Читать книгу Stationen einer Liebe - Anna-Sophie Wagner - Страница 5
Kapitel 2
Оглавление„Mama“, rief Mia heute zum wiederholten Male. Sie war krank und einfach nicht fit. Wobei Susanne, sie so wie heute, noch nie erlebt hatte. Mia war unruhig, weinerlich und zickig. So langsam fing Susanne an, sich Sorgen um ihre Tochter zu machen. Was die Kleine auch beschäftigte - ab 18 Uhr hatte sie Dienst im Luna´s. Die Arbeit dort war gut, weil sich die Bar im gleichen Haus wie ihre Wohnung befand. So konnte sie das Babyphone mitnehmen und auf diese Weise arbeiten, ohne Mia richtig allein lassen zu müssen. Mist – ihr Kopf wird immer heißer, dachte Susanne. Fieberthermometer, wo habe ich das nur? Ah, da ist es! So mal sehen. Oh je, 40,2°!
Susanne und die zweijährige Mia, wohnten allein. Vormittags besuchte Susanne Vorlesungen fürs Jura-Studium, nachmittags arbeitete sie als Notariatsangestellte im Bezirksnotariat. Nach der Krippe kümmerte sie sich dann um Mia. Mit ihrem Jura-Studium wollte sie fünf Jahre als Rechtsanwältin arbeiten und danach Notarassesorin werden, um dann später als Notarin arbeiten zu können. Wenn sie erst mal Notarin war, würde es für sie und Mia auch leichter werden, bestimmt. Zumindest hoffte sie das.
Während der Woche, half sie ihrem Vermieter – Bernd - zwei- bis dreimal abends in der Bar aus. Das Geld konnte sie sehr gut gebrauchen. Den Rest der Zeit, war sie mit Nacharbeiten für das Studium, oder mit Haushalt und Kind beschäftigt. Das alles war guter Stress. Irgendwie brauchte sie diesen straffen Zeitplan, das pushte sie. Und so war sie in der Lage das alles unter einen Hut zu kriegen.
Sie war sechsundzwanzig Jahre alt. Mia´s Vater hatte sich, direkt nachdem Susanne ihm von der Schwangerschaft erzählt hatte, aus dem Staub gemacht und nie mehr blicken lassen - geschweige denn Verantwortung für seine Tochter übernommen.
Susannes Eltern lebten im Allgäu und somit etwa zwei Stunden entfernt. Deshalb waren sie und Mia meistens allein auf sich gestellt. Einzig und allein ihr Bruder Stefan, Pate von Mia, wohnte nur eine Stunde von ihr und half Susanne wo er nur konnte. Und manchmal sprang auch Eva, Susannes beste Freundin, ein.
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Andreas, Martin und Thomas waren inzwischen an der Uni angekommen. Markus hatte noch Vorlesung gehabt. Aber er wollte sich die Party natürlich nicht entgehen lassen. Und dann kam er auch schon. „Na wie ist es gelaufen – ihr Weißkittel?“ „Geht so“, sagte Tom. „Also bestanden Tom, oder?“, neckte Markus ihn. „Warum denkt ihr das denn immer alle?“ „Weil du dich immer schlecht gefühlt und dann gut abgeschnitten hast“, sagte Andreas mittlerweile gelangweilt von der Leier. „Wohin jetzt?“, fragte Tom um abzulenken. „Kommen die Mädels auch?“, wollte Markus wissen. „Markus, die Mädels kommen vielleicht nach. Und Tom, wir gehen ins Luna´s.“, antwortete Martin. „Also los“, sagte Markus.
Als die vier im Luna´s angekommen waren, war es dort schon ziemlich voll. Nur noch ein Tisch auf der rechten Seite vom Eingang war frei. Das wird eng, wenn die Mädels noch kommen, dachte Markus. Die Tische im Luna´s waren in O-Form gestellt, so dass in der Mitte die Kellner gut alle Tische erreichen konnten. Andreas und Thomas setzten sich mit dem Rücken zur Wand, so dass sie in das Innere des O und die Tür sehen konnten. Martin und Markus setzten sich mit Gesicht Richtung Wand.
Andreas schaute sich um. Er fand, dass das Luna´s mit seinen gelben Wänden und daran hängenden Blechbildern eine kleine aber gemütliche Bar war. Er schaute weiter zur Theke. Sonst half hier donnerstags immer noch eine Kellnerin. Heute konnte er nur Bernd, den Chef des Ladens, sehen. Wo ist sie nur, dachte er bei sich. Hoffentlich arbeitet sie noch hier, wir waren schon so lange nicht mehr da. Andreas hatte immer noch auf die Theke geschaut. Als seine Augen zurück zum Tisch wanderten, traf ihn Martins wissender, durchbohrender Blick. Und bei Markus war ein verschmitztes Grinsen zu sehen. Als könnten sie seine Gedanken lesen. Verdammt!
