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1995–1997: Die Medien werden aufmerksam

1995

Endlich! Jetzt werden auch die Medien auf das Wacken:Open:Air verstärkt aufmerksam: Über den gerade gegründeten Kölner Musiksender VIVA, und da im Speziellen im Rahmen der Sendung „Metalla“, flimmern Ankündigungen zum diesjährigen W:O:A direkt auf die heimischen Mattscheiben der Headbanger. Und auch die Redakteure des Dortmunder Rock-Magazins „Rock Hard“ zeigen in der Kuhle Präsenz.

Und obwohl sich Holger wieder einigermaßen von seinen Unfallfolgen erholt zeigt, engagiert sich Bauer Uwe Trede, der die Organisatoren in der Leidenszeit der letzten 18 Monate maßgeblich unterstützte und entlastete, weiterhin als „Park- und Campingplatz-Manager“, akquiriert darüber hinaus von den benachbarten Bauern weitere Flächen, um die dringend notwendige Erhöhung der Aufnahmekapazitäten des Veranstaltungsgeländes zu gewährleisten.

Einen kleinen Rückschlag gibt es allerdings bei der Besetzung des Billings: Die Böhsen Onkelz – Wunschkandidaten als Headliner – organisieren in diesem Jahr ihr eigenes Festival in Northeim und sagen für das W:O:A ab. Dafür erweisen sich die schwedischen Gothic-Metaller Tiamat als Glücksgriff: Dank ihres am 10. Oktober 1994 auf Platz 29 in die deutschen Albumcharts eingestiegenen Albums Wildhoney (die Scheibe hielt sich für die damalige Zeit sensationelle neun Wochen in den Albumcharts) gelten die Mannen um Mastermind Johan Endlund auch im Sommer 1995 immer noch als Band der Stunde und bescheren den Organisatoren mit 5.000 Zuschauern einen erfreulich starken Zulauf. Aber auch Szene-Pro­tagonisten wie die dänischen Pretty Maids und ihre Landsleute von D-A-D sowie die brasilianischen Progressive-Metaller Angra gelten unter den Traditionsmetallern als sehenswürdige Attraktionen, während die Fraktion der ganz auf hart programmierten Headbanger das Debüt von Temple Of The Absurd, der neuen Band von Holy-Moses-Frontfrau Sabina Classen, und den Brutalo-Thrashern Hate Squad bestaunen. (Mehr dazu ab Seite 170)

Auch wenn die restlichen Unternehmungen von Stone Castle Promotion – zum Beispiel die organisierten Konzerte im Schenefelder Club High Noon, aber auch die Kooperation mit örtlichen Veranstaltern in Schwerin – nicht unbedingt den Karren aus dem finanziellen Dreck ziehen: Die Kriegskasse vermeldet zumindest keine neuen Löcher.

1996

Zu Jahresbeginn sieht es nicht im Geringsten danach aus, dass sich das W:O:A 1996 zum Wendepunkt in der Wacken-Historie entwickeln würde. Im Gegenteil: Mit den deutschen Trash-Protagonisten Kreator als Headliner hoffte man zwar, das Niveau der Zuschauer wenigstens auf das Level des Vorjahres hieven zu können. Doch noch Anfang Juni stockte der Ticketvorverkauf mal gerade so bei 1.000 Eintrittskarten – ein weiteres Desaster bahnte sich an. Hektisch wird nach weiteren zugkräftigen Acts gesucht, die mit ihrem Auftauchen im Billing den Vorverkauf ankurbeln könnten – auch das Management der Böhsen Onkelz ereilt eine neuerliche Anfrage aus Wacken.

Diesmal erhalten die Norddeutschen zum Glück das Okay aus Frankfurt/Main. Allerdings bereits derart kurzfristig, dass der neue Headliner eher schlecht als recht in der kurzfristig neu organisierten Plakatierung berücksichtigt werden kann.

Dennoch: Knapp 10.000 Schwermetaller zieht es letztlich nach Wacken – das Dorf wird förmlich von den in schwarz gekleideten Gestalten überrannt. Kilometerlange Staus entstehen, in denen sich plötzlich auch neben ganzen Hochzeitsgesellschaften Dorfbewohner wiederfinden, die die verhältnismäßig wenigen „langhaarigen Bombenleger“ dort in der Kuhle bisher kaum zur Kenntnis nahmen. Doch jetzt stehen die 1.850 Dörfler verdutzt in ihren Vorgärten, beobachteten, wie sich eine dunkle Menschenmasse zu Fuß und in fahrbaren Untersätzen Magma gleich der Hauptstraße entlang wälzte – und fragen sich: „Watt’n datt?“

Vor der Bühne das gleiche Bild wie im Dorf: Chaos allenthalben, überall dicht an dicht gedrängte Fans, die es in erster Linie der Onkelz wegen in die Kuhle zog. Doch auch das – ziemlich harte – „Beiprogramm“ sagt den Metallern zu: Allen voran Kreator, die U.K.-Punk-Institution The Exploited, Gorefest und Crematory bieten derbsten Stoff vom Feinsten, während aufstrebende Bands wie einmal mehr Temple Of The Absurd, Theater Of Tragedy und die Holländer The Gathering verstärkt auf sich aufmerksam machen. Und eine weitere Tradition wird 1996 geboren: Der Wacken-Kehraus mit Onkel Tom, der zum Ausklang noch einmal Sauflieder vom Feinsten bietet.(Mehr dazu ab Seite 164)

So schwarz sich die Endabrechnung am 10. August 1996 auch gestalten soll, so schwarz bleibt der Stern, unter dem die „Nebenaktivitäten“ von Stone Castle Promotion stehen. So muss das Duo Hübner/Jensen bereits im Frühjahr erkennen, dass sich im nahen Rendsburg ein weiterer Veranstalter aufschwingt, ein Open Air in der unmittelbaren Nachbarschaft zu etablieren – das „SuperCrash Festival“. Holger und Thomas suchen ihr Heil in der Flucht nach vorne – sprich: auf den Mann zugehen und seine Firma mit der eigenen fusionieren und so in Zukunft gemeinsam an einem Strang zu ziehen, statt sich gegenseitig die Kundschaft abspenstig zu machen. Kaum dass aber die neue Partnerschaft besiegelt ist, müssen die beiden Wackener erkennen, dass das SuperCrash Festival nur rote Zahlen schreibt und sie jetzt einen Partner im Boot haben, der sie nur Geld kostet.

