Читать книгу Atahash - Andreas Michels - Страница 12
8. Kapitel - Drill
ОглавлениеGegen Nachmittag des nächsten Tages nahm Don Ciscos Gesicht vom vielen Schreien langsam, aber sicher eine dunkelrote Färbung an. Seit nunmehr vier Stunden peitschte er die Konquistadoren erbarmungslos durch nicht enden wollende Formationsübungen. Der ehemals glatt weiße Sandstrand war von aberhunderten Fußtritten der Männer zertrampelt worden, doch immer noch schien der Hidalgo alles andere als zufrieden zu sein.
Während die Karibiksonne heiß am Himmel brannte, ließ er abermals antreten. »Das muss schneller gehen, verdammt nochmal! Schließt eure Reihen, Schildträger vor, Hellebardiere dahinter. Schützen bereithalten!«, hallten beständige Rufe über den Strand. Nicht wenige der Männer taumelten inzwischen vor Erschöpfung, als sie zu ihren Positionen hasteten. Alejandro, der zusammen mit Señor Luengo aus einiger Entfernung die Übungen beobachtete, legte den Kopf in den Nacken, um zur Sonne hochzusehen. »Kein verdammtes Lüftchen!«, knurrte er. »Glücklicherweise hat uns diese Flaute nicht schon auf hoher See erwischt!« Der Sekretarius nickte geflissentlich. »Sehr wahr! Wir müssen dem Herrn für seine Gnade danken. Nur einen Tag später…!« Der Escribano musste kaum näher ausführen, was das Ausbleiben des Windes für die leckgeschlagene Sangre de Dios bedeutet hätte.
Alejandro sah wieder zum Strand, wo Don Cisco einige Schildträger ob ihrer Unfähigkeit, korrekte Abstände zueinander einzuhalten herunterputzte.
Luengo lehnte sich etwas in Alejandros Richtung. »Wie kann ein Mann so lange ununterbrochen am Stück brüllen?« Alejandro sah kurz zu ihm herüber. »Cisco hat das Kriegshandwerk noch während der Reconquista erlernt. Und die Mauren waren definitiv ein harter Lehrmeister!« Dann sah er erneut zum Strand. »Ich bin mir sicher, dass er sie recht bald zu anständigen Soldaten schleifen kann.«
Er hob einen Mundwinkel. »Zumindest, falls sie bis dahin überleben!« Als ob Cisco den letzten Teil gehört hätte, befahl der alte Hidalgo in diesem Moment eine Pause. Etliche der Männer sanken herauf einfach da, wo sie standen, in den Sand. Andere schleppten sich in den Schatten der nahen Palmen. Und einige wenige mutige torkelten samt Kleidung und Rüstung in die Brandung, um hier Abkühlung zu finden. Der rotgesichtige Cisco indes kam direkt auf Alejandro zu. Kaum angekommen, wetterte er auch schon los. »Ich schwöre bei Gott, diese Bande treibt mich in den Wahnsinn! Sie können weder Formation halten noch Befehle ausführen, ohne über ihre eigenen Füße zu stolpern! Wie soll das erst im Landesinneren werden?«
Hierauf konnte Alejandro nichts Ermutigendes erwidern, dennoch zwang er sich zu einem Lächeln. »Wir haben lange genug Zeit, um aus ihnen gute Kämpfer zu machen! Und du hast gerade wieder einmal bewiesen, dass du der richtige Mann für eine solche Aufgabe bist!«
Cisco hob die Brauen. »Hat eigentlich jemand unser Wickelkind gesehen?« Alejandro erwog kurz einen Tadel ob der Wortwahl des alten Kämpens, kam allerdings nicht umhin ihm insgeheim zuzustimmen. Dennoch wählte er eher diplomatische Worte für seine Antwort. »Philippe befindet sich im Gouverneurssitz. Er ist etwas unpässlich, wurde mir ausgerichtet!«
Ciscos Stimme triefte nur so vor Hohn. »Unpässlich? Rumgehurt und gesoffen hat der feine Herr, so sieht es aus!«
Nun verengte Alejandro warnend die Augen, was genügte, um den alten Hidalgo einhalten zu lassen. »Ab morgen wird ein anderer Wind wehen!«, knurrte er stattdessen, um sich dann wieder zu entfernen. Wenig Gutes ahnend sah er Cisco hinterher. »Ich fürchte, der Drill ist für heute noch nicht abgeschlossen, wie es aussieht!«, merkte Luengo schließlich überflüssigerweise an.
