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Reisetexte zum Aufbruch und zur Wiederkehr

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Personale Anlässe

Der räumlich-zeitliche Grenzpunkt zwischen der langen Vorbereitung und dem eigentlichen Reiseantritt birgt als magische Schwellensituation einen besonderen Ansporn für poetische Erfindung. Aus der bisherigen Identität mit dem Ort heraustretend wird der Reisende beim unmittelbaren Abschied (propempticon: zum Reisegeleit) bzw. umgekehrt später bei der Wiederkehr (apopempticon: zum Willkommen) zum persönlichen Adressaten eines Textes. Als solcher nimmt er die Wünsche, Gebete oder ggf. Ermahnungen seines Umfelds entgegen. Insbesondere die personengebundenen Kasualia des 17. Jahrhunderts enthalten neben einer Fülle von reisebezogenen Aspekten auch wertvolle biografische Details. Auch hier erfolgt eine Vorwegnahme der Reise im Sprachkonstrukt, das mit sachlichen Informationen konkrete Stationen imaginiert. Die Darstellung der zu erwartenden Fremdheiten bzw. einer gefahrvollen Ferne ist verbunden mit zukunftsgerichteten Maximen. Zweck und Nutzen der Reise kommen zur Sprache, durchaus mit symbolischen Überhöhungen als Lebensweg oder mit einer metaphysischen Einbindung als Heilsbewegung zu Gott. Affektive (Trauer und Rührung, Ungewissheit des Wiedersehens, Lob und Ansporn) stehen neben appellativen Komponenten (kontextgebundene Ziele, Verpflichtung gegenüber einem Kollektiv). Zudem spiegeln die genannten Chancen und Herausforderungen entsprechende Erwartungen und damit zeitgenössische Normen. Die bevorstehende (oder auch soeben abgeschlossene) Reise wird eingebunden in die persönliche Lebenssituation (Geschenk, Zwang, Risiko), durchaus als Zäsurereignis mit entsprechenden Veränderungspotenzen, so dass ein Vorher und Nachher jeweils als informativer Inhalt erscheint. Eine frühneuzeitliche Theorie dieser Texte bietet Daniel Georg Morhof (1639–1691): der Kieler Rhetorikprofessor formuliert zum Typus und zur Abfassung des Reisegeleits einen eigenen Passus in seinem enzyklopädischen Polyhistor (2 Bde., 1688–1692), zusammen mit einigen mustergültigen Beispielen. Neben die Kasuallyrik als Kleinform treten gelegentlich auch sehr aufwendige Aktionen: an den Fürstenhöfen des 17. Jahrhunderts ist es durchaus nicht unüblich, bei der glücklichen Wiederkehr des Monarchen sogar eine eigens getextete wie komponierte Oper mit Ballet zu inszenieren (bspw. 1681 in Hannover), so dass das Empfangsritual damit auf die Theaterbühne verlegt wird.

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