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Etablierung der Reiseliteraturforschung seit den 1990er Jahren
ОглавлениеForschungsberichte
Im Jahrzehnt von 1990 bis 2000 erschienen drei Forschungsberichte, die den Ertrag der interdisziplinären Bemühungen um die Reiseliteratur zusammenfassten und systematisierten. Peter J. Brenner referierte in seinem umfangreichen Forschungsüberblick (Untertitel) rund 800 Publikationen aus den Jahren 1970 bis 1990, stellte deren Inhalt dar und gab Bewertungen zum wissenschaftlichen Ertrag ab. Der Bericht ist nach Reiseepochen gegliedert, so dass man sich rasch und mühelos über die Forschungsgeschichte der beiden Jahrzehnte etwa zum Reisebericht der Frühen Neuzeit oder zum Vormärz informieren kann. Sein Fazit fällt sehr kritisch aus, da er der deutschsprachigen Forschung ein fehlendes „Problembewußtsein“, die „Disparatheit der Fragestellungen und Methoden“ sowie eine mangelnde Durchdringung der „Heterogenität des untersuchten Materials“ bescheinigte (Brenner 1990, 3). Ulrich Klein bot eine systematische Übersicht zu Grundfragen der Reiseliteraturforschung, die hauptsächlich Publikationen seit den 1980er Jahren erfasste, jedoch bei sachlichem Bezug auch auf ältere Forschungsbeiträge zurückgriff. Sein Bericht ist kompakt und übersichtlich angelegt, erörtert Themengebiete wie Gattungstypologie, Epochendarstellungen, Diffusion des Reiseberichts in populäre Medien (zu Beginn des 20. Jahrhunderts), die allmähliche Literarisierung der Berichtsformen sowie das Verhältnis von Faktendarstellung und fiktiven Erzählelementen (Klein 1993). Wenige Jahre später veröffentlichte Michael Maurer eine umfassende und zentrale kritische Übersicht zu den wichtigsten Arbeitsgebieten der kulturwissenschaftlichen Reiseforschung und stellte dazu die relevante Literatur für die Jahre 1980 bis 1995 zusammen (Maurer 1999). Die drei Forschungsberichte eröffnen einen soliden Einblick in die grundlegenden Werke aus der Gründungsphase der neueren historischen Reiseforschung.
Forschungsaktivitäten
Insgesamt erscheinen die neunziger Jahre als das Jahrzehnt der Tagungssammelbände zur Reiseliteratur, die zunehmend zu einem populären Thema der Literaturwissenschaft und anderer Disziplinen wurde. Manche der erwähnten Konferenzen schlugen deshalb oft einen weiten Bogen von der Antike bzw. den mittelalterlichen Pilgerberichten bis zu den Reisereportagen der Gegenwartsliteratur (Griep 1991; Jäger 1992; Ertzdorff/Neukirch 1992; Fuchs/Harden 1995; Ertzdorff 2000; Rees u.a. 2002; Ertzdorff/Giesemann 2003). Zwei Sammelbände traten mit dem Anspruch auf, Synthesen aus dem bisherigen Forschungsstand zu ziehen und zugleich vollständig und detailliert über alle Reiseepochen zu informieren. Beide Publikationen zählen bis heute zu den Standardwerken der Reiseliteraturforschung. Der von dem Germanisten Peter J. Brenner zusammengestellte Band Der Reisebericht stellte die Entwicklung dieses Genres vom Mittelalter bis zur Gegenwart in den Mittelpunkt (Brenner 1989), während der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger und seine Mitherausgeber unter dem Titelstichwort Reisekultur allen Facetten des Phänomens in der Neuzeit anhand von rund 40 Einzelbeiträgen nachgingen (Bausinger u.a. 1991). Im Jahre 1992 wurde zudem die Forschungsstelle zur historischen Reisekultur an der Eutiner Landesbibliothek gegründet, die sich der Sammlung und Erschließung von Reiseliteratur vom 18. Jahrhundert bis zur Moderne widmet (Siebers 2002; Luber 2014). All diese Aktivitäten bestätigen die dauerhafte Etablierung der Reiseforschung im Disziplinenverbund der historischen Kulturwissenschaften.