Alejandro sparte sich die Antwort und verfolgte stattdessen, wie Cisco die müden Männer wieder auf die Beine scheuchte. Nun stand wohl Waffendrill auf dem Plan, den der Hidalgo aber genauso energisch durchführte, wie die vorangegangenen Übungen auch.
Alejandro verfolgte die Vorgänge schweigend, bis er aus Richtung der Siedlung Bewegung gewahrte. Es handelte sich um eine einzelne Person, die auf dem ausgetretenen Pfad langsam näherkam. Schon auf einige Entfernung konnte der Hidalgo problemlos Glöckner, den Sekretarius des Gouverneurs erkennen. Ihm schien die Hitze deutlich zuzusetzen, was Alejandro, ob der schweren Amtstracht des Mannes nicht verwunderte. Dennoch verbeugte der Deutsche sich bei seiner Ankunft tief. »Ihre Exzellenz lässt ausrichten, dass es ihm eine ausgemachte Freude wäre, wenn Ihr und Eure Begleiter heute Abend mit ihm speisen würdet. Es gibt einiges zu besprechen!«
Überrascht verengte Alejandro die Augen. Erst mit dem Nachsatz ergab die Einladung Sinn, denn als seine Gäste würden die Spanier selbstverständlich mit dem Gouverneur speisen. So aber schien es sich um die Vorwarnung zu handeln, dass es wohl ein heikles Thema gab, das der Klärung bedurfte. Alejandro neigte den Kopf. »Richtet Eurem Herrn aus, dass es uns eine Ehre und eine noch größere Freude sein wird, ihm heute Abend zum Nachtmahl Gesellschaft zu leisten!« Erneut verbeugte sich der Sekretarius. »Sehr wohl!« und machte sich anschließend auf den Rückweg in die Siedlung.
Während hinter ihm bereits wieder Ciscos Befehle über den Strand hallten, schlenderte Alejandro in den Schatten einer Palmengruppe. »Ich bin gespannt, um was es geht«, meinte er sinnierend, maß der ganzen Angelegenheit jedoch nur wenig Bedeutung bei. Hätte es sich wirklich um etwas Wichtiges gehandelt, dann würde Brohm kaum bis zum Abend warten.
Eine Weile verfolgte er noch den Drill am Strand, um dann mit hinter dem Rücken verschränkten Armen ebenfalls zurück zur Stadt zu wandern. Den seitlich neben ihm her huschenden Escribano beachtete er kaum, sondern dachte nach. Vielleicht handelte es sich bei dieser Zwangspause um den Willen Gottes? Nicht auszudenken, wenn er mit einem solchen Hühnerhaufen tatsächlich gegen die Götzendiener angetreten wäre. Falls nur ein Teil der Geschichten über die Wildheit der Indios stimmte, dann sollte er wirklich zunächst Cisco noch geraume Zeit in die Ausbildung der Männer stecken lassen.
Beiläufig bemerkte er wenig später das Fehlen von Luengo, der wohl irgendwann nicht mehr hatte mithalten können. Nun stapfte er mit verkniffenem Gesichtsausdruck etwa hundert Meter hinter Alejandro her, was dem Hidalgo einen kurzen Moment der gehässigen Freude bescherte. Tatsächlich beschleunigte er seine Schritte sogar noch weiter, bis er das Tor in der Holzpalisade von Marienhafen erreichte. Kurz blieb er stehen und sah sich um, bevor er, einer Eingebung folgend, den Weg zu der halb verfallenen Kirche einschlug. Denn dies schien eine gute Gelegenheit zu sein, endlich seine Seele mittels der Beichte entlasten zu können.
