Читать книгу Die Zeit, in der die Welt aussetzte - Andreas M. Riegler - Страница 6

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1.

Heftig wird an meinem Arm gerüttelt. So ruhig war es doch. Ich will nicht mehr. Warum kann es nicht vorbei sein?

Ich öffne langsam meine Augen und blicke in das schöne, unschuldige Blau des Himmels. Dort, wo wir uns doch alle etwas von unserem Leben erhoffen. Da oben, wo der Frieden wartet und alles enden wird.

Eine Wolke schiebt sich langsam vor die andere, doch sie ist grau und dunkel.

Der Traum endet. Die Geräusche werden lauter und der hohe Ton der Ruhe leiser.

Mein Kopf schmerzt. Ich möchte doch nicht durch die Erde geschliffen werden, wie ein Sandsack. Ich blicke zur Seite und sehe Erde. Ein paar Grashalme erinnern noch an die wunderschöne Wiese, die hier einst gewesen ist. Lautes Geschrei höre ich von meinem Kameraden. In der Ferne blitzen die Maschinenpistolen auf.

Mein Helm und meine Feldflasche geben ein metallisches Geräusch ab, doch es wird von dem lauten Knallen übertönt.

Da zieht man mich auch an meinem Freund vorbei. Er hat mir einst das Bild seiner Geliebten gezeigt. Er wollte sie nach alldem heiraten. Sein lebloser Blick sieht mir in die Augen. Die Kugeln, die mir gelten, prallen in seinen zerfetzen Körper. All die Toten. All die Krater und all das Blut.

Ich möchte melden, dass mein Herz noch schlägt, doch die Lust hat mich verlassen, die Lust am Leben. Gönne mir doch das Aus.

Seine kalten Finger spüren in mir noch das Leben. Ich verziehe meine Augenbrauen mit einem schmerzhaften Blick des Unwillens, der Hingabe und der Verzweiflung.

Er holt den Splitter der Granate aus meiner seitlichen Brust. Viele dürfte es jedoch nicht getroffen haben, da er mir etwas Aufmerksamkeit schenkt.

Ich widme seinem Gesicht nur wenig Hingabe, da ich nichts verstehe. Er ist zu leise. Ich nicke nur dankbar. Der hohe Ton ist noch immer da und erinnert mich an die Ruhe.

Ich blicke auf das rote Kreuz auf seinem Helm. Das unschuldige Weiß, das das Kreuz hervorhebt ist rot und braun verschmutzt. Rot das Blut und Braun die Erde, wo wir alle enden werden.

Ich bin doch noch da und will nicht wie ein Toter auf dem kalten Boden liegen, der mir meine Wärme raubt. Ich rolle mich zur Seite und sehe dem langen Gang in der Erde entlang. Viele bekannte Gesichter. Die einzigen, für die es sich zu leben lohnt.

Von dem, mit dem roten Kreuz, über dessen Schulter ich meinen Arm gelegt habe, werde ich stützend vorwärts geführt, wo ich mich in die Nähe meiner Kameraden geselle.

Langsam wandert mein Blick den Graben entlang. Alle sind sie tapfere Männer. Alle haben Träume. Jeder hat seine eigene Geschichte und jeder trägt eine andere Welt in sich.

Ich spüre das warme Blut meine Leiste herabrinnen. Doch mein Wille ist stark. Ich möchte all das überstehen. Viel Schlimmeres habe ich doch schon gesehen.

Ich blicke hinüber und kaue an einer halben, trockenen Scheibe Brot, die den Verletzten gereicht wird.

Ein Vordringen war also nicht möglich. Viel zu stark sind die anderen. Vor lauter Wut dem Krieg gegenüber, fangen schon die Tränen an zu laufen, die ich nur mit Mühe zurückhalten kann. Viel zu groß ist der Schmerz der Wunde, viel zu groß ist der Schmerz des Gesehenen.

Wieder stehen uns ein paar Tage in dem kalten Schützengraben bevor. Die Narben des Krieges lassen sich schon sehen. Wieder wird es eine neue geben und es wird nicht die letzte sein.

Die Zeit, in der die Welt aussetzte

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