Читать книгу Deutsche Außenpolitik des Wilhelminischen Kaiserreich 1890–1918 - Andreas Rose - Страница 11
E
ОглавлениеWilhelm II. von Preußen (1859–1941), von 1888 bis 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen. Als Kaiser wandelte sich die anfängliche Bewunderung für Otto von Bismarcks Politik in ein von persönlichen und inhaltlichen Differenzen um den kaiserlichen Führungsstil, die Grundlinien der Sozialpolitik und die Ziele der deutschen Außenpolitik belastetes Verhältnis, das völlig zerrüttet 1890 in der Entlassung des Reichskanzlers endete. Danach versuchte Wilhelm, die Reichspolitik selbst zu führen. Dies gelang ihm jedoch aufgrund persönlicher Defizite nicht: Sein oftmals unbedachtes, impulsives und rhetorisch ungeschicktes Auftreten provozierte im In- und Ausland ein äußerst aggressives Bild des Kaiserreiches. Das Kaisertum endete am 28. November 1918 mit der Abdankung Wilhelms II. Zuvor hatte Reichskanzler Max von Baden (1867–1929) bereits den Rücktritt „seiner Majestät“ eigenmächtig bekannt gegeben.
Als „persönliches Regiment“ wurde der selbstherrliche Regierungsstil Wilhelms II. nach der Entlassung Bismarcks bezeichnet. Nach Bismarcks Ausscheiden 1890 fehlte dem Kaiserreich die charismatische Führerpersönlichkeit. Die Reichsverfassung war auf Bismarck zugeschnitten. Der junge Kaiser Wilhelm II. wollte zwar „sein eigener Kanzler“ sein, konnte aber das Vakuum letztlich nicht ausfüllen. Bürokratie, Militär und Reichstag verfolgten ihre eigenen Interessen und gewannen zunehmend an Einfluss, sodass sich das angestrebte „persönliche Regiment“ nie verwirklichen lassen konnte. Als Zäsur wirkte insbesondere die Daily Telegraph-Affäre im Herbst 1908. Wieder einmal hatte der Kaiser ein Aufsehen erregendes Interview geliefert, bei dem er sich als „einzigen Freund“ Englands in Deutschland bezeichnete und damit einen handfesten Skandal auslöste. Nach zahlreichen Eskapaden und Einmischungen in die deutsche Außenpolitik schien nun eine Grenze erreicht und Wilhelm II. wurde vom Reichstag wie auch in der Öffentlichkeit massiv kritisiert. Sein Einfluss auf den Kurs der deutschen Außenpolitik nahm von da an spürbar ab. Als „oberster Heerführer“ spielte er im Ersten Weltkrieg lediglich die Rolle eines Schattenkaisers.
Der unfreiwillige Abgang Bismarcks, denn mit Otto musste auch sein Sohn, Staatssekretär Herbert von Bismarck, seine Diensträume in der Wilhelmstraße räumen, markierte fraglos eine entscheidende Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Nachfolger Otto von Bismarcks wurde der außenpolitisch völlig unbedarfte General der Infanterie, Leo von Caprivi.
Georg Leo Graf von Caprivi (1831–1899), Graf seit 1891. Nach der Entlassung Bismarcks wurde der hochdekorierte Offizier Caprivi als Vertreter des wilhelminischen „Neuen Kurses“ zum Reichskanzler ernannt. Fortan kam es zu einer neuen Ausrichtung der deutschen Außenpolitik, die sich vor allem in der Abkehr von Russland und der Hinwendung zu Dreibund und England ausdrückte. In seiner Rolle als preußischer Außenminister und Ministerpräsident strebte er eine Aussöhnung mit der Sozialdemokratie im preußischen Landtag an. Nach Erfolgen bei der Industrialisierung Preußens und in der Heerespolitik stürzte Caprivi 1894 über den Konflikt um die sogenannte „Umsturzvorlage“. Mithilfe der Streichung von Grundrechten sollte sie einen angeblich bevorstehenden Staatsstreich der Sozialdemokratie erschweren.
Wilhelm II. ging es nach der übermächtigen Führungsfigur Bismarcks bei der Kanzlerwahl vor allem um unbedingte Loyalität. Das Auswärtige Amt und seine Diplomaten blieben Caprivi fremd. Auch der Umgang mit dem Ausland interessierte ihn kaum. Obwohl ihm einige Erfolge auf dem Gebiet der Handelspolitik gelangen, geriet er immer wieder in Konflikt mit dem Kaiser und bekam das Auswärtige Amt nie in den Griff. Wohl nicht zuletzt deshalb fiel die Wahl Wilhelms II. als seine beiden nächsten Kanzler wieder auf Karrierediplomaten. Das war zudem ein eindeutiges Zeichen, wie wichtig die auswärtige Politik für Deutschland um die Jahrhundertwende war. 1894 entschied sich der Kaiser zunächst für eine Lösung aus dem Hochadel.
Der bereits 75-jährige Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst sollte nun die Geschicke des Reiches lenken. Aber er galt von Anfang an als Übergangs- und Verlegenheitslösung. Zwar konnte er dem Kaiser aufgrund seiner hocharistokratischen Herkunft selbstbewusster entgegentreten als der Offizier Caprivi, aber er war bereits zu alt, um sich permanent zu behaupten und der deutschen Außenpolitik einen eigenen Stempel aufzudrücken.