So kam es, dass er bald darauf durch die schmale Eingangstür der Kirche trat, wo er sich automatisch bekreuzigte. Von innen betrachtet wirkte das Gebäude nicht ganz so verkommen, denn hier gab es auch bei eingehender Betrachtung keinerlei Spuren des Brandes mehr zu sehen.
»Kann ich Euch helfen, Don Alejandro?«, wurde er schließlich unerwartet von der Seite angesprochen. Verwundert wandte er sich um und erblickte Vater Christoph. Der alte Mönch lächelte den Hidalgo freundlich an, um dann den Kopf leicht zu neigen. Alejandro hatte Padre Miguel zu treffen erwartet, aber eigentlich gefiel ihm der Gedanke, die Ereignisse vor zwei Nächten nicht dem aufbrausenden Franziskaner anvertrauen zu müssen. Kurz räusperte er sich. »Ich bin gekommen, um die Beichte abzulegen.«
Christoph faltete die Hände vor dem Bauch. »Ich bedauere es außerordentlich, doch ich bin auf dem Weg zu den Sklavenquartieren, wo ich mich dringend um einen Notfall kümmern muss. Danach stehe ich Euch sofort zur Verfügung!« Alejandro runzelte verwirrt die Stirn. Natürlich durfte ein Mönch andere Aufgaben als die Beichte eines Adligen für wichtiger erachten. Aber dass er ihm gegenüber die Versorgung jener Kreaturen vorzog, überraschte Alejandro doch sehr.
Scheinbar stand ihm diese Verwirrung deutlich ins Gesicht geschrieben, denn der Dominikaner setzte nach. »Sonst kümmert sich hier niemand darum!« Ihm schien eine Idee zu kommen. »Warum begleitet Ihr mich nicht?« Die strahlend blauen Augen Christophs ruhten forschend auf dem Hidalgo, den diese Worte auf dem völlig falschen Fuß erwischten. Abwehrend hob er die Hände. »Ich wüsste keinen Grund dafür!«, erwiderte er eilig, woraufhin sich das Gesicht des Mönchs verhärtete. »Nun, zum Beispiel, weil Eure Männer höchstwahrscheinlich für diesen Notfall verantwortlich sind!«, murmelte Christoph kühl und verschwand durch die Tür ins Freie. Alejandro war zu perplex, um dem Geistlichen zu folgen und verließ die kleine Kirche erst eine ganze Weile später.
Er verbrachte die folgenden Stunden am Strand, wo er nach einem kurzen Gespräch bezüglich der Andeutungen des Dominikaners mit Don Cisco die Männer schliff, bis kaum noch einer von ihnen stehen, geschweige denn Marschieren konnte. Anschließend befahl er abermals Nahkampfübungen, um seinen Untergebenen ganz sicher die Flausen auszutreiben. Zwar wusste er bisher nicht einmal im Ansatz, ob die Männer wirklich etwas angestellt hatten, aber allein die Möglichkeit machte ihn bereits rasend. Entgegen der Absprache mit Cisco übernahm Alejandro die Lektionen nun persönlich. Dabei verteilte er großzügig Blessuren und Schrammen, was ihm mehrere tadelnde Blicke des älteren Hidalgos einbrachte. Die Lacher der Männer konnte er indes auf seiner Seite verbuchen, wenn er wieder einmal einen der ungeschickten Tölpel in den feinen Sand des Strandes schickte.
Die Sonne stand kurz davor, hinter den Horizont zu sinken, als der Hidalgo eine einzelne Gestalt ausmachen konnte, die hastig den Trampelpfad von der Siedlung her auf sie zukam und sich alsbald als Paco entpuppte. So eilig wie er es zu haben schien, gab es wohl etwas Wichtiges. Also kam er dem Lakaien auf den letzten Metern entgegen.
