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c) Die Wilhelmstraße

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Auswärtiges Amt

Politisches Zentrum des Kaiserreiches blieb auch nach der Ära Bismarck die Wilhelmstraße. Jene Regierungsmeile, die sich von Unter den Linden bis zum Belle Alliance Platz erstreckt und auf der sich unter anderem das Reichskanzlerpalais (Nr. 77), das Auswärtige Amt (Nr. 75/76), der Bundesrat (Nr. 74), das Reichskolonialamt (Nr. 62) und die englische Botschaft (Nr. 70) befanden, und in deren unmittelbarer Nähe auch weitere Regierungsstellen wie das Kriegsministerium (Leipziger Str. 5) bzw. das Reichsmarineamt (Leipziger Platz 13) ihren Sitz hatten. Hier befand sich der politische Raum, in dem die außenpolitische Entscheidungsfindung stattfand.

Das Auswärtige Amt war keine von einem selbstständigen Außenminister geleitete Behörde, sondern es war dem einzigen Minister im Reich, dem Reichskanzler, unterstellt. Gleiches galt für das Reichskanzleramt, zuständig für alle inneren Angelegenheiten des Reiches. Im Alltag wurde der Kanzler in der Leitung des Auswärtigen Amtes durch einen Staatssekretär vertreten. Mit Zunahme der Geschäfte kam es zu einer Ausdifferenzierung einzelner Reichsbehörden.

In der Ära Bismarck war das Auswärtige Amt noch ein vergleichsweise kleiner Apparat, der lediglich über 19 Etatstellen verfügte. Für die eigentliche politische Lenkung der Außenpolitik war neben dem Reichskanzler der jeweilige Staatssekretär als Chef der Politischen Abteilung (Abt. I A), dem Herzstück des Auswärtigen Amtes, zuständig. Von diesen Amtsleitern ragten im Kaiserreich insbesondere Herbert von Bismarck (1885–1890), Bernhard von Bülow (1897–1900), Alfred von Kiderlen-Wächter (1910–1912) sowie Gottlieb von Jagow (1912–1916) heraus. Unterhalb des Staatssekretärs arbeiteten die sogenannten Vortragenden Räte, denen wiederum Hilfsarbeiter und Anwärter zugeordnet waren. Solange Bismarck, unterstützt durch seinen Sohn Herbert als Staatssekretär, die Fäden der deutschen Außenpolitik in Händen hielt, war das Eigengewicht des Amtes relativ gering.

Unter dem außenpolitisch unerfahrenen Caprivi gewann das Amt an Bedeutung, zumal der zum Staatssekretär ernannte Marschall von Bieberstein (1842–1912) als ehemaliger badischer Staatsanwalt ebenfalls keine diplomatische Karriere vorweisen konnte. In der Folge wurde der Vortragende Rat Friedrich von Holstein (1837–1909) als erfahrenster und machtbewusstester Mitarbeiter der Politischen Abteilung zum starken Mann im Amt. Indem er es verstand, sich durch seine diplomatische Expertise und zahlreiche Intrigen auch unter wechselnden Kanzlern unentbehrlich zu machen, wurde er bis 1906 als „graue Eminenz“ zu einer bestimmenden Figur der deutschen Außenpolitik. Holstein steht beispielhaft auch dafür, dass sich nach dem Abschied Bismarcks die Konkurrenz innerhalb des Amtes Bahn brach und verstärkt von unteren Ebenen aus versucht wurde, Einfluss auf den Kurs des Reiches zu nehmen.

Im Ausland wurde Deutschland nach der Reichsgründung von einer ständig wachsenden Zahl von Diplomaten vertreten. 1870 bestand das diplomatische Personal noch aus 60 Etatstellen sowie einer größeren Anzahl von Botschafts- und Legationssekretären. 1874 verfügte das Reich lediglich über vier Botschaften in London, Paris, St. Petersburg und Wien und über 14 Gesandtschaften (Athen, Bern, Brüssel, Den Haag, Konstantinopel, Kopenhagen, Lissabon, Madrid, Rom, Stockholm, Peking, Rio de Janeiro, Washington, Vatikan). Hinzu kamen acht preußische Gesandtschaften innerhalb des Reiches (Darmstadt, Hamburg, Karlsruhe, München, Oldenburg, Stuttgart und Weimar), acht Ministerresidenturen (Bogota, Buenos Aires, Caracas, Lima, Mexiko, Santiago, Tanger, Tokio) sowie sieben Generalkonsulate mit diplomatischem Status (Alexandria, Belgrad, Bukarest, London, New York, Budapest und Warschau). 1914 verteilten sich die inzwischen 103 etatmäßigen Beamten des Diplomatischen Dienstes auf neun Botschaften (London, Paris, St. Petersburg, Wien, Rom, Konstantinopel, Tokio, Washington und Madrid), 23 Gesandtschaften, sieben Ministerresidenturen, 33 Generalkonsulate und mehr als 100 Berufskonsulate. Vor allem das Anwachsen des konsularischen Dienstes weist auf zunehmende Handelsverbindungen in diesem Zeitraum hin.

Zum sozialen Hintergrund der Diplomaten ist zu sagen, dass es sich hier gerade bei den Posten im Ausland ausnahmslos um begüterte Persönlichkeiten handelte, und wie in anderen Ländern auch, war der Adel überproportional vertreten. Die elitären Aufnahmeprüfungen konnten in Einzelfällen umgangen werden, zumal gerade Bismarck die Diplomatie eher als Kunst denn als erlernbares Handwerk begriff. Wie in Frankreich und England, so kamen auch in Deutschland um die Jahrhundertwende vermehrt Stimmen auf, die eine Reform mit dem Ziel einer Professionalisierung des Diplomatischen Dienstes forderten. Zu grundlegenden Reformen kommt es allerdings erst nach dem Weltkrieg.

Deutsche Außenpolitik des Wilhelminischen Kaiserreich 1890–1918

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