Neben ihm war ein Handy zu hören. Tom´s! Wahrscheinlich Miriam, Jurastudentin aus Frankfurt, die neue Freundin. Da noch mal ein Handy. Martins! Irgendwie hatte Andreas den Verdacht, dass es da seit neuestem eine Frau im Leben seines besten Freundes gab. Aber dieser ließ einfach Nichts raus! Andreas sah, dass Markus schon Blickkontakt zu den beiden Mädels am Nebentisch aufgenommen hatte. Rechts von ihm war ein Pärchen ständig am Knutschen. Ihm wurde gleich übel. Ehrlich – was war nur mit allen los?
Er, Andreas, war der Meinung, dass es nur die eine Richtige geben konnte, die zu einem passte. Außerdem hatte er jetzt keine Ambitionen eine Beziehung zu führen. An die „große Liebe“ glaubte er sowieso nicht, dass war wissenschaftlich nicht zu erklären. Außerdem war erwiesen, dass die Ursache für dieses ganze Liebesgedöns nur die erhöhte Ausschüttung der Hormone Oxytocin und Dopamin ist. Was allerdings zugegebenermaßen eigenartig war, war die Tatsache, dass er seit zwei Jahren immer an ein und dieselbe Frau dachte. Aber das hatte sicherlich Nichts zu bedeuten. Das eigentlich Komische in dieser Angelegenheit aber war, dass er nicht wie sonst, diese Dame einfach abschleppen konnte. Irgendetwas hielt ihn zurück – fast so etwas wie eine Schüchternheit – er konnte sie einfach nicht ansprechen. Total untypisch für ihn. Aber auch das hatte bestimmt nichts zu bedeuten, dachte er bei sich.
Auf jeden Fall war sie heute hier nicht zu sehen. Aber was würde ihr Erscheinen für einen Unterschied machen? Er konnte sich ja ohnehin nicht überwinden, sie anzusprechen. Und da fühlte er schon wieder Martins Blick. Der machte ihn noch wahnsinnig. Er kennt mich einfach zu gut, dachte Andreas bei sich. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass er hier raus musste – an die frische Luft – eine Rauchen. Und so stand er auf und lief nach draußen.
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Zehn vor sechs – Susanne musste noch mal Fieber messen bei Mia. … 40,2, immer noch! Das Fieber sank einfach nicht. Mia schlief jetzt. Heute würde sie alle halbe Stunde zu ihr hoch schauen – egal wie sauer Bernd war.
Bernd, ihr Chef und Vermieter, war ein richtiger Choleriker. Immer wenn ihm etwas widerstrebte, konnte man das frühzeitig an der Färbung seines Gesichts erkennen. Er war ein kleiner untersetzter Mann mit grauen Haaren.
Als Susanne unten in der Bar angekommen war, traute sie ihren Augen nicht. Um sechs schon alle Plätze besetzt. Und das gerade heute, dachte sie bei sich. Sie ließ ihren Blick über die Gästeschar gleiten. Ganz vorne sah sie, natürlich die Stammgäste Sandra, Peter und Philipp. Sie waren jeden Donnerstag da. Am Tisch daneben saßen zwei junge Mädels – ziemlich aufgetakelt – wahrscheinlich auf Männerfang. Daneben fand Susanne Jens und Paul sitzen – die idealen Opfer für die Mädels am Nebentisch. Konnte interessant werden, dachte sie bei sich. Ganz hinten rechts, war der Club der Rennradfahrer. Ihrer Meinung nach, alle von sich selbst überzeugte junge Studenten, sehr darauf bedacht, dass sie auch jeder Frau als absolut sportliche und leistungsfähige Partner ins Auge stachen. Sie ließ ihren Blick nach links schweifen. Ah, Paula und Rike waren auch da. Die beiden mochte sie. Sie waren eigentlich fast jeden zweiten Abend hier. Manchmal hatten sie noch ein paar Mitstudenten oder -studentinnen dabei. Heute waren sie allein und in ein ziemlich wichtig erscheinendes Gespräch über die „sportlichen“ Männer am Nebentisch vertieft. Susanne schaute weiter. Ah, da war die, Clique Medizinstudenten. Die hatte sie schon länger nicht mehr gesehen. Wenn sie ins Luna´s kamen, dann waren sie meistens zu siebt. Vier Jungs und drei Mädels. Heute schienen sie extrem gut gelaunt zu sein. Am Tisch direkt vor der Theke saß ein Pärchen – anscheinend ganz frisch verliebt – wie zusammengewachsen. Puhh, dass würde auf jeden Fall ein anstrengender Abend für sie werden.
„Was stehst du hier so rum? Los, sieh zu dass du die Getränke aufnimmst und an die Tische kriegst – Zeit ist GELD!!!“ Bernd! – Der, hatte heute wieder blendende Laune! Susanne nahm die Bestellungen der ersten drei Tische rechts auf – neun Personen auf einmal waren heute einfach das Maximum. Die Radler würde sie dann mit Rike und Paula machen. Danach die Mediziner und das Liebespaar. Sie machte sich gerade daran Bernd zu helfen, die neun Getränke ihrer ersten Bestellung einzuschenken, als das Babyphone einen ziemlichen Ausschlag hatte. Sie musste dringend zu Mia. Bernd würde ausrasten. Egal. Schnell machte sie sich auf den Weg nach oben zu ihrer Wohnung.