»Don Alejandro!«, keuchte der junge Mann schwer atmend bei seiner Ankunft. »Das Abendessen mit dem Gouverneur beginnt in Kürze! Und Ihr wollt Euch vorher bestimmt noch frisch machen!« Siedend heiß überkam den Hidalgo die Erinnerung. Die Vorladung des Gouverneurs! Er schaute an sich herunter. Er stank, war komplett verschwitzt und an seinen Hosen und Stiefeln klebte der halbe Strand. So konnte er unmöglich bei Tisch erscheinen. Schnell sah er zu Cisco. »Ich nehme an, Ihr seid nachher wieder unpässlich?« Der Ältere nickte knapp. »Ich esse bei den Männern, dergleichen Angelegenheiten sind nichts für mich!«, murmelte er.
Alejandro fasste einen raschen Entschluss. »Gut, dann Schluss für heute, lasst wegtreten! Hoffen wir, dass ihnen die Flausen zunächst einmal vergangen sind. Wahrscheinlich werde ich gleich mehr zu Christophs Andeutungen zu hören bekommen.« Cisco brummte zustimmend und begann kurz darauf entsprechende Anweisungen zu erteilen. Alejandro indes machte sich eilig auf den Rückweg zur Kolonie. Nach einer Weile schaute er Paco von der Seite an, der schweigend neben ihm her schritt. »Hast du irgendetwas aufgeschnappt, warum der Gouverneur heute Abend meine Anwesenheit wünscht?«
Für seinen Geschmack brauchte der Lakai viel zu lange zum Antworten. Offenbar wog er die nächsten Worte sorgfältig ab. »Ich kann leider keinen genauen Grund nennen. Aber ich habe den Eindruck, dass Señor Brohm ziemlich ungehalten ist.« Mehr gab Paco nicht preis, sodass Alejandro beim Erreichen der Residenz des Gouverneurs immer noch im Trüben fischte.
In seinem Raum entkleidete und wusch er sich eilig mit Pacos Hilfe und schaffte es gerade so, rechtzeitig bei Tisch zu erscheinen. Philippe saß bereits an Brohms Seite und schien den Gouverneur bestens zu unterhalten. Eben gab er eine zotige Anekdote vom spanischen Hof zugegen, die der Deutsche mit dröhnendem Lachen quittierte. Etwas abseits saß Luengo, der aber lediglich in seinen Weinkelch starrte.
Ein schneller Blick besagte Alejandro, dass zwei weitere Gedecke auf dem Tisch lagen. Er musste jedoch nicht groß mutmaßen, um wen es sich bei der letzten Person handelte, da direkt hinter ihm Capitán Mendoza den Speisesaal betrat.
Nur wenig später ließ Brohm schon den ersten Gang auftragen. Die Stimmung wirkte gelöst, die Speisen schmeckten hervorragend, auch wenn Alejandro das Essen erneut durchweg fremdartig vorkam. Ihr Gastgeber fühlte sich aber glücklicherweise bemüßigt die unbekannten Speisen zu erklären und ging in gutem Beispiel voran, indem er eine möglichst große Portion von jedem Gericht vertilgte. Der Wein, den es zu allen Gängen gab, schien dieses Mal aus der Heimat des Gouverneurs zu kommen.
Alejandro schaffte es, während des ganzen Mahls gerade einmal einen Kelch herunterzubekommen, so sauer war das Zeug.
Nach dem letzten Gang lehnte sich ihr Gastgeber zurück und Alejandro vermutete zu Recht, dass er nun zum ernsten Teil des Abends kam. »Señores, sie haben sich natürlich schon gefragt, was wohl der Anlass dieser Einladung ist.« Er musterte jeden der Anwesenden der Reihe nach. »Ihre Expedition ist nun seit zwei Tagen vor Ort und leider muss ich bereits etwas beanstanden.« Alejandro runzelte in dunkler Vorahnung die Stirn. Gerade bereute er, nicht energischer bei Christoph nachgefragt zu haben.
