Читать книгу Häuptling Schlappschritt - Andreas Safft - Страница 10

Оглавление

Immer gewinnen die anderen

Warum noch kein Lauf schwach genug besetzt für mich war und warum die wahren Konkurrenten in einer anderen Altersklasse zu finden sind.

Ein richtig familiärer Lauf ist einer, bei dem selbst ich die Chance auf einen Medaillenplatz habe. Der Adventslauf in Ebstorf ist so einer, zu dem sich in der Regel nur um die fünfzig Leutchen auf den Zehner trauen. Und weil der Adventslauf sinnigerweise in der Adventszeit stattfindet, lassen es die meisten eher gemütlich angehen.

In meinem allerersten Laufjahr bin ich mit einem guten Dutzend Lüneburgern nach Ebstorf gefahren. Und alle, wirklich alle, sind auf dem Treppchen gelandet. Nur ich hatte wieder die Altersklasse erwischt, in der doch drei Männer nichts besseres vorhatten, als mir am 1. Advent davonzulaufen.

Beim zweiten Versuch ist sogar mein Sohnemann – es war sein erster und bisher letzter Volkslauf – im Jugendlauf auf Platz zwei ins Ziel gekommen, ich in meiner verflucht überlaufenen Altersklasse als Vierter. Erst der dritte Start in Ebstorf bescherte mir wenigstens einen zweiten Platz – mit nur elf Minuten Rückstand auf den Sieger. Die Auswertung eines Zielfotos konnte man sich also sparen.

Eigentlich gibt es nur drei Sorten von Läufern. Die Sorte, die vor allem im Kampf Mann gegen Mann bestehen und gewinnen will. Die Zeitfixierten, die alles für eine neue persönliche Bestleistung tun, die ihre Seele an den Teufel verkaufen oder gar zehn Wochen nach einem Greif-Trainingsplan laufen. Und die Glücklichen, denen Platz und Zeit egal sind.

Sehr viele behaupten letzteres zumindest von sich – und dann sieht man sie doch wieder alle eine Viertelstunde nach dem Zieleinlauf nervös in der Sporthalle herumtrippeln, weil die Ergebnisse immer noch nicht aushängen.

Da ich meine Lauffähigkeiten nicht maßlos überschätze, begrüße ich in der Regel vor einem Volkslauf die durchtrainierten Sportkameraden A, B, C und D aus meiner Altersklasse freundlich und weiß im gleichen Moment, dass es doch wieder höchstens zu einem fünften Platz reichen wird. Dieses Limit nehme ich mittlerweile so gleichmütig hin wie das nasskalte Novemberwetter, das uns in aller Regel Heiligabend erfreut. Aber wenn D mal einen schlechten Tag hat, sich daher kilometerlang in meinem Windschatten ausruht, um dann auf den letzten 400 Metern doch wieder den Turbo anzuwerfen – wer sich da nicht doch ein kleines bisschen ärgert, der hat ganz bestimmt das Zeug, der nächste Dalai Lama zu werden.

Die Sportkameraden A, B, C und D sehe ich in der Regel aber nur bei Volksläufen. Den Alex oder den Jens zum Beispiel sehe ich dagegen ein- oder zweimal pro Woche, weil ich mit ihnen meine Trainingsrunden drehe. Und auch wenn Alex gut zehn Jahre jünger ist und Jens fünf Jahre älter als ich, wir uns also niemals in der gleichen Altersklasse um die billigen Plätze hinter den Cracks balgen werden, sehe ich sie doch insgeheim lieber hinter als vor mir, wenn es ernst wird. Klar freut man sich doch mit ihnen, wenn es beim Trainingspartner so gut läuft. Wäre aber noch schöner, wenn sie sich mit mir freuen würden, oder?

Dabei habe ich es noch niemals auch nur ansatzweise geschafft, mit Alex, Jens oder irgendeinem anderen Laufpartner ein Rennen zusammen zu laufen, auch wenn unsere Bestzeiten sehr nahe beieinander liegen. Auf unserer gewöhnlichen Sonntagsrunde reden wir ohne Punkt und Komma über Fußball, Politik und Unarten von anderen Läufern und finden fast immer schnell ein Tempo, mit dem wir alle leben können. Doch wenn wir eine Startnummer vorm Bauch kleben haben, wird jeder zum Individualisten, der für die Dauer des Wettkampfs ein Schweigegelübe abgelegt hat.

Nur mit Doktor Thomas hatte ich mal das Vergnügen, einen komplett verregneten 30-Kilometer-Vorbereitungswettkampf vom ersten bis zum letzten Schritt zusammenzulaufen – allein hätte jeder von uns beiden wohl spätestens nach der Hälfte aufgegeben. Drei Wochen später wollten wir gucken, wie lange wir uns beim Lübeck-Marathon gegenseitig ziehen können. Nach dem Start drängelten wir uns einmal ums Holstentor – schon hatte ich Thomas aus den Augen verloren und nie wieder gefunden.

Nur eine Geschichte, die muss noch geschrieben werden: die von meinem allerersten ersten Platz. An dem Tag, an dem A krank zu Hause geblieben ist, B lieber den Halbmarathon in Posemuckel lief, C als Helfer einspringen musste und D mich 400 Meter vorm Ziel doch noch nicht ganz erreicht hatte, weil er zwischendurch wegen einer schwachen Blase dreimal in die Büsche musste. Der Tag wird definitiv kommen! Und es wird mir total egal sein, natürlich. Wie egal, werde ich dann sicher mit schlappen 3000 Wörtern in meinem Blog schildern.

Die Letzten werden die Ersten sein (Campuslauf Lüneburg 2007)

Zur Uni geht man, um etwas zu lernen. Zum Beispiel, wie man sich einen Lauf tunlichst nicht einteilen sollte. 55 Minuten hatte ich mir als Ziel für die 10 Kilometer vorgenommen, macht bei acht Runden im Schnitt 6:52,5. All die gestählten Studierenden legten ein Höllentempo vor, als wollten sie sich gesammelt für die Sporthochschule Köln bewerben. Ich lasse mich mitziehen, gucke nach der ersten Runde kreuz und quer über den Campus erschrocken auf die Uhr: glatte sechs Minuten!

Runde sechs. Mittlerweile brauche ich mehr als sieben Minuten. Die Adendorfer Wilhelm und Wilhelm, beide um die 70, passieren mich. Dranheften. Wenigstens das klappt. Ich erreiche das Ziel im Windschatten der Adendorfer. Und zwölf Sekunden vor dem Mann mit dem weißen Käppi, der mich lange gescheucht hat. Kleine Triumphe …

Eine Stunde später im Studio 21. Die ersten Drei jeder Klasse erhalten Präsente – und dann werden die langsamste Frau und der langsamste Mann nach vorn gebeten, bekommen ihre Auszeichung und tosenden Applaus. Ich stehe als 23ster von 29 mit leeren Händen da. Und mit einer Taktik fürs kommende Jahr: ganz langsam beginnen und dann noch weiter abbauen.

Häuptling Schlappschritt

Подняться наверх