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Weltreisen
ОглавлениеVon einem anderen Zuschnitt sind die Welt- und Entdeckungsreisen, die den europäischen Kontinent hinter sich lassen, um zumeist per Schiff andere Weltteile aufzuspüren. Das Zeitalter der „Entdeckungen“, das eng mit der kolonialen Expansion Europas verknüpft ist, umfasst die gesamte Frühe Neuzeit vom späten 15. bis zum 18. Jahrhundert. Um die Wechselseitigkeit europäischüberseeischer Kontakte festzuhalten, wird in der neueren Forschung statt von „Entdeckung“ eher von „Erkundung“ der Welt bzw. „Begegnung“ mit anderen Kulturen gesprochen (Rinke u.a. 2006; Bitterli 1976). Die Anlässe für diese Erkundungsfahrten waren in der Regel wirtschafts- und handelspolitisch motiviert. Das galt bereits für das Reiseunternehmen des italienischen Seefahrers Christoph Kolumbus (um 1451–1506), der im Auftrag der spanischen Krone einen Seeweg nach Indien erschließen sollte. 1492 erreichte Kolumbus die karibische Inselwelt und verbrachte einige Zeit auf Haiti. Nach seiner Rückkehr stach er noch dreimal in See (1493–1504) und entdeckte Teile der süd- und mittelamerikanischen Küste. Sein kurzer Reisebericht erlangte rasch eine große Verbreitung in Europa. Der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama (um 1469–1524) sollte auf königlichen Erlass hin einen neuen Handelsweg für den Gewürzimport finden. Bei seiner Seereise (1497–1499) um das Kap der guten Hoffnung und nach kurzen Aufenthalten an der Ostküste Afrikas landete er im südindischen Calicut. Damit hatte er einen neuen eigenständigen Seeweg nach Indien entdeckt. Ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Gewürzroute war dessen Landsmann Ferdinand Magellan (1480–1521), der einen Kurs über Südamerika, die „Magellanstraße“ sowie den Pazifik nahm und über Guam seine Zielregion, die Philippinen, erreichte (1519–1522). Über diese erste Weltumsegelung schrieb der begleitende Chronist, der Italiener Antonio Pigafetta (um 1480 – nach 1534), einen anschaulichen Reisebericht. Schließlich seien für das Ende des Entdeckungszeitalters die drei Seereisen des britischen Seeoffiziers James Cook (1728–1779) genannt. Diese Forschungsexpeditionen, die von der Royal Society unterstützt wurden, fanden in den Jahren 1768 bis 1780 statt und brachten zahlreiche geografische Entdeckungen (u.a. Neuseeland, Australien, südlicher Polarkreis, Inselgruppen Ozeaniens), völkerkundliche Kenntnisse und dokumentarische Darstellungen hervor. An der zweiten Reise nahmen der deutsche Naturforscher Johann Reinhold Forster (1729–1798) und dessen Sohn Georg (1754–1794) teil. Letzterer verfasste den Bericht Reise um die Welt (1778/80), der als Beginn der modernen deutschen Reiseliteratur bezeichnet werden kann.