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1. Voraussetzungen

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Der aus § 1004 BGB entwickelte quasi-negatorische Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch ist ein höchst persönlicher Anspruch und nicht übertragbar. Neben dem Anspruch auf Unterlassung weiterer Störungen kann er auch in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Beseitigung eines durch eine unwahre Tatsachenbehauptung geschaffenen Zustandes fortdauernder Rufbeeinträchtigung gerichtet sein.[456] Neben der Beseitigung in Form des Berichtigungsanspruches kann der Betroffene bei im Internet abrufbaren Tatsachenbehauptungen den Störer auch zu Löschung bzw. zum Hinwirken auf Löschung in Anspruch nehmen.[457] Der Anspruch unterliegt identischen sachlich rechtlichen und beweismäßigen Voraussetzungen wie die ansonsten anerkannten Rechtsbehelfe; er kann nur verlangt werden, wenn und soweit die Behauptungen nachweislich falsch sind und die Abhilfemaßnahmen der Löschung unter Abwägung der beidseitigen Rechtspositionen geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist.[458]

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Der Unterlassungsanspruch setzt Wiederholungs- oder Begehungsgefahr voraus. Es ist strittig, ob die im Bereich des Wettbewerbsrechts entwickelte Rechtsprechung, dass die Wiederholungsgefahr nach erfolgtem rechtswidrigen Eingriff grds. zu vermuten ist, auf das Presserecht in voller Schärfe übertragen werden kann.[459]

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Wiederholungsgefahr besteht nicht, wenn die ursprüngliche Äußerung rechtmäßig erfolgte (z.B. bei Verdachtsberichterstattung oder wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen). Stellt sich nachträglich heraus, dass die Äußerung – das hypothetische Wissen um ihre Unzulässigkeit unterstellt – unzulässig gewesen wäre, so kann höchstens noch Begehungsgefahr bestehen. Diese muss jedoch konkret festgestellt werden.[460]

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Erscheinen in einem Verlag mehrere Publikationen, besteht regelmäßig nur die Gefahr, dass die konkrete Publikation die Behauptung wiederholen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die einzelnen Redaktionen der verschiedenen Publikationen voneinander getrennt sind. Der Tenor der Unterlassungsverpflichtungserklärung kann auf Unterlassen „in der X-Zeitung“ beschränkt werden. Andernfalls muss die Wiederholungsgefahr für die andere Publikation besonders belegt werden.[461]

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Liegt die Wiederholungsgefahr einmal vor, besteht sie in der Regel solange fort, bis der Äußernde oder der Verbreiter eine ernsthafte, nicht abweichende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.[462] Ausnahmen können je nach Einzelfall bestehen. Die Wiederholungsgefahr bei Bildunterschriften kann z.B. durch Abgabe der Unterlassungserklärung für die Fotos entfallen.[463] I.d.R. wird z.B. die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn der Äußernde eine Richtigstellung veröffentlicht hat.[464] Von der Absicht der Richtigstellung ist der Betroffene vorab nicht zu unterrichten.[465]

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Auch wenn Meldungen von Behörden oder Nachrichtenagenturen veröffentlicht werden, die von diesen anschließend öffentlich korrigiert werden, ist nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände davon auszugehen, dass nach der Korrektur die Äußerungen wiederholt werden bzw. Begehungsgefahr besteht.[466]

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Eine Unterlassungs-Erklärung hat grds. uneingeschränkt, bedingungslos und unwiderruflich zu erfolgen.[467] Zulässig ist jedoch die Bedingung, wonach das Versprechen nur für die Dauer eines allgemein verbindlichen Verbots gilt, das auf Gesetz oder höchst richterlicher Rechtsprechung oder einer bestimmten Verbotsrechtssprechung eines OLG beruhen kann.[468] Bei Sachverhalten, in denen eine Tatsachenbehauptung nicht erweislich war oder unwahr ist, aber z.B. die Sorgfaltspflicht verletzt wurde, ist es zulässig sich vorzubehalten, die fragliche Äußerung zu wiederholen, falls sich herausstellt, dass der angenommene Sachverhalt sich im Zuge eines konkreten, bereits anhängigen Gerichtsverfahren als wahr erweist.

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Mit der korrekten Unterlassungs-Erklärung erlischt der materiellrechtliche Anspruch. Die Erklärung selbst ist ein abstraktes Schuldanerkenntnis, das die erloschene gesetzliche Unterlassungsschuld durch eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung ersetzt.[469] Durch die Annahme der Unterlassungserklärung kommt ein Vertrag i.S.v. § 311 BGB zustande. In der Praxis wird häufig auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Erklärung vom Geforderten nicht oder nicht wesentlich abweicht.[470] In der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages sind die Parteien grds. frei.[471]

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Die Konventionalstrafe muss angemessen sein. In äußerungsrechtlichen Angelegenheiten ist regelmäßig ein Wert über 5 000 EUR absolut üblich. Häufig wird der sog. „Hamburger Brauch“ gepflegt, nach der dem Verletzten eingeräumt wird, die Höhe der Vertragsstrafe bestimmen zu lassen, was nach § 315 BGB im Zweifel nach beliebigem Ermessen zu geschehen hat, um die Bestimmung dann einer gerichtlichen Überprüfung zuführen lassen zu können.[472]

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Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Regeln; in der Revision wird überprüft, ob im Berufungsverfahren gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt wurden.[473] Wird gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, so entsteht erneute Wiederholungsgefahr. Außer der Konventionalstrafe kann die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung einer (erheblich) höheren Vertragsstrafe gefordert werden. Ob statt dessen das Rechtschutzbedürfnis für eine neue Unterlassungsklage bestünde – soweit die Erklärung nicht unter einer auflösenden Bedingung abgeschossen, aufgehoben oder angefochten wurde –, ist strittig.[474]

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Der Vertrag über die Unterlassungs-Erklärung kann grds. nur durch Kündigung aus wichtigem Grund aus der Welt geschafft werden.[475] Die Kündigung wirkt lediglich ex nunc. Bis zur Wirksamkeit der Kündigung besteht die Vertragsstrafenverpflichtung fort.[476] Auf die Kündigung findet § 626 Abs. 2 S. 1 BGB keine Anwendung.[477] Die Frist ist großzügig zu bemessen.[478] Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nur bei Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rspr. denkbar.[479]

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Droht eine Rechtsverletzung, so kann ein Unterlassungsanspruch wegen Begehungsgefahr entstehen. In diesem Fall besteht Gelegenheit zur vorbeugenden Unterlassungsklage. Eine bloße Recherche begründet für sich betrachtet noch keine Begehungsgefahr.[480] Auch die Nachfrage nach der Identität eines Beschuldigten bei Gericht begründet noch nicht den Verdacht, dass die Identität auch tatsächlich in der Veröffentlichung aufgedeckt wird.[481] Liegt dem Verletzten ein fertig formulierter Artikel vor, wird die Begehungsgefahr zu bejahen sein; bei Vorfassungen ist das zweifelhaft. Kann ein Manuskript nicht vorgelegt werden, muss der tatsächliche Inhalt der vermuteten Äußerung glaubhaft gemacht werden. Dies ist in aller Regel nicht möglich, weil sich die Unterlassung in aller Regel gerade im Äußerungsrecht auf eine konkrete Äußerung im Gesamtkontext zu beziehen hat. Filmaufnahmen von Fernsehjournalisten begründen in der Regel noch keine Begehungsgefahr. Der konkrete Beitrag kann vor journalistischer Ausarbeitung und Schnitt der Sendung noch nicht bewertet werden.[482]

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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