Mia saß weinend und glühend rot im Bett. „Mein Schatz was ist denn?“ „Ich habe so Durst Mami!“ „Warte ich bringe dir gleich etwas! Leg dich wieder hin.“ Susanne machte sich daran, Mia ein Glas Tee einzuschenken. Danach ging sie wieder zu ihr und nahm sie ganz fest in den Arm. Sie musste unbedingt noch mal Fieber messen. „40,4 – das auch noch – gestiegen!“ Lange konnte sie jetzt nicht mehr warten bis sie einen Arzt aufsuchte. „Fieberzäpfchen“, sagte sie vor sich hin. Sie verabreichte Mia das zweite für heute. Dann gab sie ihr Tee zu trinken – danach schlief Mia vor lauter Erschöpfung gleich wieder ein. Susanne zog sie um, weil sie komplett nass geschwitzt war und machte noch schnell kalte Umschläge auf die Beine. „Mein Mäuschen in einer halben Stunde sehe ich wieder nach dir!“, flüsterte sie ihr ins Ohr und gab ihr einen Kuss.
Unten in der Bar angekommen, war sie durch die Gesichtsfarbe von Bernd – schon mal gleich vorgewarnt. „Wo warst du so lange, denkst du ich bezahle dich fürs Nichtstun? Los bring die Getränke an die Tische und nimm die Bestellungen auf. Und setz dir ein motivierteres Gesicht auf! Da denken die Gäste ja du hättest keine Lust sie zu bedienen!“, sagte er sehr deutlich.
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Martins Blick hatte auf Andreas geruht, - als dieser sich plötzlich fluchtartig erhob und nach draußen ging. Meine Güte, so konnte das echt nicht weiter gehen, dachte er. Jeder wusste, dass Andreas total verschossen war, in diese Kellnerin - Susanne – nur Andreas eben selber nicht. Weil, wie waren noch mal seine Worte? Weil so etwas ja wissenschaftlich überhaupt nicht zu erklären war und er außerdem keine Frau brauchte und wenn dann nur um Spaß zu haben. So etwas wie Liebe gibt es ja sowieso nicht, hatte er zu Martin gesagt. Es machte Martin langsam wahnsinnig! Natürlich gab es keine Liebe, wenn man es nicht mal bemerkte, wenn sie einem eine Ohrfeige gab. Sie mussten sich was einfallen lassen. Und er wusste auch schon genau was. Markus hatte er schon eingeweiht. Jetzt noch Tom. „Hey Tom, du hast doch sicherlich mitbekommen, wie unser Doc hier zu dieser Kellnerin, Susanne“, zwischenzeitlich war sie hinter der Theke aufgetaucht, „steht, oder?“, fragte ihn nun Martin.
„Ich bin mir nicht sicher Martin, wie denn?“ „Oh Mann, du bist auch so ein Kandidat! Er ist total verschossen in sie und will es einfach nicht wahrhaben! Deswegen müssen wir jetzt was machen und ihm den Schritt des Bekanntmachens erleichtern – verstehst du?“ „Und was bitteschön sollen wir da machen Martin?“ „Ganz einfach, - warte ich erzähle es dir….“ „Findet ihr das fair?“, verlieh Tom seinen Bedenken Ausdruck. „Was heißt hier fair – ich finde das hilfreich!“, antwortete Markus. „Außerdem werden wir nicht mehr allzu oft hier sein, was bedeutet, so viele Chancen kriegt unser Freund Andreas nicht mehr!“, sagte Martin. „Ich kann das nicht – Erstens, fühle ich mich dann schlecht Andreas gegenüber und Zweitens, hintergehe ich doch nicht Miriam!“, sagte Thomas. „Meine Güte jetzt reiß dich mal zusammen! Wir ziehen das durch, basta!“ entschied nun Martin.
Thomas musste nachdenken. Früher waren die besten Zeiten von ihm und Andreas, die Partys am See vor Andreas Elternhaus. Sie hatten immer die hübschesten und angesagtesten Mädels am Start. Und manches Mal hatten sie Andreas Eltern zur Verzweiflung gebracht. Andreas wurde in dieser Zeit nachgesagt, er könne jedes Mädchen glücklich machen. Und alle waren sie total verschossen in ihn. Aber Andreas ging es nur um den Spaß. Er wollte sich mit festen Beziehungen noch Zeit lassen. Und jetzt vor allem. Während des Studiums waren Frauen absolut tabu für ihn, das wusste Thomas. Sein Freund wollte unbedingt Arzt werden, das war immer schon sein Ziel gewesen. Dafür war dieser bereit alles zu geben. Nicht, dass Andreas nicht weiterhin auch auf der Uni massenhaft Chancen gehabt hätte. Seiner Meinung nach, sah er wirklich sehr gut aus.
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Am liebsten würde er gar nicht mehr hineingehen. Es machte keinen Spaß dort, wenn sie nicht da war. Verdammt, welche Gedanken hatte er denn da? Er war Wissenschaftler, Mediziner – wach auf Andreas, sagte er zu sich selber. Er warf seine Zigarette auf den Boden um sie auszumachen und ging zurück in die Bar. Seine drei Freunde schienen sich ziemlich ernst zu unterhalten – komischerweise verstummten sie, als er zum Tisch kam, abrupt.
