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Mordgeflüster

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Vielleicht war es zu früh, vielleicht sollte er warten. Doch er war es leid. Wieder und wieder hatte er sich kurz vor seinem Ziel geglaubt und immer wieder war ihm die allumfassende Macht, der endgültige Sieg in letzter Sekunde entrissen worden. Die Dunkelheit hatte ihn verschlossen, fest im Griff. Doch was konnte sie ihm schon anhaben? Die meisten Menschen glaubten das Grauen entspränge aus der Finsternis und sie hatten Recht. Was sollte die Dunkelheit ihm schon anhaben können, wenn er selbst ein Geschöpf ihrer war? Er trug den Namen des Dunklen. Er war der Schatten. Im Stein erschien er unerreichbar und somit gebannt. Er schien verschmolzen mit der Nacht und doch war er noch immer da und er war gefährlich. Sie alle hatten gedacht, dies sei sein Gefängnis, sein unbarmherziges Ende, seine Strafe auf ewig in Ketten zu liegen. Ein gurgelnder Laut drang aus seiner rabenschwarzen Kehle. Wie sie sich doch alle getäuscht hatten. Seine erste vermeintliche Niederlage, sein Gefängnis war doch letztlich sein größter Triumph. Niemals hatte er damit gerechnet die Quelle seiner wachsenden Macht hier zu finden. Wie töricht sie doch alle sein mussten nicht zu bemerken, welches tödliche Spiel er begonnen hatte. Dieses Mal würde er alle seine Gegner vernichten, einen nach dem anderen. Er würde jedes Tröpfchen Blut aus ihnen herauspressen bis ihre faltige leblose Hülle vom Wind davon getragen wurde. Der Zwischenfall in der Orbis-Höhle war ärgerlich aber nichts weiter als Zeitrauben gewesen. Er hatte Zeit, doch für seine Feinde wurde sie allmählich zur Gefahr. Er hatte gelernt wie er die Seelen der Menschen manipulieren konnte. Es war nicht schwer, viele von ihnen wehrten sich nicht einmal, zu groß war die Angst. Die stärksten unter ihnen machte er zu seinen Boten und bis jetzt schienen sie gute Arbeit zu leisten. Es würde ihn Kraft kosten sich wieder aus dem Stein zu befreien, aber darum musste er sich erst mal keine Sorgen machen. Zuerst galt es abzuwarten. Seine Anhängerschaft wuchs täglich. Manchmal brauchte es eine kleine Demonstration seiner Macht, ein Opfer, um die Menschen wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Doch bis jetzt hatten sich nur einzelne aus der Masse erhoben. Der Rest tanzte, tanzte wie Marionetten an ihren Fäden. Selbst das Orakel und seinen ehemaligen Diener Enago hatte er fest im Griff. Sie waren so schwach, besaßen wenig Willensstärke. Er rief nach ihnen, rief ihre Namen und lockte sie somit immer weiter in den Abgrund. Er raubte ihnen den Glauben an die Vernunft, sein Flüstern war Folter auf eine ganz eigene Weise. Das erste Mal, als er sich in ihren Köpfen eingenistet hatte, hatten sie noch krampfhaft versucht sich zu verteidigen, des Wahnsinns Stimme nicht zu verfallen. Aber es war vergeblich. Dieses Mal hatte er gewonnen, das wusste er. Ihre Körper zuckten nur noch beim Klang seines Zischens. Er spürte wie ein Rest sich noch wehrte, doch die Angst seiner Opfer wuchs und es machte sie allmählich verrückt. Wo sich die schöne Seherin aufhielt vermochte die Höllenbeste nicht zu sagen. Trotz seiner neu erlangten Macht, hatte er sie nicht finden könne. Ihr Verstand war demnach immer noch klar, des Wahnsinns feste Klaue noch weiter entfernt davon sie zu packen. Vielleicht hatte sie ihre Gefährten verlassen. Der Schatten stieß einen kehligen Laut aus. Es war besser so. Sie gab Enago Kraft, gab ihm Mut und genau das war es, das er zerstört hatte. Zwei von ihnen gehörten ihm fast. Das ständige Zischen, sein Flüstern und Rufen machte sie verrückt. Mittlerweile hatten sie versucht Barrieren dagegen zu errichten – vergeblich. Weder der Verzicht auf Schlaf, noch die Trance konnte sie mehr retten. Die einzige, die ihm noch gefährlich werden könnte war die Todes Tochter. Er wusste, dass sie ihn hören konnte, seine Rufe trafen sie mit der gleichen Heftigkeit wie ihre Gefährten. Dennoch, sie schien ihm mit einer Gleichgültigkeit zu ignorieren, die ihn zornig machte. Ihre Seele verbannte ihn aus ihren Gedanken. Doch umso länger der Schatten über seine Feindin und ihre letzte Begegnung nachdachte, desto merkwürdiger erschien sie ihm. Seit ihrem ersten Kampf schien sie sich sehr verändert zu haben. Etwas stimmte nicht. Er konnte es an ihren Augen sehen, was sie geworden war und er war sich dessen nicht sicher, was er davon halten sollte. Bevorzugte er eine Gegnerin, die für die Freiheit und das Leben der Erde einstand oder bot ihm der Tod selbst eine vorteilhaftere Perspektive? Seine weißen Augen zuckten in ihren Höhlen, doch sie erblickten nichts als Dunkelheit. Etwas war mit ihr geschehen und letztlich kam er zu dem Entschluss, dass es ihm nicht gefiel. Die Art wie sie mit ihm gesprochen hatte, die Art wie sie gekämpft hatte. Der Schatten musste sich selbst eingestehen, dass sie ihren Namen nun mehr als verdient hatte. Und genau das beunruhigte ihn. Was, wenn sie sich als Bedrohung herausstellte? Ihre Seele war vergiftet, das war gewiss, aber er war es nicht gewesen, der sie manipuliert hatte. Seine Fratze verzerrte sich zu einem Grinsen. Er wünschte er wäre es gewesen. Vielleicht aber bot ihm dieser Fluch auch den entscheidenden Vorteil. Schon lange war es ruhig um ihn herum gewesen und er hatte sich immer wieder gefragt, ob die Gefährten aufgegeben hatten. Vielleicht war die Todes Tochter nicht mehr auf ihn fixiert, war in einer Art Rausch, in dem sie sich vollkommen selbst verlor. Es wäre ihr zu wünschen. Dann würde ihm nichts mehr im Weg stehen. Dann hätte er gesiegt. Ein Zischen drang aus seinem mit kleinen scharfen Zähnen gespicktem Mund. Ein Wispern drang aus seinem Rachen. Er würde sie alle bekommen – als ein Flüstern in der Nacht.



Todestag

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