1997

Nach dem großen Erfolg des Vorjahres, der in der Kuhle chaotische Verhältnisse mit sich brachte, musste eine neue Grundsatzentscheidung fallen: Denn es ist abzusehen, dass der Platz – sollten in diesem Jahr auch nur erneut wieder die Zuschauerzahlen aus dem Vorjahr erreicht werden – an bisher bewährter Stelle nicht ausreicht. Doch eine Entscheidung in dieser Angelegenheit wird dem W:O:A-Team quasi abgenommen: Nach dem Ansturm des Vorjahres stellen sich nämlich einige Gemeindeobere quer und legen ihr Veto ein gegen eine weitere Nutzung der Kuhle als Festivalaustragungsort. Aber eine Lösung des Dilemmas ist – dank Uwe Trede – schnell in Sicht: Es wird auf die gegenüberliegende Seite der Straße ausgewichen – eben auf die Koppel von Bauer Trede. Doch auch seine etwa fünf Hektar reichen für die gesamte Logistik nicht aus. Trede unterstützt das Duo Hübner/Jensen mehr denn je, indem er sich um die Akquirierung weiterer Flächen von benachbarten Bauern kümmert. (Mehr dazu ab Seite 00)

Seit 1997 übernimmt zudem Thomas Hess, der im Vorjahr als Tourmanager der Böhsen Onkelz wie ein Fels in der Brandung ruhig Blut bewahrte und somit maßgeblich dazu beitrug, dass das Chaos nicht überhand nahm und das Festival bis auf die Verkehrssituation nahezu komplikationslos über die Bühnen lief, die Produktionsleitung. Zudem wirkt in diesem Jahr erstmals Thomas Freundin Sheree mit, sorgt im Backstage-Bereich für das leibliche Wohlergehen der Musiker, V.I.P.s und Journalisten.

Und last, but not least: Eine dritte Bühne wird etabliert – die W.E.T. Stage. „W.E.T.“ steht dabei für „Wacken Evolution Tent“ und soll Newcomern und Bands ohne Plattenvertrag eine Plattform bieten, sich mit den „Großen“ direkt zu messen und ihrerseits eine realistische Standortbestimmung vornehmen zu können. Und schließlich lassen sich auch immer mehr Talente-Scouts der Plattenfirmen in Wacken akkreditieren – die so ihrerseits vielleicht die neuen Super-Stars von Morgen entdecken.

Als musikalische Attraktionen räumen insbesondere Motörhead und Rage mit dem Lingua-Mortis-Orchester, gestandene Recken wie Overkill, Sodom, Tank, Raven und U.D.O. ab. Doch auch neuere Acts präsentieren sich hier das erste Mal: HammerFall, die gerade ihr Debüt Glory To The Brave veröffentlichten, gehen dabei nach 45 Minuten Spielzeit die Songs aus; die norwegischen Black-Metal-Protagonisten Dimmu Borgir präsentieren sich das erste Mal außerhalb ihrer Heimat, und die Mittelalter/Folk-Rocker Subway To Sally demonstrieren eindrucksvoll ihre Mischung aus mittelalterlichen Weisen und Hard Rock – alle drei Bands legen hier in Wacken in diesem Jahr den Grundstein für ihre weltweiten Karrieren.

Zum Aufreger jedoch avancieren Rock Bitch – eine Sex-Kommune weiblicher Möchtegern-Musikerinnen, die nahezu nackt auftreten und mit allerlei auf der Bühne praktizierten Sexspielchen über ihr arg überschaubares musikalisches Talent hinwegtäuschen. Da die Chicks mit ihrer Hardcore-Show selbst bei den eigentlich offenen Holländern nicht im Rahmen des Dynamo Open Airs auftreten durften, spricht sich ihr zweifelhafter Ruhm schnell nach Deutschland herum – und drängen zu ihrem Auftritt derart viele Fans in das Party-Zelt, dass dort tumultartige Zustände herrschen. Der gordische Knoten wird von den Veranstaltern gelöst, indem die Mädels auf die große Bühne umgebucht werden – und Subway To Sally in das Party-Zelt. Und schon hat das W:O:A seinen ersten Eklat … (Mehr dazu ab

Seite 195)

Im Endeffekt können Holger, Thomas und Sheree – sie verstärkt das Duo ab sofort und entlastet die Beiden bei organisatorischen und administrativen Arbeiten – ein durchweg positives Resümee ziehen: Der neue Platz und die neuen Strukturen haben sich bewährt; das Festival fand mit über 10.000 Zuschauern einen noch größeren Zuspruch als im Vorjahr. Frohen Mutes schauen die Drei dem neuen Jahr entgegen …


Die Onkelz live in Wacken 1996. © Christine Besser


Pressekonferenz von Rockbitch 1997. © Rita Mitzkatis

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