Er setzte sich wieder auf seinen Platz, als – und da war sie – Susanne an ihren Tisch kam. Sie wirkte irgendwie durcheinander heute. Er sah sie an, aber sie nahm nur ganz professionell ihre Bestellung auf und ging dann weiter zum Nebentisch. Sie hatte ihn noch nicht einmal bemerkt.
Gleich war wieder eine halbe Stunde vorbei. Susanne beeilte sich, die Getränke für die beiden letzten Tische zusammenzustellen und zu den Gästen zu bringen. Sie hatte heute auf jeden Fall nicht die Konzentration wie sonst. Ihre Sorge um Mia war einfach zu groß.
Markus erhob sich und lief direkt auf die Theke zu. Was will der denn jetzt an der Theke, wunderte sich Andreas. Er hat doch eben erst bestellt. Markus ging direkt auf Susanne zu. Jetzt fängt er auch noch an mit ihr zu reden und er packt sein Womanizer-Lächeln aus. Dieser Arsch! Er wusste doch, dass er, sie nett fand! Oder war es vielleicht sogar mehr? Andreas kannte solche Gefühle nicht bei sich.
„Hallo schöne Frau! Jetzt waren wir schon so oft hier und ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Markus und würde dich gerne auf einen Drink einladen, wir haben heute nämlich was zu feiern!“ Was soll das denn, dachte Susanne? „Danke für die Blumen, Markus. Ich habe hier leider viel zu Tun und keine Zeit einen Drink zu nehmen. Außerdem habe ich, so lange ich arbeite, alle Getränke frei. – Trotzdem danke! Viel Spaß dir noch bei deiner Feier!“ Mit diesen Worten nahm Susanne das Tablett und lief zu dem Tisch mit den Radlern.
So war er noch nie abserviert worden, dachte Markus bei sich. Das machte die Frau direkt interessant. Aber na ja, andere Mütter hatten ja auch schöne Töchter z. B. die vom Nebentisch. Besonders diese Paula schien sehr vielversprechend zu sein.
Das machte ihn richtig wütend! Markus, sein eigener WG.-Mitbewohner, dachte Andreas! Wie konnte er nur! Aber wie es aussah – hatte sie ihn gehörig abblitzen lassen. Recht so! Auch einem Markus musste so was mal passieren.
So, jetzt musste sie unbedingt noch mal hoch zu Mia. Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte Susanne zur Wohnung. Mia schlief friedlich. Fieber messen! 40,1°! Etwas gesunken, Gott sei Dank. Sie machte neue kalte Wickel und gab Mia einen Kuss auf die Stirn, bevor sie sie wieder richtig zudeckte.
Dann lief sie wieder runter in die Bar. Sie war gerade dabei, die Getränke für das Pärchen und die beiden ersten Tische rechts zusammenzustellen, als wieder einer vom Medizinertisch auf sie zusteuerte. Dieser war sicher zwei Köpfe größer als sie. So wie sie wusste, hieß er Thomas. Er wirkte sehr unsicher und es schien so, als würde er den Weg zu ihr, nicht ganz freiwillig antreten.
„Hallo“, sagte Thomas. „Hallo“, erwiderte Susanne, „kann ich irgendetwas für dich tun?“ „Ähm, ja ich denke schon, du könntest mir die Freude machen und mit mir einen Drink nehmen. So als kleines Dankeschön, weil du uns immer so gut versorgst hier und weil wir hier heute was zu feiern haben.“ War gar nicht so schwer dachte Thomas.
Was war heute nur mit diesen Medizinern los? Hatten sie alle einen Stromschlag bekommen, dachte Susanne? „Danke, das ist sehr nett von dir mich einzuladen, aber leider habe ich überhaupt keine Zeit dafür. Du siehst ja was hier los ist! Außerdem sind für mich, solange ich arbeite, alle Getränke frei.“ „Okay, dann eben nach deiner Schicht! Wie lange musst du hier arbeiten?“, sagte Thomas - so schnell ließ er sich nicht abservieren. „Du, auch danach habe ich keine Zeit – tut mir leid. Ist nichts gegen dich!“ „Verstehe – du willst nicht.“ „Sieh es wie du willst. Ich muss jetzt weiter machen“, antwortete Susanne und lieferte dann ihre Getränke aus.
Es war echt unglaublich, jetzt baggerte auch noch Thomas Susanne an. Thomas, der doch eigentlich mit Miriam liiert war! Andreas konnte es nicht fassen! Was sollte das alles? Martin durchbohrte ihn schon wieder.
