiten auch zum gesamteuropäischen Technologietransfer bei. Die Gesellenwanderung bestand bis ins 19. Jahrhundert, verlor mit der Einführung neuer Gewerbeordnungen seit den 1860er Jahren (Wegfall des Wanderzwangs) an Bedeutung, wird aber teilweise noch bis in die Gegenwart praktiziert. Zahlreiche Gesellen haben über ihre Erlebnisse während der Walz ein schriftliches Tagebuch geführt, eine einzigartige Quelle zur Lebens- und Erfahrungswelt dieser sozialen Gruppe.

Gelehrtenreisen

Eine andere gesellschaftliche Schicht, die das Reisen zu ihrem beruflichen Habitus machte, waren die Akademiker und Gelehrten. Ihre Fahrten ins Inund Ausland wurden besonders in der Frühen Neuzeit zu einem Grundpfeiler der wissenschaftlichen Kommunikation und des Kulturtransfers. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um die Reisen von Absolventen bzw. Angehörigen der Universitäten mit klar umrissenen Erkenntniszielen (peregrinatio erudita). Der Besuch berühmter Kollegen, die Besichtigung ihrer Bibliotheken und Sammlungen sowie das gelehrte Gespräch mit ihnen waren die wichtigsten Vorhaben. Die unterschiedlichen Zwecksetzungen und Fachinteressen erlaubten eine stetige Erweiterung der Gegenstände der gelehrten Reise und eine den Neuigkeitsschüben der Wissenschaftsentwicklung angepasste Verlagerung ihrer Schwerpunkte. Die Reisen ermöglichten den Zusammenschluss der weiträumig verstreuten Gelehrten zur internationalen Gemeinschaft der respublica literaria. Sie förderten die Entfaltung eines vom frühen Territorialstaat unabhängigen Nachrichtennetzes und trugen zur Ausbildung eines unverkennbaren gelehrten Standesbewusstseins bei. Vor allem forschungsorientierte Reisen wurden häufig zur Vorbereitung einer Buchveröffentlichung unternommen. Sie dienten der Sichtung wertvoller Manuskripte, dem Kauf oder der Abschrift seltener Bücher oder der Begutachtung naturhistorischer Besonderheiten in den Naturalienkabinetten und Kunstkammern. Besuche der örtlichen gelehrten und geselligen Vereinigungen boten die Gelegenheit zu Vortrag, Diskussion und Kritik bisher gesammelter Erkenntnisse. Dem Öffentlichkeitsverständnis der Reisenden gemäß wurden die ermittelten Funde, Ergebnisse und Neuigkeiten in Briefen, Tagebüchern oder handschriftlichen Berichten festgehalten, die man nicht selten untereinander austauschte. Häufig wurde aber auch in gedruckten Reisebüchern oder Zeitschriftenartikeln über diese Reisen berichtet (Siebers 1992; Siebers 1999).

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