Читать книгу Christmas Eve - Angelika Nickel - Страница 4

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2 Das einsame Haus

Laura pausierte drei Tage in Salem. In einer spärlichen Dorfgaststätte mietete sie sich für diese drei Tage ein Zimmer. Vivaldi war kein weiteres Problem, da der Besitzer der Gaststätte nebenbei noch Hundezüchter war, und es ihn von daher nicht störte, dass sie einen Husky mit auf ihr Zimmer nahm.

„Er darf nur die anderen Gäste nicht belästigen, Mam“, erklärte er ihr, doch damit war für ihn das Thema Hund auch bereits erledigt.

Gemeinsam mit Vivaldi durchstreifte sie eine alte Filmstadt, die schon lange nicht mehr fürs Filmen genutzt wurde.

„Wenn ich Sie wäre, würde ich es mir gut überlegen, ob ich die alte Filmstadt besuche. Es gibt Leute, die behaupten, dass es in ihr spuken soll“, hatte sie Roger Watt, der Besitzer der Gaststätte, in der sie wohnte, gewarnt, bevor sie sich zu der alten Stadt aufgemacht hatte.

„Ich werde mich vorsehen“, hatte Laura geantwortet, und es war ihr sogar gelungen, ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

Die Filmstadt lag einsam und verlassen da.

Ein Teil der Stadt sah aus, als wären hier die Western mit John Wayne zustande gekommen, wieder andere erinnerten an Krimikulissen.

Eine der Straßen sah öde und tot aus. Die meisten Häuser waren in sich zusammengefallen. Nur ein Haus stand noch, ganz alleine und einsam am Ende der Straße.

Laura nahm Vivaldi an die Leine und ging auf das Haus zu. Je näher sie kam, desto mehr hatte sie das Gefühl, als würde sie beobachtet. Sie drehte sich um, doch niemand war da. Niemand hinter noch vor ihr. Sie schüttelte den Kopf. „Alles nur Einbildung“, sagte sie sich, und ging zielstrebig auf das Haus zu.

Der Vorgarten war verwildert, ein Baum durch einen Blitzschlag zerstört worden, so dass sich seine toten Äste gekrümmt zu Boden neigten.

Laura stieg die Stufen zur Veranda des Hauses hoch. Bei jedem ihrer Schritte knarrte die Holztreppe, als wollte sie jeden Moment unter ihren Füßen zusammenbrechen.

Die Tür war offen und schlug klappernd gegen den Türrahmen. Als Laura das Haus betrat, sah sie nicht, dass sich im Stockwerk darüber, die Gardine bewegte.

Im Haus hing ein muffiger Geruch. Abgestanden. Es roch, wie ein Haus miefte, das schon lange nicht mehr bewohnt war.

Laura sah sich um. Die Diele war groß, der Teppich von den Motten zerfressen.

Sie lief weiter zum Wohnzimmer, sah hinein. An der einen Wand stand eine alte Standuhr. Laura lächelte. Sie stellte sich vor, wie es gewesen sein musste, als die Uhr noch zu jeder Stunde ihren lauten Glockenschlag hatte ertönen lassen.

Sie lief die Treppe zum nächsten Stockwerk hoch. Wieder knarrten die Stufen unter ihren Schritten.

Eine Tür schlug laut zu. Laura erschrak. Sie verlangsamte ihren Schritt. Am Ende der Treppe angekommen, sah sie sich um. Am Flurende stand ein Fenster offen und kalter, eisiger Wind drang herein.

„Da haben wir den Grund fürs Türzuschlagen“, sagte sie erleichtert zu Vivaldi. „Wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen, dass, außer uns beiden, hier noch jemand ist.“ Sie ging auf die Tür zu, die sich ihr am nächsten befand. Langsam öffnete sie sie. Feiner Geruch nach Wäschestärke erfüllte den Raum. Das Zimmer sah aus, als wäre es gerade gesäubert worden. Kein Staubkörnchen war zu sehen.

Auf einem kleinen runden Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Laura lief darauf zu. Die aufgeschlagene Seite war handbeschrieben. Eine steile Schrift, die auf einen erfolgsorientierten Menschen schließen ließ, füllte die Seiten aus. Laura blätterte darin. Nirgends stand ein Name des Verfassers. Laura war sich nicht sicher, ob es sich bei dem Buch um ein Tagebuch oder ein handgeschriebenes Manuskript handelte. Kurzentschlossen steckte sie es in ihre Tasche. Sie war sich sicher, dass niemand das Buch jemals vermissen würde.

Danach verließ sie das Haus wieder. Auch dieses Mal sah sie nicht, wie im oberen Stockwerk, in dem Zimmer, in welchem das Buch gelegen hatte, sich die Gardine aufs Neue bewegte.

„Jetzt endlich bekomme ich die Möglichkeit …“, stöhnte eine geisterhafte Stimme, in der Erleichterung mitschwang.

Augen, die Laura nicht sah, und ihr dennoch erneut das Gefühl gaben, beobachtet zu werden, sahen ihr zu, wie sie davonlief, durch all die Straßen, bis hin zu ihrem Wagen. Beobachteten, wie sie das Buch in ihren Jeep legte, um gleich darauf mit ihm davonzufahren.

Augen, die so weit sehen konnten, sehr viel weiter als das menschliche Auge in der Lage war.

Christmas Eve

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