Читать книгу Christmas Eve - Angelika Nickel - Страница 9

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7 Omas Wollstube

Die Türglocke läutete so leise, als wäre sie des Läutens im Laufe der Jahre müde geworden.

Zusammen mit Vivaldi, betrat die junge Frau den kleinen Laden. Wohlige Wärme hüllte sie auch gleich ein. Die Wärme tat ihr gut, nach all der Kälte im Freien. Sie öffnete ihren Mantel und nahm den Schal ab.

Auch wenn der Laden nicht das war, was sie suchte, so hatte sie sich dennoch dazu entschlossen, ihn zu betreten. Möglicherweise konnte der Inhaber des Ladens ihr sagen, wohin sie gehen musste, um einige Artikel Weihnachtsdekoration, zu bekommen. Langsam ging sie weiter in den Laden hinein. „Hallo? Ist da jemand?“, rief sie, nachdem niemand auf das Läuten des Glöckchens reagierte.

„Bin gleich da. Einen kleinen Moment noch“, kam es zurück. „Sehen Sie sich schon einmal um“, forderte eine ältere Frauenstimme, Laura auf.

Laura sah sich um. Rings um sie herum waren Regalfächer mit Wolle befüllt. In einer kleinen Nische standen alte Milchkannen, aus denen Stricknadeln herausragten. Weiter hinten war eine Tür offen. Laura ging darauf zu, und wagte es sich, hineinzusehen. Im Zimmer dahinter saß ein Junge, vielleicht elf Jahre alt, und las.

Eine gebückt gehende alte Frau kam den Flur entlang. Als sie Laura sah, rief sie: „Kommen Sie rein, wir beißen nicht. In unserem Dorf sehen wir das nicht so engstirnig. Bei uns darf man auch hinter die Geschäftsräume sehen.“

„Guten Tag. Entschuldigung, dass ich hier einfach so eindringe.“

„Kein Grund zur Entschuldigung. Wie ich schon sagte, in unserem Dorf nehmen wir’s nicht ganz so genau. Kommen Sie, folgen Sie mir in die Küche.“ Sie schnupperte. „Riechen Sie das? Meine Plätzchen. Muss sie erst herausholen, sonst verbrennen sie noch. Danach habe ich Zeit, mich um Sie zu kümmern.“ Sie winkte Laura, um dass sie mit ihr kommen, ihr folgen sollte.

Laura nickte und folgte der Frau in die Küche.

„Rufus, wirst du wohl gefälligst Guten Tag sagen, wenn Fremde unseren Laden betreten.“ Die Ladenbesitzerin warf einen strengen Blick zu dem Jungen am Tisch hin. Doch der ließ sich nicht weiter stören. Zu interessant war das, was er am Lesen war. Er konnte seine Augen dem Buch lassen.

An Laura gewandt, brummte die ältere Frau: „Das müssen Sie verstehen. Normalerweise ist er nicht so. Aber er hat lange auf dieses Buch gewartet. Und jetzt, da er es endlich hat, legt er es einfach nicht mehr aus der Hand.“ Liebevoll strich sie dem Jungen durch sein dichtes dunkelbraunes Haar.

„Aber das macht doch nichts“, antwortete Laura, mit einem verständnisvollen Blick auf den Jungen, der nun endlich zu ihr herübersah, ihr kurz zunickte, um sich auch gleich wieder, seinem Buch zu widmen.

„Er ist eben, wie er ist. Einer seiner Vorfahren muss eine Ratte gewesen sein. Wie sonst sollte er sich zu solch einem Bücherwurm entwickelt haben.“

„Eine Ratte? Ich verstehe nicht …“ Laura sah die ältere Frau verwundert an. Ob sie senil ist?, überlegte sie, doch als die Frau ihr antwortete, musste sogar Laura lachen, und schämte sich, ihrer Gedanken wegen.

„Nun ja. Rufus, er ist eine Leseratte. Deswegen, das mit den Vorfahren. Ist ein Witz, zwischen ihm und mir. Zudem“, sie zwinkerte dem Jungen zu, „hält er sich sogar eine Ratte als Haustier; von daher liegt der Gedanke doch gar nicht einmal so fern.“

„Was liest du, wenn ich dich das fragen darf?“, erkundigte Laura sich, interessiert. „Ich lese auch gerne, und auch viel, wenn es meine Zeit erlaubt.“

Der Junge hob den Kopf. Strahlend nannte er ihr den Buchtitel.