„Hör zu Andreas“, sagte Martin nun, „Wir werden das so lange weiter treiben, bis du mit ihr sprichst. Es ist jetzt echt Zeit – das kann kein Mensch mehr mit anschauen.“ „Das ist nicht euer Ernst!“, antwortete Andreas. „Doch unser voller Ernst“, sagte Markus. „Du bist total verknallt in sie, dass kann ein Blinder sehen! Auch wenn es deiner Meinung nach, wissenschaftlich nicht erklärbar ist, musst du wohl akzeptieren, dass es auch Dinge außerhalb der Wissenschaft gibt! Wir, sehen uns das auf alle Fälle nicht mehr länger mit an. Entweder du sprichst sie heute noch an, oder ich schleppe sie ab“, sagte Martin. „Das kann nicht dein Ernst sein! Du weißt, ich kann sie nicht ansprechen, Martin.“ „Das - ist allerdings dein Problem – wobei ich absolut nicht verstehen kann warum.“ „Ich kann es auch nicht verstehen Andreas! Früher hast du jedes Wochenende mehrere Frauen abgeschleppt. Was ist nur los mit dir?“, klinkte sich jetzt auch noch Tom mit ein. „Und sie ist echt heiß“ jetzt gab auch noch Markus seinen Kommentar dazu.
Martin konnte sehen, wie Andreas sich wand. Er wusste, dass es schwer für ihn war zuzugeben, sich verliebt zu haben. Und das war seiner Meinung nach auch der Grund, warum Andreas sie nicht ansprechen konnte. Sie war nicht die Frau, die man nach einer Nacht wieder loswerden konnte und wollte. Sie war eine Frau für was Richtiges. Und das, leider musste Martin das zugeben, war absolutes Neuland für seinen besten Freund. Plötzlich war er nicht mehr der selbstbewusste Medizinstudent, der jede Frau flachlegen konnte, die er wollte. Plötzlich sollte er sein sicheres, bekanntes Terrain verlassen. Er musste Angst haben, abgelehnt zu werden. Und auf einmal war das ganze Selbstbewusstsein seines Freundes verschwunden. Er nahm nicht einmal mehr wahr, dass er von allen Vieren, der war, der am besten aussah. Und bei Gott, leider musste das Martin auch anerkennen, er sah gut aus!
Andreas war der Abend verdorben. Was sollte er nur machen? Insgeheim wusste er, dass Martin und die anderen Recht hatten. Er wusste aber nicht, was mit ihm los war. Wenn er in ihrer Nähe war, fühlte er sich so unsicher und gar nicht selbstbewusst wie sonst. Außerdem war sein Magen ständig flau, wenn er sie ansah. Und heute hatte sie noch nicht mal Notiz von ihm genommen. Wenn er sie jetzt anspräche und sie ihn abblitzen ließe, was dann? Was war nur mit ihm los? Sogar Tom konnte sie ansprechen, dachte er bei sich. Jetzt kam sie auch noch an ihren Tisch!
„Kann ich euch noch was bringen?“, fragte sie.
Das war seine Chance, dachte er, – bitte erwidere meinen Blick – bitte! Er versuchte ihr direkt in die Augen zu schauen, ganz tief. Sie sah ihn an und ihre Augen trafen sich. Beide konnten sie sich nicht mehr lösen. Es war ihm, als würde eine fremde Macht sie beide festhalten. Sie hatten Mühe in die Wirklichkeit zurückzukehren. Bemüht um Fassung sagte sie stotternd: „Was möchtest du noch trinken?“ Perplex antwortete er: „Gin Tonic - bitte!“ Im Umdrehen sagte sie: „Okay!“
Und wieder konnte Andreas spüren, wie Martins Röntgenblick ihn durchbohrte.
Susanne war für einen kurzen Augenblick völlig aus der Spur. Was war das gerade eben? Als hätten seine und ihre Augen sich verbündet. Und ihr Herz hatte Freudensprünge veranstaltet. Nicht jetzt Susanne, das geht nicht, du kannst das nicht. Denk an Mia, denk an deinen Tagesablauf, du hast keine Zeit für so etwas. Es ist völlig ausgeschlossen. Mia! Oh Gott, es war schon über eine dreiviertel Stunde her, seit sie das letzte Mal nach ihr gesehen hatte. Jetzt wollte das Pärchen am Tisch gleich links auch noch zahlen. Sie war gerade zurück vom Pärchen, da kam der blonde Jüngling vom Medizinertisch direkt auf sie zu. Nicht das auch noch. Ihr Abend war auch ohne das Chaos anstrengend genug!
Andreas hatte seine Chance wieder nicht wahrgenommen. Wer nicht hören will, muss fühlen, dachte Martin. Jetzt kam sein Auftritt. Ihn würde sie nicht abblitzen lassen, so wie die anderen beiden. „Hallo –Susanne- richtig?“ Susanne stellte gerade das Tablett für den Mädels Tisch zusammen „Ja“ Martin ließ sich nicht abwimmeln „Hör zu, wir waren jetzt schon so oft da. Und nie haben wir beide uns unterhalten. Ich würde dich gerne näher kennenlernen, weil ich dich sehr sympathisch finde. Krieg ich eine winzig kleine Chance? Einfach nur reden und kennenlernen?“ „Martin richtig?“ Ganz charmant antwortete er: „Ja.“ „Hör zu, es ist absolut nichts gegen dich – aber ich hab für solche Dinge einfach keine Zeit“, erklärte sie ihm. „Jeder Mensch hat doch mal Zeit?“ Jetzt reichte es ihr! „Nicht ich! In mein Leben passt so Etwas im Moment nicht! Sorry! Ich muss jetzt weitermachen!“, mit diesen Worten nahm sie das Tablett und wollte schon los, als er wieder anfing. „Hab ich den gar keine Chance verdient?“ Sie atmete tief durch. „Das schon, aber ich bin die falsche Frau dafür!“, mit diesen Worten lief sie nun zum Mädels Tisch.
