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Spezifische Reisevorbereitung

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… zu Wissenszwecken

Neben den von fremder Seite gereichten Textformen erstellt das reisewillige Subjekt auch selbst entsprechende Orientierungshilfen, etwa mit gezielten Recherchen, dokumentiert in entsprechenden Notizen und gebrauchsbestimmten Selbstanleitungen. So bereitete der Tropenmediziner Alfons Gabriel (1894–1976) seine Expeditionen (Aus den Einsamkeiten Irans, 1939) mit aufwendigen Studien vor, die etwa die Reisen Marco Polos u.a. als Vorgabe rekonstruieren oder auch historische Heeresstraßen als Bewegungsmuster archivalisch eruieren. Damit erhalten prototypische Reisen einen Weisungscharakter für den Forschenden, angereichert mit aktueller Sachinformation. Wissensgetränkte Planung, natürlich auch in Gestalt einer projektierenden Kartografie (mapping), sorgt für eine Optimierung der Bewegung, aber eben auch für eine Vorabjustierung der Wahrnehmung.

… zu künstlerischen Zwecken

Eine Reise kann ein Kunstwerk zum Ziel haben, das nicht allein der Inspiration oder dem Zufall verpflichtet sein will. So führt beispielsweise Ursula Krechel (*1947) vor der Abreise umfassende Recherchen für ihr Hörspiel Shanghai fern von wo durch. Sie bezeichnet sich dabei aber als „Gefühlsforscherin“, die den „Zertrümmerungen“ der Menschen „nachspürt“. Es gilt für Krechel die Exilreisen deutscher Juden (um 1938) empirisch und emotional nachzuvollziehen. Hierzu liest und exzerpiert die Autorin der späteren Dokumentation verschiedene Flucht- und Überlebensberichte, sammelt neben den Archivrecherchen auch vor Ort Material im Gespräch mit Überlebenden und betitelt die Hörfolge schließlich mit: Fluchtpunkte – Deutsche Lebensläufe in Shanghai (Sendung SWR 1996). Ähnliches klingt bei Roswitha Schieb (*1962) an, die eine Reise nach Schlesien und Galizien (2000) unternimmt und in den ehemaligen Vertreibungsgebieten vor dem Hintergrund eines deutschen „Heimwehtourismus“ mit historischen Daten und aktuellen Wahrnehmungen vor Ort eine „Archäologie des Gefühls“ zu entwickeln gedenkt.

…zu Bildungszwecken

Eine Reise kann als wichtige Komponente in einem umfassenden Erziehungsplan erfolgen: auf Anweisung einer höher gestellten Instanz ist sie dann natürlich mit entsprechenden Instruktionen verbunden. In Verantwortung gegenüber einer Dynastie oder der bürgerlichen Generationenfolge (Familie) spielt hier im besten Sinne auch der von den Vorvätern gesammelte „Erfahrungsschatz“ ein Rolle, der geachtet und vermehrt werden muss. Ein Beispiel wäre hier etwa die Reiseinstruktion des brandenburgischen Freiherrn Casimir zu Eulenburg (1614–1667) für seinen Sohn Georg Friedrich (1641–1699) aus dem Jahre 1652, wo nicht nur Gefahren, Risiken oder Chancen, sondern auch Verführungen (etwa Warnung vor sexuellen Ausschweifungen) zur Sprache kommen. Empfehlungsbriefe sollen die Aufnahme und Betreuung des Reisenden in der Fremde gewährleisten.

…zu unternehmerischen Zwecken

In der Wirtschaft wie auch in der Diplomatie gibt es entsprechend feste Verhaltensformen und Verhandlungsziele, in der Spionage bestimmte Erkundungsinhalte, in der Mission bestimmte Konversionspraktiken, die in verbaler Form mit Bezug auf Reiseziel, Orte und Personen vorab erteilt werden. Dahinter stehen auch hier die Bedürfnisse und Ansprüche einer größeren Gemeinschaft: Nation, Staat, Kirche oder Konzern. Vorgaben können auch in Form von qualitativen Einschätzungen der zu bereisenden Ferne erfolgen: es gibt in der Militärgeschichte etwa Legitimationsschreiben für anzustrebende Eroberungen, in denen Wertungen gegenüber anderen Ethnien und Gebräuchen erfolgen und die eine hegemoniale, ja koloniale Hierarchie zwischen Herkunft und Ziel aufzeigen. Im Sinne von Kultur- und Heilsbringerschaft ist dann zu erörtern, warum „mindere“ Kulturen mit den eigenen Errungenschaften zu „beglücken“ seien.

Reiseliteratur

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