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Der Sklave meiner Uhr

Warum ich meine eigene Zone immer noch nicht wirklich entdeckt habe und warum vierstellige Zahlen magisch sein können.

Rennen Sie einfach so durch den Wald, ohne Wissen über ihren optimalen Herzfrequenzbereich? Halten Sie die OwnZone für eine englische Bezeichnung der ehemaligen Wochenend-Datscha von Erich Honecker? Hat Ihre Pulsuhr weniger als zwei Dutzend Knöpfe und hundert Funktionen? Sie tragen gar keine Pulsuhr? Sie Glücklicher – dann sind Sie noch nicht Sklave ihres Geräts, dann schaffen Sie noch drei Schritte ohne nervösen Blick aufs Handgelenk. Ich nicht mehr.

Alles fing so harmlos an. Mein altes Steinzeitmodell zeigte brav den Herzschlag und die Laufzeit an – und sonst nichts. Ein bisschen neidisch blickte ich schon auf die Besitzer all der Multifunktions-Chronometer. Präzisionsinstrumente, die bestimmt auch einen akzeptablen Latte macchiato zubereiten oder mit Börsentipps aufwarten können. Aber eines Tages war meine Uhr einfach weg. Ich sah es als Zeichen und bemühte mich um Ersatz.

„Eine Stoppuhr, mit der man auch den Puls messen kann“, begehrte ich kurz und knapp im Laden. Meine letzten Worte vor dem dreiviertelstündigen Vortrag des Verkäufers über diverse Wundergeräte, ihre vielen Vor- und wenigen Nachteile. Faszinierend fand ich das immer wieder lässig eingeworfene Wort „Herzfrequenz-Variabilität“. Erklärung für Doofe wie mich: Verharrt man im trägen Zustand, schlägt das Herz, wie es halt lustig ist, mal nach 0,92 Sekunden, mal nach 0,99 – doch bei einer ganz bestimmten Belastung fällt der Pulsschlag immer gleichmäßiger aus, die Herzfrequenz-Variabilität wird immer geringer. Und da hat man die OwnZone erreicht. Kapiert?

Egal, ich auch nicht. Ich sah die Ermittlung meiner ganz persönlichen OwnZone aber trotzdem als Ticket zum Läufer-Paradies an und hatte nach ein paar Minuten Aufwärmen die Werte: 115 bis 150. Ach. Puls 115 erreiche ich beim gemütlichen Trimmtrab, 150 beim Versuch, Usain Bolt in Sichtweite der Ziellinie zu überholen. Da kann was nicht stimmen.

Noch ein genauer Blick in die Gebrauchsanweisung. Ach so: Ich kann sogar einstellen, ob ich leicht, mittel oder hart trainieren will. (Eigentlich will ich immer leicht trainieren.) Jetzt endlich weiß ich fast immer auf den Pulsschlag genau, welches Tempo ich mir gerade zumuten kann – ansonsten beginnt das Gerät nervös an zu piepsen. Fehlt eigentlich nur noch, dass es unvermittelt einen Stachel herausfährt und in meine Haut rammt, um einen Laktat-Test auszuführen.

Fast schon habe ich mir gedacht: Was soll der Quark? Doch dann leuchtete am Ende des Trainings eine magische vierstellige Zahl auf, die Zahl der Kilokalorien, die ich gerade japsend verbraucht habe. Klasse. Was brauche ich sonst noch an Motivation? Eigentlich nur noch die Umrechnung der Kalorienzahl in Schokoriegel.

PS: Die Polar F11 trage ich acht Jahre später immer noch. Den Brustgurt habe ich längst entsorgt, ein paar Kratzer verzieren das Display. Die Uhr misst keinen Puls mehr, sie kann keine Satelliten finden, keine Durchschnittsgeschwindigkeit errechnen, ist nicht mit irgendeiner Laufcommunity verbunden, ist nicht einmal im Ansatz online. Aber ich nerve sie nicht mehr alle paar Minuten mit nervösen Blicken, sie mich nicht mit einer Datenflut, die ich ohnehin nicht bewältigen kann. Wir vertragen uns einfach gut.

Häuptling Schlappschritt

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