Wow – da hatte sie doch glatt sie alle drei abserviert. Das hatte Martin auch nicht erwartet. In seinem Rücken spürte er schon das Grinsen auf Andreas Gesicht. Aber das Gute war – jetzt war der selbstbewusste Frauenschwarm Andreas zurück. Das konnte er an Andreas ganzer Haltung und Ausstrahlung erkennen. War der Abend also doch nicht umsonst. Vielleicht hatte Andreas, ja nur eine andere Taktik, wie sie alle.
Jetzt musste Susanne dringend wieder zu Mia hoch schauen. - Fieberthermometer. 40,5°! Sie konnte sie jetzt nicht mehr so lange alleine lassen. Was sollte sie nur tun? Vielleicht konnte sie jemand vertreten? Sie rief Mara an, ob sie nicht einspringen könne. Mara nahm nicht ab. Vielleicht Joe? Okay, auch nicht – er lag mit Grippe im Bett. Was nun? Sie würde noch mal eine halbe Stunde versuchen. Dann musste sie mit Bernd sprechen. Sie lief zurück in die Bar und machte sich an die Arbeit.
Da war sie wieder. Der Blick hatte Andreas dermaßen durcheinander gebracht, dass er jetzt doch tatsächlich den Mut hatte – sie anzusprechen. Er musste es tun, bevor es jemand anders machte, das hatte er heute gelernt.
Oh mein Gott jetzt kam auch noch ER auf sie zu! Waren die denn heute alle bescheuert? Aber ER? Ihr Bauch fing an flau zu werden und ihr Herz schlug Purzelbäume – aufhören! – Das darf nicht sein! „Hi“, sagte er. „Hi“, antwortete sie prompt und hatte das Gefühl, kirschrot anzulaufen. Er setzte sich vor ihr auf den Barhocker. Und jetzt tat er es schon wieder! Er sah ihr in die Augen! Sie konnte nicht, sie konnte einfach nicht wegsehen. Auch sie schaute ihm direkt in die Augen. Es war ihr, als würde die Welt um sie beide verschwimmen. Alle Geräusche, alle Gerüche waren verschwunden. Sie wusste nicht einmal ob es warm oder kalt war. Es gab nur sie beide. Gar nicht gut! Gab ihr Gehirn zur Warnung. Ach Quatsch – der ist es – der ist unsere andere Hälfte – er ist der Richtige – der gehört zu uns! Gab ihr Herz zu bedenken. Plötzlich fühlte sie, wie sie in die rechte Seite geboxt wurde. Bernd! Verdammt jetzt war alles zerstört.
„Bring das zu Tisch fünf und bediene endlich den Herrn hier!“
Sie sah Andreas an und sie fühlte sich total zittrig und aufgewühlt. „Ich-, ich-, bin gleich wieder da“, ließ sie ihn wissen. Er nickte nur und sah ihr immer noch in die Augen. Dieser Blick, glasklar mit einem Glitzern, hoffnungsvoll und gleichzeitig fordernd - durchdringend. Gegen diesen Blick war sie total machtlos – er hätte alles von ihr verlangen können.
Mist, was musste ihr Chef das jetzt kaputt machen. Da war etwas zwischen ihnen beiden. Er konnte es deutlich spüren. Sein ganzer Körper spielte verrückt. Er fühlte sich wie high und gleichzeitig total schwach und zittrig. Dafür gab es einfach keine logische Erklärung – zumindest nicht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet! Shit, Martin hatte mal wieder Recht! Da, jetzt kam sie zurück – seine Chance!
„Möchtest du was trinken? Kann ich dir was bringen?“, fragte sie. „Nein! Ich möchte - ich muss mit dir reden – es ist wichtig!“, sagte er. „Ich kann nicht!“, sagte sie wie aus der Pistole geschossen. Das traf ihn wie ein Blitz! Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, tat es ihr unheimlich leid und sie sagte: „Es ist gerade wirklich schlecht – alle wollen zahlen oder bestellen – ich weiß nicht wo ich zuerst hin soll! Kannst du noch kurz warten? Bitte?“ „Ja - ja klar“ Er fühlte seinen gefassten Mut ganz schnell wieder sinken, genauso wie er sein Selbstbewusstsein an sich vorbei spazieren sah! Das war´s dann.
„Wollen sie was bestellen?“, bellte nun der Chef auch noch in seine Richtung, „wenn nicht, lassen sie meine Angestellte gefälligst ihre Arbeit machen und setzen sie sich wieder!“ Das hatte gesessen. Andreas Selbstbewusstsein war jetzt zusammen mit seinem Mut und allem anderen verschwunden. Miese Verräter. Also stand er auf, nahm gleich zwei Gin Tonic mit und setzte sich wieder zu den Anderen an den Tisch. Jetzt war ihm alles egal und nur der Alkohol half noch.
