Читать книгу Christmas Eve - Angelika Nickel - Страница 14
Оглавление12 Seufzen in der Nacht
Laura ließ sich Badewasser ein, nahm Emmas Buch und stieg in die vollgefüllte Wanne. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen, und dachte über all das Gehörte, seit ihrer Ankunft an diesem Ort, nach. Dass das Haus in der einen Nacht abgebrannt sein sollte, um am nächsten Tag wieder völlig unversehrt da gestanden zu haben, das konnte und wollte sich Laura einfach nicht vorstellen. „Wenn sie Recht damit hätten, würde das heißen, dass in diesem Haus nichts mit rechten Dingen zugeht. Nein, das kann nicht sein.“ Laura betrachtete das Buch, das, nach Emmas Worten, sie ein klein wenig von dem Haus ablenken sollte. Sie las den Titel. Nach einem Blick auf die Inhaltsangabe war sich Laura nicht sicher, ob dies unbedingt ein Buch war, das sie auf leichtere Gedanken bringen würde. Immerhin ging es um einen Serienmörder, der Frauen über Frauen ermordete, laut der Inhaltsangabe. Laura zögerte anfangs, doch dann begann sie damit, in dem Buch zu lesen.
Mit einem sollte Emma Recht behalten: Laura war recht schnell vom Inhalt des Buches dermaßen gefesselt, dass sie ihr Badewasser erst dann verließ, als sie zu frieren anfing.
Mit dem Buch unterm Arm ging sie nach unten. Mit geübtem Handgriff warf sie eine Wolldecke auseinander, holte sich ein Glas Wein und kuschelte sich auf die Couch, neben sich das Buch. Sie schlug es auf und las an der Stelle weiter, an der sie im Bad aufgehört hatte, zu lesen. Nach mehr als der Hälfte, flüsterte sie, völlig in den Bann des Buches gezogen: „Oh mein Gott, ich weiß, wer der Mörder ist.“ Als sie das Buch zur Seite legte, graute bereits der Morgen und Laura hatte nichts von den Geschehnissen des nächtlichen Treibens bemerkt noch, mitbekommen.
Weder hatte sie die vielen Fliegen bemerkt, die aus dem dunklen Keller, in die Küche hinein geflogen waren noch, hatte sie das Seufzen, das aus ihrem Zimmer gedrungen war, gehört. Auch nicht das leichte Zittern und Klingen der Glöckchen auf dem Dachboden, waren ihr aufgefallen. Noch hatte sie das Beben des Hauses gespürt, das kurz nach Mitternacht die Mauern des alten Gebäudes erzittern gelassen hatte.
Nur Vivaldi war unruhig im Haus hin- und hergegangen gewesen, hatte die Fliegen angeknurrt und winselnd den Schwanz eingezogen gehabt, als sie ihn umringt und surrend um seine Ohren geflogen waren, sich auf sein Fell gesetzt und ihn schlimmer gestochen hatten, als Flöhe es taten.
Verängstigt und mit eingezogenem Schwanz hatte er Schutz bei Laura gesucht gehabt, der, gefesselt von ihrem Buch, selbst Vivaldis Angst entgangen gewesen war.
Nichts von all den Geschehnissen, weder das Seufzen in der Nacht noch, sonst irgendetwas, hatte Laura bemerkt gehabt, so sehr war sie von Emmas Roman gefangen genommen gewesen.