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3. Arbeitnehmerbeteiligung

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Umwandlungsfälle können in unterschiedlicher Hinsicht Auswirkungen auf die Arbeitnehmer des Unternehmens haben. Zu den individualarbeitsrechtlichen Folgen vgl. vorstehend Rn. 32 ff. Bei den kollektivarbeitsrechtlichen Wirkungen sind verschiedene Ansatzpunkte gegeben. Zum einen sieht das Umwandlungsgesetz selbst in §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG die Beteiligung der Betriebsräte vor. Zum anderen bestehen betriebsverfassungsrechtliche Informations- und Beteiligungspflichten sowie Übergangsmandate der Betriebsräte nach dem BetrVG, vgl. unten Rn. 43, 44. Darüber hinaus ist die mögliche Auswirkung eines Umwandlungsfalles auf den mitbestimmungsrechtlichen Status des Unternehmens zu prüfen (vgl. §§ 325, 203 UmwG).

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Die Zuleitungspflicht an den Betriebsrat gem. §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG muss bei der Abwicklung eines Umwandlungsfalles, insbesondere auch vom beurkundenden Notar, strikt beachtet werden. Die Zuleitung muss jeweils einen Monat vor Beurkundung der Gesellschafterversammlung des betreffenden Rechtsträgers über die Zustimmung zum Umwandlungsvorgang erfolgt sein.[164] Es ist nunmehr wohl herrschende Meinung, dass der Betriebsrat auf die Einhaltung dieser Monatsfrist, nicht aber auf die Zuleitung an sich verzichten kann.[165] Zu Recht weist Sagasser/Schmidt jedoch darauf hin, dass eine vorherige Abklärung mit dem zuständigen Registergericht sinnvoll ist.[166] Durch die Zuleitung soll der Betriebsrat insbesondere in die Lage versetzt werden, die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte rechtzeitig und sachgerecht auszuüben.[167] Ein Mitgestaltungs- oder Widerspruchsrecht besteht jedoch nicht. Zuzuleiten ist der Umwandlungsvertrag oder -plan. Erfolgt die Umwandlung zur Neugründung, hat die Zuleitung einschließlich der Satzung oder des Statuts des neuen Rechtsträgers zu erfolgen. Sonstige Anlagen, insbesondere bei Spaltungsvorgängen zur näheren Bezeichnung des Spaltungsgegenstandes, sind dem Betriebsrat insoweit zuzuleiten, als der Inhalt dieser Anlagen „Ausstrahlungswirkungen“ auf die Rechte der Arbeitnehmer hat.[168] Unabhängig von der Frage, wann ein geänderter Entwurf dem Betriebsrat nochmals zugeleitet werden muss, muss bei der Erstzuleitung des Entwurfes darauf geachtet werden, dass dieser nicht nur hinsichtlich der Angaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG vollständig ist, sondern dass er auch die übrigen Anforderungen des § 5 Abs. 1 UmwG an den Mindestinhalt des Verschmelzungsvertrages bezogen auf die konkret geplante Verschmelzung erfüllt.[169] Trotz dieses Vollständigkeitsgebotes hat sich zu Recht die herrschende Meinung herausgebildet, dass bei nachträglichen Änderungen des Entwurfes eine erneute Zuleitung nur dann zu erfolgen hat, wenn diese Änderungen Auswirkungen, es genügen jedoch „Ausstrahlungswirkungen“, auf die Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen gemäß den Angaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG haben.[170] Bei umfangreicheren Änderungen sollte, auch wenn eine Zuleitungspflicht inhaltlich nach den vorstehenden Überlegungen verneint werden könnte, dem Betriebsrat der geänderte Entwurf unter dessen Verzicht auf die Einhaltung der Zuleitungsfrist erneut vorsorglich zugeleitet werden.[171] Die Umwandlungsbeschlüsse der beteiligten Rechtsträger unterliegen nicht der Zuleitungspflicht.