„Das ist doch von dieser bekannten Kinderbuchautorin. Ist erst vor einer Woche rausgekommen, und natürlich habe ich es Rufus auch sofort kaufen müssen. Soll der erste Band von insgesamt drei sein, glaube ich“, erklärte die alte Frau.

„Ja. Ist spannend. Will und Jacob …“

Laura legte den Finger auf den Mund. „Wenn es derart spannend ist, Rufus, solltest du mir besser nichts verraten. Wer weiß, vielleicht möchte ich dieses Buch irgendwann einmal, selbst lesen.“

Verwundert schaute Rufus auf. „Du? Bist du nicht schon viel zu alt für solche Bücher?“

Laura schüttelte den Kopf. Immerhin, als begeisterte Leserin, sagte ihr der Name der Autorin natürlich etwas. Sie besaß einige ihrer Bücher und hatte auch eine DVD, von einer Trilogie, die verfilmt worden war.

„Wie oft muss ich dir noch sagen, Rufus, dass man Fremde nicht mit Du anspricht!“, ermahnte die ältere Frau den Jungen.

Laura lächelte sie an, gleich darauf zwinkerte sie verschmitzt, Rufus zu. „Aber das macht doch nichts. Ganz so alt bin ich ja nun auch noch nicht. Wie alt bist du, Rufus?“

„Dreiviertelzwölf“, antwortete der Junge, ohne sich beim Lesen, unterbrechen zu lassen.

„Rufus!“ Die ältere Frau hob mahnend ihren Zeigefinger.

„Ist ja schon gut, Oma. Ich bin elf. Aber nicht mehr lange. An Silvester habe ich Geburtstag, da werde ich zwölf.“

„An Silvester? Das ist aber toll. Da werden ja jedes Jahr für dich Raketen abgefeuert.“ Laura setzte sich zu Rufus an den Tisch.

„Das sagt Oma auch immer.“

„Tja, deine Oma weiß, wovon sie spricht.“ Laura tat es gut, endlich wieder auf andere Gedanken zu kommen. Zumal Rufus auf sie einen sehr symphatischen Eindruck machte.

„Ich bin seine Uroma. Aber das macht nichts. Mich nennen ohnehin alle Oma. Selbst die Leute im Ort. Deswegen auch der Name meines Ladens, Omas Wollstube.“ Die Urgroßmutter wandte sich ab. Eilig lief sie zum Backofen und holte das Blech mit den Weihnachtsplätzchen aus dem Ofen. „Das war knapp.“ Sie sah Laura an. „Sie sehen aus, als würden Sie eine Tasse Kaffee gut vertragen können.“

„Gerne. Danke.“ Laura zog den Mantel aus und hängte ihn über die Stuhllehne.

„Und du, Großer, möchtest du ein bisschen Wasser schlappern?“ Oma strich Vivaldi über den Kopf. Sie gab dem Hund Wasser, danach setzte sie sich mit, an den Tisch. „Der Kaffee ist gleich fertig.“

„Danke.“

„Sind Sie neu im Dorf, oder befinden Sie sich nur auf der Durchreise?“, erkundigte sich die ältere Frau.

„Uns beide hat der Schneesturm überrascht, so dass wir gezwungen waren, Halt zu machen und uns ein Quartier zu suchen.“ Laura tätschelte Vivaldi, ohne den Blick von Rufus‘ Urgroßmutter abzuwenden.

„Tatsächlich? Wo, sind Sie abgestiegen? Soweit ich weiß, gibt es seit Jahren in unserem Dorf keine Übernachtungsmöglichkeiten für Fremde.“

„Ich bewohne zurzeit das Haus, am Ende des Dorfes.“

Das Gesicht der alten Frau versteinerte. „Wo sind Sie abgestiegen? Dort hinten, dort in dem Haus?“

„Ja. Was ist so schlimm daran?“, fragte Laura verwundert, nachdem der entsetzte Gesichtsausdruck der alten Frau, nicht aus ihrem Gesicht verschwand.