»Was genau ist vorgefallen, Eure Exzellenz?« Brohm hielt seinen Becher zur Seite, welcher prompt von einer Bediensteten neu gefüllt wurde. »Heute Morgen erhielt ich von meinen Aufsehern die Information, dass eine Sklavin in der Nacht auf dem Rückweg vom Feld von drei Männern überfallen, zusammengeschlagen und geschändet wurde.«
Für einen Moment herrschte betroffenes Schweigen am Tisch. Luengo ergriff schließlich noch vor Alejandro das Wort. »Weiß man, wer es getan hat?« Brohm antwortete nicht sofort. Er nippte zunächst an seinem Weinbecher, stellte ihn dann ab und faltete die Hände vor dem Bauch. »Nein. Aber ihren Beschreibungen zufolge waren es keine Mitglieder oder Bediensteten des Hauses Welser. Was im Endeffekt die Wahl sehr eng werden lässt.«
Alejandros Gedanken rasten. Das Mädchen musste also von Spaniern überfallen worden sein. Nun machten die bitteren Worte des Dominikaners durchaus Sinn. Er hob hastig eine Hand. »Señor Brohm…«, begann er eilig. »Seid Euch versichert, dieser untragbare Vorfall wird von unserer Seite her vollständig aufgeklärt werden!«
Überraschenderweise winkte der Gouverneur ab. »Ich war noch nicht fertig, Don Alejandro. Ich möchte eigentlich nur eines klarstellen: Es ist im Grunde wenig dagegen einzuwenden, wenn sich Eure Leute etwas Spaß mit einem Sklavenweib gönnen.« Er schmunzelte verschmitzt. »Vielleicht kommt dabei ja sogar ein kleiner Sklave heraus. Ihre eigenen Männer sind in dieser Hinsicht reichlich nachlässig bei der Sache, seit wir sie in die Mine schicken!« Alejandro konnte mit Mendoza und Luengo nur stumme Blicke tauschen, bevor der Gouverneur nun wieder ernster weitersprach. »Aber ich habe ein Problem damit, wenn mein Eigentum von Euren Leuten so misshandelt wird, dass es im Anschluss unfähig ist zu arbeiten.« Nun musterte er die Spanier der Reihe nach. »Es wird immer schwieriger, neue Sklaven aus dieser Gegend zu bekommen und die Vorgaben aus der Heimat sind so schon nur schwerlich zu erfüllen.« Nun wartete Alejandro mit der Antwort lange genug, um wirklich sicher zu sein, Brohm nicht erneut ins Wort zu fallen. Ihm brannte das Gesicht vor Scham, den Deutschen wie ein kleiner Junge vorschnell unterbrochen zu haben. »Wie eben schon gesagt, Eure Exzellenz: Wir werden der Sache nachgehen und die Schuldigen entsprechend bestrafen!«
Unvermittelt gab sich der Gouverneur wieder leutselig. »Gut, tut das. Aber bedenkt, es war nur eine Sklavin… straft sie also für die Beschädigung meines Eigentums, nicht etwa für eine Schändung oder dergleichen!« Bei diesen Worten fuchtelte er mit einer Hand undefiniert in der Luft herum. Alejandro nickte langsam, während er die sich ständig weiter rötenden Wangen seines Gastgebers betrachtete. »Darauf könnt ihr Euch verlassen!«
Der restliche Abend verlief in eher verhaltener Stimmung. Brohm trank stetig mehr von dem furchtbaren Wein und je weiter ihm der Alkohol zu Kopf stieg, umso lauter wurde er. Bald entschuldigten sich Mendoza und Luengo, Alejandro folgte ihnen wenig später. Lediglich Philippe übernahm die Aufgabe, ihrem Gastgeber weiterhin Gesellschaft zu leisten und dabei höchstwahrscheinlich Unmengen des furchtbaren Weins zu trinken, der Alejandro am Ende fast schon würgen ließ. Innerlich dankte er dem jüngeren Hidalgo von Herzen, dass er dieses Los auf sich nahm, denn ein vorzeitiger Abschied aller spanischen Gäste hätte durchaus als Beleidigung gewertet werden können.
