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Vorwort

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Völlig verblüfft war ich vor einigen Jahren, als mir im Zusammenhang mit einer Internetrecherche zu einem Projekt an meiner Arbeitsstätte, der Deutschen Schule Belgrad, der Bericht eines gewissen Johann Albrecht von Reiswitz über deutsche Kunstschutzaktivitäten in Serbien während des 2. Weltkriegs virtuell in die Hände fiel. Im Jahre 2012 war ich aus dem nordrhein-westfälischen in den Auslandsschuldienst eingetreten und mehr oder minder zufällig auf dem Balkan gelandet. Als Geschichtslehrer zog mich schon bald die Vergangenheit Südosteuropas in ihren Bann. Gerade in Serbien gibt es enorm viele Versionen der Geschichte der Jahre 1941–1944. Je nachdem, ob ich mit einem Verfechter der Partisanenversion, einem Anhänger der königstreuen Tschetniks, einem Fürsprecher der Regierung Nedić oder einem Vertriebenenvertreter sprach. Der Kunstschutzbericht aus dem Netz verwirrte mich noch mehr, da hier ein Angehöriger der deutschen Militärverwaltung, zumindest seinen eigenen Ausführungen nach, seine Tätigkeit offenbar sehr ernst genommen und zum Wohle Serbiens durchgeführt hatte. Wie konnte das möglich sein?

Ich wollte also mehr über diesen Herrn von Reiswitz herausfinden, doch gab es so gut wie keine Literatur über ihn und den Kunstschutz der Wehrmacht im besetzten Serbien zu finden. Allerdings gelang es mir, seine drei Kinder ausfindig zu machen. Zwei davon leben in Bayern. Beide teilten mir zunächst mit, dass sie mir nur wenig über die Arbeit ihres Vaters in Serbien erzählen könnten. Als ich dann aber im Sommer 2016 Bettina von Reiswitz in München besuchte, fanden sich im Keller ihres Wohnhauses nicht nur reichhaltige Aktenbestände aus der Kunstschutzzeit, sondern auch umfangreiche Privatkorrespondenz ihres Vaters. Ich brauchte nicht lange, um eine Entscheidung zu treffen. Diese Dokumente sollten den Grundstock an Primärquellen für ein Buch über den Kunstschutz in Serbien bilden.

Bei der Bearbeitung der Quellen stellte sich schnell heraus, dass Reiswitz bei Beginn seiner Kunstschutztätigkeit bereits auf lange und vielfältige Jugoslawienerfahrung zurückblicken konnte. Zunächst als Reisender und Liebhaber von Land und Leuten – insbesondere eine junge Dame, die er in Dubrovnik traf, spielte ihren nicht unerheblichen Part. Dann als Wissenschaftler und Ausgräber. Schließlich auch als jemand, der aktiv auf die politische Annäherung von Deutschland und Jugoslawien hinarbeitete. Das Buchprojekt nahm folglich immer mehr biographische Züge an.

Da ich als vollzeitbeschäftigter Lehrer nur in beschränktem Umfang über die Muße verfügte, ein solches Buchprojekt durchzuführen, hielt ich es für eine gute Idee, mich dadurch zu disziplinieren, das Thema an der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Doktorarbeit unterzubringen. München war schließlich auch die spätere akademische Wirkungsstätte von Reiswitz, der ursprünglich in Philosophie promovierte, aber dann zur Geschichte Südosteuropas wechselte. Seit der Veröffentlichung meiner Biographie des irischen Gesandten in Berlin von 1933–1939, Charles Bewley, im Jahre 2000 hatte ich mich nur peripher dem Universitätsbetrieb gewidmet.

Die nun neu gewonnenen Erfahrungen waren zwiespältig. Ich genoss es zum einen, bei den Doktorandenseminaren wieder in die Schülerrolle zu schlüpfen. Zum anderen aber stellte ich schnell fest, dass meine Herangehensweise an die Thematik nicht den Wünschen meiner Betreuerinnen entsprach. Weder die von mir gewählte Methodik, eine Fallstudie mit einer Biographie zu verbinden, noch meine sich mehr und mehr herauskristallisierenden Befunde stellten die beiden Gutachterinnen zufrieden. Ich hatte allerdings noch sehr lange die wohl naive Vorstellung, meine Vorgehensweise und meine Ergebnisse im Rahmen einer Disputation begründen zu können. Doch dazu sollte es nicht kommen.

Im März 2019 reichte ich die Arbeit ein, im Mai bekam ich die Rückmeldung, dass Änderungsbedarf bestehe. Die Umsetzung der gewünschten Änderungen jedoch hätten, davon war und bin ich fest überzeugt, den Inhalt meines Textes und den Gehalt meiner Befunde in eine Richtung gedrängt, mit der ich mich nicht einverstanden erklären konnte. Mein Ergebnis entsprach aber wohl, meines Erachtens, nicht den Erwartungen der Hüterinnen der derzeitigen historiographischen Deutungshoheit. Ich zog die Arbeit zurück.

Um aber dennoch einem interessierten Lesepublikum die außergewöhnliche Karriere eines zum Südosteuropaexperten mit Professur in München gewandelten preußischen Barons nahezubringen, der von offizieller serbischer Seite heute als „Lichtgestalt in deutscher Uniform“ gepriesen wird, machte ich mich auf die Suche nach einem Verlag.

Mein Dank gilt an erster Stelle den Kindern meiner Hauptfigur, Bettina, Christoph und dem kürzlich verstorbenen Stefan von Reiswitz, die meine Arbeit mit Interesse und Hilfsbereitschaft begleiteten, ohne dabei den Versuch zu unternehmen, redaktionellen Einfluss auszuüben. Ferner stehe ich tief in der Schuld meiner Frau Deirdre Roth, die sich der Arbeit in allen Teilen als kritische Korrektorin widmete und sie durch ihr Verständnis und ihre Geduld erst ermöglichte. Auch bei anderen kritischen Lesern möchte ich mich bedanken, besonders bei Dr. Jelena Volić-Hellbusch, Germanistin und Krimiautorin, und bei Georg Spielmann, geschichtsinteressiertem Buchhändler, an deren Urteil bezogen auf die narrative Stringenz meines Textes mir besonders gelegen war. Für stundenlange und kontroverse Debatten in Belgrader Cafés über das Thema Kunstschutz in Serbien schulde ich Dr. Aleksandar Bandović, Kustos am Belgrader Nationalmuseum, viel Dankbarkeit. Und nicht unerwähnt bleiben sollen die aufmunternden Worte, die mir Prof. Lothar Höbelt und Prof. Jörg Baberowski zukommen ließen, als ich dabei war, die Folgen des Bruches mit meinen Betreuerinnen zu verarbeiten.

Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962)

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