Mensch der Arme, dachte Martin – jetzt hat er doch endlich den Mut gefasst und dann so etwas. Deswegen beschloss er mit zu trinken. Geteiltes Leid war schließlich halbes Leid. Das dachten wohl die anderen beiden auch. Und so bestellten sie gleich die nächste Runde.
Als sie wieder zur Theke kam und die Bestellung an Bernd weitergab, war ER weg. Andreas saß wieder am Tisch und hatte es sich wohl anders überlegt. Sie sah wie er schon das zweite Glas leerte. Wer weiß wovor mich das bewahrt hat, dachte sie. Jetzt wollte sie erst einmal zu Mia. Oben angekommen, schlief Mia sehr unruhig und wälzte sich im Bett hin und her. Das Fieberthermometer zeigte 40,8°! Jetzt konnte sie nicht mehr warten.
Aufgelöst rannte sie hinunter in die Bar zu Bernd. „Bernd, Mia hat schon den ganzen Tag Fieber! Es steigt von Stunde zu Stunde! Ich muss bei ihr bleiben und einen Arzt rufen – du musst hier alleine weitermachen.“ „Das geht jetzt nicht Susanne! Wenn du das machst, kannst du zukünftig gleich weg bleiben! Ich brauche jemanden auf den ich mich verlassen kann! Hier ist die Hölle los.“ „Aber sie hat HOHES FIEBER!!! Ich hab doch noch nie gefehlt!“, versuchte sie ihren Job zu retten. „Das weiß ich wohl, aber du musst sowieso schon froh sein, dass ich dich ab und zu hoch lasse zu ihr. Denk nicht das wäre mir nicht aufgefallen.“ „Gut, dann musst du mich eben kündigen! Ich werde die Arbeit bei dir nicht über das LEBEN von MIA stellen!“, mit diesen Worten nahm sie ihre Schürze ab und knallte sie ihm auf den Tresen.
Andreas konnte nicht anders er musste immer wieder zur Theke schauen und hatte so das ganze Gespräch mitgehört. Sie hatten irgendetwas von hohem Fieber gesprochen. Da kam der Medizinstudent in ihm raus. Wenn es um die Medizin ging – war er immer selbstbewusst, außerdem war er dann, auch trotz Alkohol, bei glasklarem Verstand. Und so stand er auf und lief Richtung Theke. Die drei anderen, schauten, ihm hinterher. „Entschuldigung wenn ich mich einmische. Ich habe zufällig euer Gespräch mit angehört. Kann ich irgendwie helfen?“, fragte er.
Susanne schaute ihn an – sie war dermaßen durcheinander und aufgewühlt „Meine….,“, ihre Stimme erstarb. „Meine Tochter Mia hat sehr hohes Fieber“, war alles was sie an Antwort zustande brachte.
Andreas schloss für einen kurzen Moment die Augen um sich selbst klar zu machen, wie blöd er gewesen war. Sich einzubilden – eine Frau wie sie wäre noch allein. Sie hatte eine Tochter! Dazu gehörte ein Vater – er war so ein Riesenvollidiot! Andreas reiß dich zusammen, jetzt zählt das Kind, dachte er und fragte: „Darf ich sie mir mal ansehen?“ „Ja, sicher.“ antwortete Susanne. Sie lief vorweg in Richtung ihrer Wohnung. „Wie hoch ist das Fieber?“, fragte Andreas. „40,8°!“ Klingt nicht gut – dachte er. Sie lief ihm voraus in Mias Zimmer. Er ging gleich zu Mia und setzte sich aufs Bett, fühlte ihre Stirn und sah ihre Zunge an. Dann zog er die Decke zurück und schaute sich ihren Körper an. Überall große rote Flecken. „Hat sie über irgendwelche Schmerzen geklagt?“ „Ja sie hatte ein wenig Halsschmerzen!“ „Wie lange hat sie schon Fieber?“ „Seit heute Mittag!“ „Was hast du seither unternommen?“ „Ich habe ihr schon zwei Fieberzäpfchen gegeben!“ „Bitte zeig mir welche.“ Sie zeigte ihm die Packung, „Hier.“ „Okay, ich tippe auf Scharlach – hatte sie das schon?“ „Nein!“ „Hattest du es schon?“, fragte er sie. „Ich glaube - ich weiß es nicht!“ „Du solltest möglichst nicht in ihrer Nähe sein, bevor wir nicht wissen, ob du es schon hattest. Es ist ansteckend und kann für Erwachsene gefährlich sein! Hast du etwas dagegen, wenn ich bei Mia bleibe?“ „Nein! Kannst du was machen?“, fragte sie aufgewühlt. „Ich werde ihr noch mal ein Fieberzäpfchen geben und ihr kalte Wickel an Beinen, Armen und Kopf machen. Wenn innerhalb einer halben Stunde das Fieber nicht sinkt, müssen wir ins Krankenhaus!“ „Wie alt ist sie?“ „Zweieinhalb!“ So schwer es ihm fiel musste er das jetzt sagen: „Du solltest ihren Vater benachrichtigen – es ist ernst“, sagte er. „Da ist – kein Vater!“
