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a) Konsolidierung der rechtsakt- und rechtsschutzbezogenen Dogmatik
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Mit den Mitteln einer im Wesentlichen normativ orientierten Rechtsdogmatik erfolgte der Ausbau der „alten“ Bundesrepublik zum teilweise schon als hypertroph kritisierten Rechtsschutzstaat.[75] Die Perspektive von Verwaltungsgerichten und Verwaltungsrechtswissenschaft richtete sich vornehmlich auf isolierbare Rechtsakte,[76] die nach Maßgabe subjektiv-öffentlicher Rechte einer justiziellen Kontrolle zugeführt und hierbei der Maßstäblichkeit der Verwaltungsrechtsordnung unterworfen wurden. Eine solchermaßen rechtsschutzzentrierte Betrachtung legte den Akzent auf das in den Rechtskreis des Bürgers hineinwirkende staatliche Entscheidungsergebnis, weniger hingegen auf das vorgängige Verfahren und die interne Organisation des Entscheidungsträgers. Im Mittelpunkt standen die materiellen Gesetzesprogramme in Form von Eingriffsermächtigungen und Anspruchsnormen,[77] die Rechts- und Handlungsformen der Verwaltung, punktuelle Regelungen des Verwaltungsverfahrens sowie das Verwaltungsprozessrecht. Das einschlägige positive Recht wurde im Wege juristischer Interpretation und Begriffsbildung strukturiert und erschlossen, durch Ausbildung dogmatischer Figuren, Institute und Grundsätze[78] aufbereitet, gelehrt und angewandt. Schwierigkeiten bereitete der formgebundenen Denk- und Arbeitsweise die Verarbeitung von Innovationen, etwa des Phänomens der Planung, das sich nicht ohne weiteres in die überkommenen Kategorien fügte und zur Ausbildung eines eigenen Planungsrechts führte.[79] Anpassungsleistungen erforderte auch das Zusammentreffen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Gestaltungselemente, zuvörderst im Subventionsrecht, die Expansion der gesetzlich unterbestimmten Leistungsverwaltung,[80] das weite Spektrum administrativer Rechtsetzung,[81] die polygonale Struktur von Verwaltungsrechtsverhältnissen, die Bewältigung technischer und ökologischer Risiken mit hoher Prognoseunsicherheit,[82] das verstärkte Aufkommen informalen Verwaltungshandelns in Form von Warnungen, Empfehlungen und Absprachen[83] sowie die zahlreichen Erscheinungsformen von Privatisierung und schließlich Europäisierung im Bereich der Verwaltung. Summa summarum ließen sich die neu auftretenden Problemstellungen mit einer offen gehandhabten juristischen Methode kleinarbeiten, zumindest aber lokalisieren und illustrieren, indem der normative Bezugsrahmen durchaus kreativ, sei es in Form der Zweistufentheorie,[84] der Rechtsverhältnislehre,[85] des Verwaltungsakts mit Drittwirkung,[86] der Scheidung von Innen- und Außenrecht, Verfahrensfehlerfolgenlehre[87] oder Privatisierungstypologien[88] den Veränderungen in der Verwaltungswirklichkeit anverwandelt wurde. Größere Krisen wollen Vertreter der „alten“ Verwaltungsrechtswissenschaft rückblickend weder erkennen, noch erscheint ihnen die erreichte Gestalt ihrer Wissenschaft „grundsätzlich oder umfassend defizitär“.[89] Das seit 1980 wohl erfolgreichste Lehrbuch des Fachs bildet von einem entsprechenden Verständnis des Verwaltungsrechts als dem „Inbegriff der [...] Rechtssätze, die in spezifischer Weise für die Verwaltung [...] gelten“,[90] seinen Gegenstand rechtsdogmatisch ab, nicht ohne eine „gewisse Zurückhaltung gegenüber neuen Entwicklungen“ attestiert zu bekommen.[91] An der Vorgabe „Rechtswissenschaft ist zumindest systematisch oder sie ist nicht“ (Hans Julius Wolff) wird ausdrücklich festgehalten.[92]