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Eine immer wieder schwierig zu klärende Frage ist, welchen Betriebsräten die Unterlagen gem. UmwG zuzuleiten sind. Hierüber besteht in der Literatur keine vollständige Einigkeit. Welcher Betriebsrat zuständig ist, ergibt sich aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Besteht für ein Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat, müssen diesem alle Umwandlungsvorhaben zugeleitet werden, da diese aus ihrer Natur heraus unternehmensbezogen sind.[172] Besteht ein Konzernbetriebsrat, ist umstritten, ob die Zuleitung an diesen ausreicht und/oder ergänzend notwendig ist.[173] Aufgrund des derzeitigen Meinungsstandes muss davon ausgegangen werden, dass die Monatsfrist der §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3 UmwG in Gang gesetzt wird, wenn die Zuleitung bei dem Betriebsrat des betreffenden Rechtsträgers, somit bei dem Einzel- bzw. Gesamtbetriebsrat, erfolgt ist. Aufgrund des bestehenden Meinungsstreits empfiehlt sich aber auch die ergänzende Zuleitung an den Konzernbetriebsrat. Widmann/Mayer empfiehlt zudem unter Bezugnahme auf weitere Literaturstellen auch bei Vorhandensein eines Gesamtbetriebsrats im Interesse der Rechtssicherheit die Zuleitung an die Betriebsräte der einzelnen Betriebe.[174] Empfangszuständig ist der Vorsitzende des Betriebsverfassungsorgans, im Fall seiner Verhinderung dessen Stellvertreter (§ 26 Abs. 2 S. 2, § 51 Abs. 1, § 59 Abs. 1 BetrVG). Sind sowohl der Betriebsratsvorsitzende als auch sein Stellvertreter verhindert und hat der Betriebsrat versäumt, für diesen Fall Vorkehrungen zu treffen, kann die Zuleitung grundsätzlich gegenüber jedem Betriebsratsmitglied erfolgen.[175]

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Besteht kein Betriebsrat, entfällt die Zuleitungspflicht. Es gibt keine ersatzweise Zuleitungspflicht an die betroffenen Arbeitnehmer. Gegenüber dem Registergericht muss das Nichtbestehen eines Betriebsrates glaubhaft gemacht werden. Dies erfolgt in der Regel durch Erklärung der beteiligten Rechtsträger und Gesellschafter in den Urkunden sowie einfache Versicherung der Anmeldenden in der betreffenden Registeranmeldung. Die teilweise in den Formularbüchern erwähnte eidesstattliche Versicherung der Anmeldenden wird nach gängiger Praxis der Registergerichte nur in extremen Ausnahmefällen gefordert. Unterbleibt die Zuleitung oder ist sie verspätet, liegt ein Anmeldungshindernis vor (Folgerung aus §§ 125 S. 1, 17 Abs. 1 UmwG).

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Ebenfalls, aber nicht ausschließlich, haben die Vorschriften der §§ 125 S. 1, 61 S. 1, 122d S. 1 UmwG die rechtzeitige Information der Arbeitnehmer als Hintergrund. Durch sie ist geregelt, dass bei Beteiligung von Aktiengesellschaften als Rechtsträger von Umwandlungsvorgängen (Verschmelzung, Spaltung) sowie bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen die Entwürfe des Umwandlungsvertrages bzw. des Verschmelzungsplans einen Monat vor dem Hauptversammlungstermin, der die Zustimmung zum Umwandlungsvorgang auf der Tagesordnung hat, beim Handelsregister eingereicht sein müssen. Bejaht man diesen weiteren Schutzzweck der §§ 61, 122d UmwG, steht dies auch einer Verzichtbarkeit der Zuleitung der Entwürfe durch alle Aktionäre entgegen, welche teilweise diskutiert wird.[176]