Irgendwie musste Andreas erleichtert aufatmen. Im ersten Moment, in der Bar, als er erfahren hatte, dass sie ein Kind hatte, war ihm als würde jemand sein Herz direkt aus ihm herausreißen. Er fühlte noch einmal Mias Stirn. Es sah wirklich ernst aus. Die Symptome sprachen eindeutig für Scharlach. Himbeerrote Zunge, rote Flecken am ganzen Körper, kontinuierlich steigendes Fieber. Eindeutig Scarlatina ausgelöst durch Streptokokken. Wenn ihr Zustand sich weiter verschlechterte konnte es zu einer Myokarditis oder einer Otitis media acuta, sowie immensen Spätfolgen kommen. Der Zustand des Mädchens machte ihm Sorgen. Die nächste halbe Stunde war entscheidend. Er selbst hatte Scharlach schon gehabt, so war die Gefahr einer erneuten Infektion geringer, weil er schon Antikörper gebildet hatte. Aber für Susanne war die Ansteckungsgefahr da. „Du darfst auch nicht mehr in die Bar, für den Fall dass du dich bereits angesteckt hast. Du würdest sonst nämlich die Gäste anstecken, wenn du es nicht schon hast.“ Ihre Antwort war nur noch ein Flüstern: „Mein Gott, Bernd wird ausflippen!“ „Bleib du bei Mia, ich kläre das“, mit diesen Worten stand Andreas auf und ging zurück in die Bar. Fünf Minuten später hatte er Bernd den Kopf gewaschen und war wieder zurück am Bett von Mia. Er sah Susanne, die da stand, wie ein Häufchen Elend. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, gehalten und nie mehr los gelassen. Von ihr weg zu sehen, sich auf das Kind zu konzentrieren fiel ihm nicht leicht. Plötzlich lief eine Träne über ihr Gesicht. Er stand auf und legte den Arm um ihre Schulter. „Keine Angst, wir kriegen das schon hin“, versuchte er sie aufzubauen. „Ich danke dir!“, mit diesen Worten löste sie sich von ihm. Sie sah ihn an, wie ein scheues, verängstigtes Tier.
Sie wirkt sehr zerbrechlich, dachte er bei sich. Oh wie gerne wäre er für sie dagewesen. Aber jetzt war der falsche Zeitpunkt er musste nach Mia sehen. Wie er befürchtet hatte, war das Fieber weiter gestiegen. „Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen. Kannst du fahren? Ich sollte lieber nicht mehr“ „Ja!“, flüsterte sie. Du kommst doch mit?“, fragte sie ihn – sie fühlte sich plötzlich so allein und hilflos. „Sicher! Ich gebe kurz unten meinen Freunden Bescheid.“, mit diesen Worten verschwand er.
Susanne packte inzwischen eine kleine Tasche mit Kleidung und Waschzeug für Mia – Mr. Hase packte sie auch mit ein. ER kam zurück. Sie zog Mia die nass geschwitzten Sachen aus und trockene Kleidung, sowie gleich auch ihre Jacke und Stiefel an. Andreas nahm Mia hoch und legte sie sich über die Schulter um sie so zum Auto zu tragen. Er stieg hinten ins Auto und legte sich Mia auf den Schoß. Susanne fuhr. Zehn Minuten später waren sie in der Uni Klinik, seinem neuen Arbeitsplatz – für die nächsten fünf Jahre. Er wollte sich zum Chirurgen spezialisieren. Aber vorher musste er noch sein PJ, sprich sein praktisches Jahr, ableisten. Am Montag war sein erster Tag.
Sie brachten Mia direkt in die Notaufnahme. Den diensthabenden Arzt kannte Andreas schon. Zum Glück war gerade nichts los und so waren sie gleich an der Reihe. Er sah, dass Susanne neben ihm kreidebleich war. Er legte Mia auf das Krankenbett und gab dem Doktor noch seine Erkenntnisse weiter. Für die Zeit der Untersuchungen mussten sie draußen warten, deshalb ging Andreas zu Susanne. Sie wirkte wie gelähmt neben ihm. Er nahm ihre Hand in die seine und sah sie mit einem Blick an, der ihr sagte –Ich bin da!-. Just in diesem Moment rief Dr. Grau sie wieder zu sich. Susanne löste ihre Hand aus seiner. Er lief mit zum Behandlungsraum. Dr. Grau hatte bereits eine Antibiotika – Infusion gelegt und teilte ihnen mit, dass Mia jetzt gleich auf Station verlegt würde. Susanne durfte bei ihr bleiben. Also verabschiedete Andreas sich – Susanne sagte nur noch kurz „Danke“ und konzentrierte sich dann wieder auf Mia.
Andreas verließ die Klinik – es war klirrend kalt. Er machte sich auf den Weg zur WG – ein Fußmarsch von über einer Stunde, das würde ihm jetzt gut tun.
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