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Rückkehr und Redaktionsprozesse

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Zeitebenen der Überlieferung

Auf der Basis dieser authentischen Fixierung vor Ort stellen dann spätere Redaktionen (eigen/fremd/nachgeboren) mit Ergänzungen, Korrekturen, emotionalen Färbungen oder gezielter Versachlichung in zeitlichem Abstand neue Texte her, ohne damit den Eigenwert dieser Quellen zu beeinträchtigen. Ein Beispiel für den längeren Verzug einer Redaktion und damit auch der Rezeption zeigt etwa das vom Schiffszimmermann Gerrit de Veer (um 1570–nach 1598) geführte Reisetagebuch des niederländischen Polarreisenden Willem Barents (1550–1597), das seinerzeit im Eis zurückgelassen und erst im 19. Jahrhundert wieder aufgefunden wurde. Neben dieser langphasigen Latenz eines Ursprungstextes steht die Kurztaktigkeit der digitalen Moderne: Medienkonsum während der Reise und interaktives Schreiben (Bourry 2008) verändern rasch den eben noch so authentischen Text. Berichte erfolgen in Echtzeit, gerne auch mit Fotos von Hotelzimmern oder Mahlzeiten, wobei dann Faktoren wie Handyverbot oder „kein Empfang“ als außerliterarisches Selektiv zu bedenken sind. Einer der derzeit wohl bizarrsten und leider kürzesten Reiseberichte erfolgte etwa im Sommer 2016, als ein sich in die Tiefe stürzender Wing-Suit-Flieger über Headset seinen Zuhörern im Netz mitteilte, wie stark das adrenalinintensive Erlebnis des freien Falls auf ihn wirke, ja wie sehr er es bedaure, dass keiner seiner Rezipienten dies jetzt mit ihm teilen könne, bis er mitten im Satz nach einem Schrei abbricht. Es folgen, ebenfalls weltweit über das Netz vernehmbar: ein Aufprallgeräusch – darauf „Stille und Kuhglockengeläut“ (SZ 6.9.2016).

Ausblick auf Rückkehr

Ein singulärer Aspekt des Berichts von unterwegs ist, ob und wie die Rückkehrsituation (Erwartungen, Befürchtungen, Zielsetzungen) antizipiert wird, auch ob der Verfasser nun temporär oder dauerhaft am fernen Ort des Schreibens verbleibt (Exil, Kolonie, Migrationsziel) und dann vielleicht periodisch über Integration und Akkulturation nach Hause (eine damit zunehmend relativierte Größe) berichtet. Der Sonderfall ist die Reise ohne Abschluss oder Ende: im Falle der Diaspora (mehrsprachige Existenz und Interkulturalität, die etwa in der jüdischen Literatur eine lange Tradition hat), aber auch im Falle des „Pendelns“ der modernen Nomaden (global people) – hier vollzieht sich kein geschlossener Kreis aus Abfahrt, Verlauf und Rückkehr, sondern eine Dauerbewegung im Wechsel, ein Phänomen, das vor allem im späten 20. Jahrhundert besondere Fragen der Globalisierung und Deterritorialisierung aufwirft und letztendlich feste Kategorien wie Heimat oder Fremde auflöst.

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