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Das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) ist am 29.12.2006 in Kraft getreten und regelt alle Fragen der Arbeitnehmerbeteiligung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen. Die Arbeitnehmerbeteiligung ist in einigen – jedoch nicht in allen – Punkten den Mitbestimmungsregelungen bei der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE),[177] in Deutschland im SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) umgesetzt, nachgebildet. Mitbestimmung i.S.d. MgVG ist ausschließlich die »Unternehmensmitbestimmung«, d.h. also die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan des Unternehmens, nicht etwa die Bildung eines international zusammengesetzten Betriebsratsgremiums. Grundsätzlich finden gem. § 4 MgVG die Mitbestimmungsregelungen des Staates Anwendung, in welchem der übernehmende Rechtsträger seinen Satzungssitz hat. Diese Regel wird jedoch für bestimmte Arbeitnehmergruppen dann durchbrochen, wenn das anzuwendende Mitbestimmungsrecht nicht den gleichen Umfang an Mitbestimmung vorsieht, wie sie bei den übertragenden Rechtsträgern bestand (§ 5 Abs. 2 MgVG), oder Betriebe des übernehmenden Rechtsträgers sich in einem anderen Mitgliedsstaat befinden (§ 5 Abs. 3 MgVG), oder bei einem der beteiligten Rechtsträger in den sechs Monaten vor der Veröffentlichung des Verschmelzungsplans durchschnittlich mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt waren und diese Gesellschaft gem. den Vorgaben des § 2 Abs. 7 MgVG mitbestimmt war (§ 5 Abs. 1 MgVG). In diesen Fällen soll zunächst eine einvernehmliche Verhandlungslösung zwischen den beteiligten Rechtsträgern und den Arbeitnehmern gem. §§ 6 ff. MgVG gefunden werden. Hierzu ist ein Besonderes Verhandlungsgremium (BVG) der Arbeitnehmerseite zu bilden. Scheitern die Verhandlungen oder erklären die Organe der beteiligten Rechtsträger, dass sie auf die Verhandlungen verzichten, gilt die gesetzliche Auffangregelung in den §§ 23 ff. MgVG. Gilt die Auffangregelung, bemisst sich die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft nach dem höchsten Anteil an Arbeitnehmervertretern, der in den Organen der beteiligten Gesellschaften vor der Eintragung der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft bestanden hat (§ 24 Abs. 1 S. 2 MgVG). Die Entscheidung zur Anwendung des »scharfen« Mitbestimmungsrechts kann für die Organe der beteiligten Rechtsträger insbesondere im Hinblick darauf sinnvoll sein, dass nach § 21 MgVG das Verhandlungsverfahren bis zu einem Jahr andauern kann. Die Auffangregelung und somit auch die Möglichkeit zum Verzicht auf die Durchführung der Verhandlungen besteht jedoch nur, wenn mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger einer Mitbestimmungsregelung unterliegen, § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MgVG. Bei einer nachfolgenden innerstaatlichen Verschmelzung richtet sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer grundsätzlich nach den nationalen Regelungen (§ 30 Abs. 1 S. 1 MgVG). Ist aber zuvor durch die grenzüberschreitende Verschmelzung ein »scharfes« Mitbestimmungsrecht importiert worden, kann das »scharfe« Mitbestimmungsrecht erst nach Ablauf von drei Jahren durch ein schwächeres nationales Mitbestimmungsrecht abgelöst werden (§ 30 Abs. 1 S. 2 MgVG). Gem. Art. 16 Abs. 4c VRL können Staaten mit monistischer Unternehmensverfassung in der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht vorsehen, dass die Zahl der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan des übernehmenden Rechtsträgers auf eine Drittelbeteiligung beschränkt wird.

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Unabhängig von der Zuleitungspflicht nach dem Umwandlungsgesetz – in manchen Fällen sogar noch früher als die Unterrichtung nach dem Umwandlungsgesetz – haben Informationen nach dem BetrVG zu erfolgen, um die im BetrVG verankerten Konsultationsverfahren einzuleiten (z.B. § 111 BetrVG). Hier sind insbesondere die Information nach § 80 Abs. 2 BetrVG, die Information und Beratung im Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG sowie Unterrichtung, Beratung und Verhandlung über Interessenausgleich und Sozialplan anlässlich einer Betriebsänderung nach §§ 111 ff. BetrVG zu nennen.