Direkt nach dem Verlassen der Gouverneursresidenz nahm er einen energischeren Schritt auf und hielt auf die Unterkunft der Konquistadoren zu. Schon von weitem konnte er schweren, getragenen Gesang hören, unterlegt von übermütigem Lachen. Die stundenlangen Drilleinheiten reichten also nicht aus, um die Männer vom abendlichen Feiern abzuhalten. Gut, das würde er ändern.
Zwar bemerkten die Feiernden sein Erscheinen, aber als er keinerlei Anstalten machte, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, ging das Fest ungezügelt weiter. Die Luft im Lagerhaus roch nach Branntwein und ungewaschenen Leibern. Dazu hing ein dichter Rauchschleier im Raum, der nicht nur von den Lampen herrühren konnte. Einige der Männer schienen schon Tabak in ihre Finger bekommen zu haben.
Alejandro unterdrückte den aufkommenden Hustenreiz und hielt nach Cisco Ausschau. Er fand ihn schließlich in einer düsteren Ecke, wo der Spanier es sich mit einer gerollten Zigarre und einer Bauchflasche Wein bequem gemacht hatte. Mit hochgelegten Füßen sah er ihm ruhig entgegen. »Na sieh einer an!«, begrüßte er ihn mit weinschwerer Stimme. »Was verschafft mir die Ehre Deines späten Besuchs?«
Der Hidalgo nahm zunächst Platz, lehnte mit höflicher Geste die angebotene Weinflasche ab und musterte Cisco dann ernst. Dieser schien zwar angetrunken zu sein, wurde bei Alejandros Worten aber sehr schnell ernst. »Ich fürchte, unsere Männer sind doch noch nicht so ausgelastet, wie wir es vermutet haben!«, begann er, um daraufhin dem älteren Adligen zu erzählen, was er eben von Brohm erfahren hatte. Schon bei den ersten Worten nahm Alejandros Gegenüber die Beine herunter und lauschte mit zunehmend düsterer werdender Miene. »Ich will, dass die Verantwortlichen gefunden werden! Habe ich mich klar ausgedrückt?«, endete er schließlich.
Don Cisco ließ statt einer Antwort den Blick zunächst über die feiernde Menge streifen und nickte langsam. »Ich denke, das lässt sich bewerkstelligen. Und dann?« Nun musste Alejandro erst einmal nachdenken. »Die Wiedergutmachung für den Arbeitsausfall der Sklavin wird ihnen von ihrem Anteil etwaiger Beute abgezogen. Und fünfzehn Stockhiebe für jeden!«, schloss er letztendlich.
Die Überraschung stand Cisco ins Gesicht geschrieben. »Die Männer werden tagelang nicht einsatzbereit sein!«, gab er zu bedenken. Alejandro zuckte lediglich mit den Schultern. »Sie haben gegen den ersten Befehl verstoßen, den ich in der Neuen Welt gab. Wenn sie damit durchkommen können wir genauso gut wieder nach Hause segeln.« Er zögerte kurz und musste für einen Augenblick an Maria, eine der Dienstbotinnen, welche sich ihm in der Nacht ihrer Ankunft so bereitwillig hingegeben hatte, denken. Egal was Miguel davon halten mochte, der Gedanke sie in die Hände solcher Untiere geraten zu lassen, behagte ihm ganz und gar nicht. »Und außerdem: Zu Hause wären sie dafür gerädert worden!«.
Es schien neu aufflammender Respekt zu sein, den Alejandro in Ciscos Augen zu erkennen vermeinte. Der alte Hidalgo stand mit langsamer Bewegung auf und ließ den Blick unheilvoll schweifen. »Ich werde sehen, was ich tun kann!«