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Beim ersten Mal tut’s noch weh

Warum ich mich am Anfang an keiner einzigen Bank vorbeistehlen konnte.

„Eine Reise, tausend Meilen lang, mit einem ersten Schritt fing sie an!“, dichtete Laotse vor gut 2600 Jahren. Tausend Meilen wollte ich bei meinem ersten Laufversuch nicht unbedingt hinter mich bringen – einmal zum Ebensberg und zurück sollte reichen. Überschaubare fünf Kilometer durch ein Wäldchen gleich bei mir um die Ecke, das die allermeisten Lüneburger als Laufrevier noch nicht entdeckt haben. Keine Zeugen also!

Was ich auch nicht hatte, war ein Plan. Ich zog mir die frisch erworbenen Laufschuhe an und einen Trainingsanzug, den ich von Spinnweben und Staub befreien musste, so regelmäßig war der zuvor im Einsatz. Seit vier Wochen hatte ich keine Zigarette mehr angezündet, war seitdem bestimmt dreimal im Fitness-Studio. Was sollte mich also bremsen?

Zum Beispiel die erste Bank, die nach gut einem Kilometer am Weg stand und müde Läufer dazu aufforderte, ein klitzekleines Päuschen einzulegen. Und die zweite Bank – wer ist denn so unverantwortlich und stellt so viele Sitzgelegenheiten im Wald auf? Ich drehte eine kleine Runde durch den Ebensberg, der nicht etwa eine nennenswerte Erhebung darstellt, sondern nur einen Lüneburger Stadtteil, nicht ohne ein-, zweimal zu verschnaufen. Auf dem Rückweg legte ich eine kleine Rast an der zweiten Bank ein. Und an der ersten. Dann war ich fertig. Und wie.

Acht Pausen hatte ich bei angenehm frischem Wetter gebraucht – und ich war trotzdem ausgelaugt wie nach einer Sahara-Durchquerung. Auf die Ausschüttung von Glücks-Endorphinen wartete ich vergeblich. Das hatte eindeutig keinen Spaß gemacht.

Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum ich doch weitergelaufen bin. Oft auf dem Laufband im Studio, halbwegs regelmäßig dazu im Freien. Wenn ich besonders mutig war, lief ich bis zum Sportplatz des TuS Erbstorf. Und zurück über den Heidkoppelweg, den Col du Tourmalet Nordostniedersachsens mit gnadenlosen 30 Höhenmetern (aufgerundet). Nach gut drei Monaten Solosport kam ich auf die Idee: Vielleicht macht das alles doch etwas mehr Spaß mit anderen Bekloppten? Und steuerte den Lauftreff des TuS Hohnstorf an.

Ich fühlte mich bereit für den ersten öffentlichen Auftritt. Auf ging’s also ins idyllische Dorf an der Elbe. Welten trafen hier aufeinander. Die Athleten vom Deich bevorzugten Laufhosen vom Kaffeeröster, ich hatte im Supermarkt zugeschlagen. Die Cracks trugen kurzärmlige Leibchen. Unter meinem geliebten Kapuzenpulli und der Wollmütze fing ich schon an vor Aufregung zu schwitzen, bevor ich den ersten Schritt geschafft habe.

Proud to be black – ich bevorzugte schwarze Kleidung, fast alle um mich herum weiß, blau, rot, orange. Eine Lage ausziehen? Wir haben doch Januar! Auch wenn es fast zehn Grad warm war, drohten doch Frostbeulen und Erfrierungen. Ich ließ alles an und sollte es sehr bald bereuen.

Als mein Laufpartner schälte sich schnell Ortwin heraus. Lehrer kurz vor der Pension, Webmaster des TuS Hohnstorf, ehemaliger Marathon-Läufer und noch so einiges, weswegen uns der Gesprächsstoff nicht ausgehen sollte. Macken diverser Sportler und sonstiger lokaler Prominenz – mit diesen Themen hätten wir auch einen Ironman bestreiten können.

„Geht’s mit dem Tempo?“, erkundigte er sich immer mal wieder.

„Ja“, japste ich. Rennen und reden – eine Doppelbelastung, mit der meine Lunge noch nicht so recht klar kam.

Nach einer ausgedehnten Runde über den Deich und durch die Felder tauchte vor uns die Sporthalle wieder auf. Ein Anblick, gegen den ich absolut nichts einzuwenden hatte.

„Du hättest doch noch schneller gekonnt“, fragte Ortwin.

Ich antwortete wahrheitsgemäß: „War schon ganz okay so.“

Zum ersten Mal hatte ich acht Kilometer am Stück geschafft, war darauf mindestens so stolz wie Albert Einstein auf die Entdeckung der Relativitätstheorie.

Hohnstorf liegt leider nicht gerade bei mir um die Ecke, aber ich suchte und fand bald Gleichgesinnte in Lüneburg. Immer im Spätfrühling schaue ich aber gern beim Deichlauf in Hohnstorf vorbei, nicht nur, weil es der eindeutig flachste Volkslauf im Landkreis ist – wer es die paar Meter hoch zum Deich schafft, hat das Schlimmste schon hinter sich.

Immer wieder begrüßt mich Ortwin mit den Worten: „Im Prinzip bist du ja über uns zum Laufen gekommen.“ Und noch nie habe ich widersprochen.

Häuptling Schlappschritt

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