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Wichtige Fragen ergeben sich auch hinsichtlich des Restmandates bzw. Übergangsmandates von Betriebsräten nach erfolgten Umwandlungsvorgängen sowie von mitbestimmungsrechtlichen Folgen bei Spaltungsvorgängen (insbesondere durch die Änderung der Mitarbeiterzahl).[178] Nachstehend soll auf die Fragen nur insoweit eingegangen werden, als sie für den Notar von Bedeutung sind. Das Übergangs- und Restmandat bei Betriebsübergang richtet sich nunmehr nach den §§ 21a, 21b BetrVG, nachdem § 321 UmwG in Umsetzung des Art. 6 der Richtlinie 2001/23/EG vom 12.3.2001 aufgehoben wurde. Durch das Übergangsmandat soll die Kontinuität der betrieblichen Interessenvertretung bei Spaltungen von Betrieben oder Zusammenführungen von Betrieben oder Betriebsteilen gesichert werden. § 21a BetrVG knüpft an die betriebsorganisatorische Spaltung oder Zusammenführung von Betrieben oder Betriebsteilen an, die von den umwandlungsrechtlichen Vorgängen einer Spaltung oder Verschmelzung von Rechtsträgern streng zu unterscheiden ist. Eine Betriebsspaltung oder -zusammenführung kann auch unter dem Dach eines einzigen Rechtsträgers stattfinden. Ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG setzt also nicht zwingend einen Umwandlungsvorgang voraus. § 21a Abs. 3 BetrVG stellt lediglich klar, dass ein Übergangsmandat auch dann – aber nicht nur – besteht, wenn die Spaltung oder Zusammenführung von Betrieben oder Betriebsteilen im Zusammenhang mit einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz erfolgt. Betriebsspaltungen oder -zusammenführungen, bei denen es sich um unmittelbare oder mittelbare Folgen eines Umwandlungsvorgangs handelt, sind in dem Umwandlungsvertrag anzugeben.[179] Das Übergangsmandat besteht bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats in den durch Spaltung oder Zusammenführung entstandenen Betrieben, längstens jedoch für sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung oder Zusammenführung, § 21a Abs. 1 S. 3 BetrVG. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere sechs Monate verlängert werden. § 21a BetrVG greift nicht bei Übergang eines gesamten Betriebes, wenn dessen Identität beim übernehmenden Rechtsträger erhalten bleibt; in diesem Fall behält der Betriebsrat sein Vollmandat. Ein Übergangsmandat greift auch dann nicht, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil in einen größeren Betrieb eingegliedert wird, der seine Identität behält und selbst bereits über einen Betriebsrat verfügt (§ 21a Abs. 1 S. 1 letzter HS BetrVG); in diesem Fall erstreckt sich das Mandat des Betriebsrats des aufnehmenden Betriebs auf den eingegliederten Betrieb oder Betriebsteil. Ein Übergangsmandat greift jedoch dann, wenn der Betrieb oder Betriebsteil mit einem weiteren Betrieb oder Betriebsteil zu einem neuen Betrieb zusammengefasst wird, § 21a Abs. 2 BetrVG. Zu beachten ist, dass die Wahrnehmung von Belangen durch den Betriebsrat ausgeschlossen ist, wenn der übergehende Betriebsteil nicht über die Größenvoraussetzung des § 1 BetrVG (mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind) verfügt, § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG.[180] Das Übergangsmandat bezieht sich nur auf den Betriebsrat, nicht auf den Gesamtbetriebsrat, den Wirtschaftsausschuss oder den Sprecherausschuss.[181] Gem. § 21b BetrVG gilt bei Umwandlungsfällen, in welchen der übertragende Rechtsträger erlischt oder ein Betrieb infolge der Übertragung untergeht, ein Restmandat für den Betriebsrat, dessen Inhalt und Dauer sich nach den mit der Übertragung verbundenen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten regelt (z.B. Aufstellung und Abwicklung eines Sozialplans). Das Restmandat ist gegenüber dem Übergangsmandat subsidiär.

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Ein praxisrelevantes Thema ist auch die Frage der Weitergeltung von Normen aus Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Die Regelung in § 613a Abs. 1 S. 2 BGB, ist eine bloße Auffangregelung, die bei einem Betriebs(teil)übergang nur dann zum Zuge kommt, sofern die Normen aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen nach dem Übergang nicht mehr auf originärer kollektivrechtlicher Grundlage fortgelten können. Betriebsvereinbarungen gelten unverändert kollektivrechtlich weiter, wenn ein Betrieb als Ganzes übergeht. Das Gleiche gilt für Normen aus Gesamtbetriebsvereinbarungen, wenn ein Unternehmen einen einzigen Betrieb auf einen anderen Rechtsträger ausgliedert. Die Normen der Gesamtbetriebsvereinbarung gelten dann als Betriebsvereinbarung weiter.[182] Selbst bei der Ausgliederung eines bislang unselbstständigen Betriebsteils gelten Betriebsvereinbarungsnormen kollektivrechtlich weiter, wenn der Betriebsteil nach dem Übergang als eigenständiger Betrieb geführt wird.[183] Der praktische Unterschied der originären kollektivrechtlichen Fortgeltung zur Auffangregelung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ist evident: Normen einer originär fortgeltenden Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarung gelten nach dem Übergang auch für neu eingestellte Arbeitnehmer; die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB schützt hingegen nur die im Zeitpunkt des Übergangs bereits beschäftigten Arbeitnehmer. Dieser Unterschied kann insbesondere bei Vereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen (z.B. einer betrieblichen Altersversorgung) erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben. Der Geltungsbereich des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB beschränkt sich hinsichtlich der Normen aus Betriebs- und Gesamtbetriebsvereinbarungen somit auf Fälle, in denen ein Betrieb oder Betriebsteil nach dem Übergang nicht als eigenständiger Betrieb fortgeführt, sondern in einen anderen Betrieb eingegliedert wird. Selbst in solchen Eingliederungsfällen gelten die beim übertragenden Rechtsträger einschlägigen Normen dann nicht weiter, sofern sie mit beim aufnehmenden Rechtsträger bereits bestehenden Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen inhaltlich kollidieren (§ 613a Abs. 1 S. 3 BGB).