„Hab’ ich mich eigentlich schon vorgestellt?“, lenkte die Urgroßmutter, von Lauras Frage ab. „Ich bin Emma Green. Ich gehöre, seit ich denken kann, in dieses Dorf. Ganz selten, dass ich von hier einmal rausgekommen bin.“

„In dem Haus soll es spuken, sagen die Leute“, sagte der Junge, ohne den Blick zu heben.

„Rufus!“

„Aber, Oma, wenn es doch stimmt. Auch Opa Sam hat das gesagt. Und du weißt es auch“, verteidigte Rufus sich.

„In welchem Haus spukt es?“, fragte Laura, und es kam ihr vor, als würde sich eine eiskalte Hand auf ihren Rücken legen.

„Na, wo schon. In dem Haus, in dem du wohnst.“ Rufus schaute verunsichert zu seiner Uroma hin. „Wenn es doch aber stimmt, Oma.“

„Niemand kann sagen, ob es stimmt, Junge. Es sind“, sie suchte nach Worten, während sie Laura fast entschuldigend ansah, „nichts weiter, als Gerüchte. Gerede, von Leuten, die nichts Besseres zu tun haben, als solche Geisterkamellen in die Welt zu setzen.“

„Aber, Oma, du selbst hast dich doch erst letzte Woche mit Opa Sam darüber unterhalten, dass seit einiger Zeit nachts wieder Geräusche von dem Haus kommen würden.“

Emma Green hustete verlegen. „Nun ja, ich wollte Opa Sam nicht enttäuschen, deshalb …“

„Bitte, Mrs. Green, versuchen Sie nicht, mir etwas vorzuenthalten. Wenn es Gerüchte um das Haus gibt, dann wäre es gut, wenn Sie mich sie wissen ließen. Immerhin, ich habe vor, dort einige Tage zu bleiben.“ Lauras Blick lag bittend, auf Emma Green gerichtet.

„Ich weiß nicht …“ Emma stand auf. Holte Tassen, Zucker und Milch und stellte alles zusammen, auf den Tisch. Anschließend nahm sie die Kaffeekanne von der Maschine und befüllte die Tassen. „Für dich, Rufus, nur halb Milch, halb Kaffee. Wie immer. Ohne Ausnahmen.“

„Ach, Omi …“

„Nein. Wie immer!“ Sie stellte die Kanne zurück. Setzte sich und sah Laura nachdenklich an. „Ich wüsste nicht, was es bringen sollte, wenn ich Ihnen von den Gerüchten erzähle. Es würde Sie nur unnötig in Angst versetzen. Und wozu? Immerhin, Sie haben diese Nacht, allem Anschein nach, unbeschadet in dem Haus verbracht. Von daher …“ Sie winkte ab. „Nein, ich glaube nicht, dass Sie dort ernstlich in Gefahr sein werden.“

Als Laura etwas erwidern wollte, ging das Türglöckchen, und ein alter Mann rief: „Emma? Rufus? Seid ihr da? Habt ihr schon die Neuigkeit gehört, dass seit gestern, jemand in dem Spukhaus wohnt?“ Sam McLoyd betrat die Küche und hielt verschreckt inne, als er Laura sah.

Emma stand auf, zeigte auf den letzten freien Platz am Tisch. „Setz‘ dich, Sam. Du willst doch sicher auch einen Kaffee.“

Sam nickte nur. Sprachlos schaute er Laura an. Er konnte den Blick einfach nicht, von ihr abwenden, obwohl Emma deswegen, sich immer wieder laut räusperte und ihren Blick zwischen ihm und der jungen Frau, hin und her wandern ließ.

„Ich bin Laura Mac Allister. Ich bin es, die seit gestern in dem Haus, am Ende des Dorfes, wohnt.“

„Das habe ich schon befürchtet. Gleich, als ich Sie hier, bei Emma, sitzen sah.“ Der Mann schluckte. Im Nachhinein hätte er sich auf den Mund schlagen können, dafür, dass er, ohne zu wissen, ob Oma Besuch hatte, mit der Neuigkeit herausgeplatzt war.

Laura lächelte schwach. „Sehe ich derart furchterregend für Sie aus, Mister …“

„Sam. Sam McLoyd. Aber sagen Sie einfach nur Sam zu mir. Das tun alle.“

„Danke, Sam.“ Laura sah ihn und anschließend Emma an. „Bitte, erzählen Sie mir mehr über Haus.“

Christmas Eve

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