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1. Pluralismus

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Der gemeineuropäische Befund, wonach die praxisorientierte Dogmatik die Pflicht und darüber hinausgehende Fragestellungen die Kür in der Verwaltungsrechtswissenschaft bilden, erscheint nur zukunftsträchtig, wenn die Kür, wie in jeder guten Vorstellung, als unerlässlich begriffen wird. Aldo Sandulli zeigt anschaulich, dass die italienische Verwaltungsrechtswissenschaft der juristischen Methode nicht nur ihre Bedeutung, sondern auch ihren Niedergang im 20. Jahrhunderts verdankt. Sie vermochte neue Fragestellungen, Methoden und Wissensbestände kaum zu integrieren, so dass sie ihre Leitfunktion zunehmend verlor.[148] Sabino Cassese brachte in diesen Forschungskontext durch die intensive Rezeption angloamerikanischer Verwaltungsrechtswissenschaften und deutscher Organisationssoziologie ab den siebziger Jahren einen belebenden Innovationsschub ein, ähnlich wie in Deutschland ab den neunziger Jahren Wolfgang Hoffmann-Riem und Eberhard Schmidt-Aßmann. Für den Erfolg dieser Weiterung der Verwaltungsrechtswissenschaft ist es entscheidend, diese Öffnung disziplinintern zu etablieren, ohne dabei die dogmatische Arbeit zu beschädigen.

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Für die Sichtbarkeit einer nationalen Verwaltungswissenschaft im europäischen Rechtsraum wird es vor allem auf grundbegrifflich ausgerichtete dogmatische Arbeit sowie die interdisziplinär und theoretisch ausgerichtete Forschung ankommen. Anwendungsorientierte dogmatische Beiträge zu Einzelfragen insbesondere des mitgliedstaatlichen Rechts, das Gros der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Arbeit, ist hingegen in der Regel so eng mit dem spezifischen nationalen Rechtsmaterial verwoben, dass sie nur schwer zu rezipieren sind. Neben der dogmatischen Betrachtungsweise bedarf es wirkungsorientierter, aufgabenbezogener und nicht zuletzt kritischer Betrachtungsweisen des Verwaltungsrechts, die nicht nur mit technisch-juristischer Begrifflichkeit, sondern auch mit Skalierungen, Leitbildern, Typologien sowie einer Vielzahl von Methoden und Interessen arbeiten. Diese Pluralisierung hat transformatorischen Charakter: Danach bestimmt sich nämlich die Verwaltungsrechtswissenschaft nicht mehr über eine einzige Methode;[149] ein neokantianischer Wissenschaftsbegriff passt nicht mehr auf sie. Die Pluralisierung greift so die überkommene Identität des Faches an. Es soll nicht der einzige Angriff sein.

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