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Bei Verbandstarifverträgen ist der übernehmende Rechtsträger, der nicht in demselben Arbeitgeberverband Mitglied ist, nicht kollektivrechtlich an diesen gebunden. Die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ist nicht übertragbar (§ 38 S. 1 BGB) und geht auch bei einem Umwandlungsvorgang nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über.[184] Eine kollektivrechtliche Tarifgebundenheit des übernehmenden Rechtsträgers an den Verbandstarifvertrag besteht deshalb nur, wenn der übernehmende Rechtsträger selbst Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands geworden ist (§ 3 Abs. 1 TVG) oder der Verbandstarifvertrag allgemeinverbindlich ist (§ 5 Abs. 4 TVG). Ist der übernehmende Rechtsträger nicht an den beim übertragenden Rechtsträger einschlägigen Tarifvertrag gebunden, kommt die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB zum Zuge. Gehört der übernehmende Rechtsträger einem anderen Arbeitgeberverband an, so gilt der mit diesem geschlossene Tarifvertrag gem. § 613a Abs. 1 S. 3 BGB für die übergegangenen Arbeitnehmer des übertragenden Rechtsträgers nur dann, wenn eine beiderseitige Tarifbindung (aufgrund Mitgliedschaft der Arbeitnehmer bei der am Tarifvertrag beteiligten Gewerkschaft oder Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags) besteht.[185] Die einseitige Gebundenheit des übernehmenden Rechtsträgers an einen anderen Tarifvertrag genügt nicht, um einen Tarifwechsel herbeizuführen. Zudem können die Individualarbeitsverträge Bezugnahmen auf die vom übertragenden Rechtsträger einschlägigen Tarifverträge enthalten. Solche Bezugnahmeklauseln gehören zu den individualrechtlichen Regelungen, in die der übernehmende Rechtsträger nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB eintritt und die ggf. als günstigere Regelung der Anwendung eines beim übernehmenden Rechtsträger einschlägigen schlechteren Tarifvertrags vorgehen können (§ 4 Abs. 3 TVG). Normen eines beim übertragenden Rechtsträger geltenden Tarifvertrags können nicht durch Normen von beim übernehmenden Rechtsträger geltenden Betriebsvereinbarungen abgelöst werden. § 613a Abs. 1 S. 3 BGB begründet nicht die Möglichkeit einer solchen „Überkreuzablösung“.[186]

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Eine Verschmelzung führt bei einem Firmentarifvertrag dazu, dass der übernehmende Rechtsträger aufgrund der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 angeordneten Universalsukzession in die Stellung des übertragenden Rechtsträgers als Tarifvertragspartei eintritt.[187] Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die kollektivrechtliche Bindung an einen Haustarifvertrag auch im Falle einer Ausgliederung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen kann. Da bei der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger weiter existiert, bleibt grundsätzlich auch dessen Bindung an den selbst abgeschlossenen Haustarifvertrag bestehen. Eine Doppelung der Tarifbindung ist nicht möglich. Denkbar erscheint eine ausdrückliche Zuweisung der Tarifgebundenheit im Spaltungsplan[188] Entfällt die kollektivrechtliche Geltung des Firmentarifvertrages, kommt die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 S. 2–4 BGB zum Zuge.

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Folgender Fragenkatalog sollte zur arbeitsrechtlichen Vorbereitung eines Umwandlungsvorgangs zumindest abgeklärt werden:

- Welche arbeitsrechtlichen Betriebe werden bei der einzelnen Gesellschaft geführt?
- Wie viele Arbeitnehmer sind bei der einzelnen Gesellschaft beschäftigt?
- Welche Arbeitnehmervertretungen bestehen (Betriebsräte auf betrieblicher Ebene, Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss auf Unternehmensebene, Konzernbetriebsrat)?
- Ist mit der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eine Änderung der betrieblichen Struktur geplant?
- Welche Gesellschaften sind in welcher Weise tarifgebunden? (Welche aktuellen Mitgliedschaften bestehen in Arbeitgeberverbänden? Gibt es frühere Mitgliedschaften, wann wurden diese ggf. beendet? Gelten allgemeinverbindliche Tarifverträge, Firmentarifverträge oder Ergänzungstarifverträge?)
- Zwischen welchen Gesellschaften bestehen Beherrschungsverträge?
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