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QUEM NÃO ARRISCA, NÃO PETISCA

WER NICHT WAGT, DER NICHT GEWINNT

Stephanie muss auf ihr Frühstück verzichten, denn sie möchte unbedingt pünktlich an ihrem neuen Arbeitsplatz sein. Also bringt sie die Brötchen nach Hause und macht sich dann mit knurrendem Magen auf den Weg in die Sprachenschule.

Aber als sie in der Avenida Luís Bivar ankommt, findet sie die Tür verschlossen. Nanu – sie hatte doch um zehn einen Termin. Vielleicht hat sie die falsche Adresse? Stephanie sieht noch mal auf ihre ausgedruckten E-Mails. Nein, es stimmt alles. Sie ist in der richtigen Straße. Vor der richtigen Tür. Zur richtigen Zeit. Aber warum ist dann kein Schild an der Tür? Und die Klingelknöpfe sind auch wenig aufschlussreich. Mehr als die Etage erfährt man da nicht.

Sie geht ein paar Schritte auf und ab. Es wird ihr zunehmend unwohl. Was, wenn das alles überhaupt nicht existiert? Wenn es gar keine Sprachenschule gibt? Oder die Schule pleite gegangen ist? Sie hat in Deutschland alles aufgegeben. Hat ihr ganzes Leben auf dieses Jahr in Lissabon eingestellt. Und jetzt fallen ihr natürlich prompt alle möglichen Horrorszenarien ein. So wie zum Beispiel in der Dokusoap neulich, über die Aussteiger, die an die Algarve ziehen wollen. Eine Familie mit zwei Kindern. Sie hatten in Deutschland alles aufgegeben, um in einem Seminarzentrum an der Algarve zu arbeiten, er als Hausmeister, sie als Köchin. Sie hatten voller Zuversicht die Jobs und die Wohnung gekündigt. Den Hausrat verkauft oder bei Freunden untergestellt. Und waren mit ihrem VW-Bus ins Monchique-Gebirge im Hinterland der Algarve gefahren, um dort ihre Stelle als Verwalterpaar in einem neu gegründeten deutschen Seminarzentrum anzutreten.

Pech nur, dass das Seminarzentrum nicht existierte. Das heißt, das Haus existierte, aber ein Seminarzentrum würde nie draus werden, weil gegenüber ein Steinbruch eröffnet hatte. Und bei diesem Lärm würde wohl nie jemand meditieren oder Körperarbeit machen wollen.

Und was, wenn es ihr jetzt genauso ergeht? Na ja, nicht genauso. Sie ist Single, sie hat keine Kinder und ihre Wohnung hätte sie sowieso über kurz oder lang gekündigt, weil sie zu wenig Sonnenlicht hatte. Auch die Stelle in Neumünster wollte sie nicht für ewig machen. Aber sie muss von irgendetwas leben ... Wenn das jetzt hier mit der Sprachenschule nicht klappt, würde sie hier in Lissabon einen anderen Job finden? Ihre Mutter würde natürlich sagen: »Das habe ich dir doch gleich gesagt, dass das nichts ist.«

10.10 Uhr. Eine Frau kommt um die Ecke und geht auf die Tür zu. Sie holt einen Schlüssel aus der Tasche und schließt auf.

»Entschuldigen Sie«, fragt Stephanie. »Wissen Sie, ob in diesem Gebäude die Sprachenschule ist?«

»Ja, die ist hier«, sagt die Frau. »Aber wir machen montags erst nachmittags auf.«

Stephanie fühlt sich schon ein bisschen besser, die Sprachenschule existiert also immerhin.

»Ich habe um zehn einen Termin bei senhora Costa«, sagt Stephanie.

»Senhora Costa?« Die Frau guckt fragend.

Stephanie zeigt ihr die ausgedruckte E-Mail mit dem Termin.

»Ach so, Sie meinen die doutora Sofia! Kommen Sie am besten morgen wieder, die doutora kommt montags nie.«

»Hier steht doch, dass ich heute kommen soll«, sagt Stephanie, der das Ganze immer noch ein bisschen komisch vorkommt.

»Wissen Sie, die doutora ist manchmal etwas überlastet. Am besten, Sie machen Termine mit mir ab. Ich bin für die Organisation zuständig.«

»Aber ich soll hier doch unterrichten«, sagt Stephanie.

»Ach, Sie sind die neue Deutschlehrerin!«, sagt die Frau. »Wissen Sie was, kommen Sie in einer halben Stunde wieder, und dann erledigen wir die Formalitäten.«

Stephanie fällt ein Stein vom Herzen. Ihr kommt ein Satz aus ihrem Portugiesischunterricht in den Sinn: Quem não arrisca, não petisca. Das Wagnis hat sich also gelohnt, alles klappt. Ihrem Lissabonner Abenteuer steht nichts mehr im Wege.

Was ist hier schiefgelaufen?

Stephanie ist davon ausgegangen, dass in der Tat alles abgemacht war und sie ihren Vorstellungstermin haben würde. Sie hat die E-Mail ausgedruckt und sich darauf verlassen, dass es alles so wird wie besprochen. In Deutschland hätte das auch geklappt. Aber in Portugal ist es üblich, dass Termine noch mal bestätigt werden, besonders wenn der Termin lange nach der Korrespondenz liegt.

Liegt ein langer Zeitraum zwischen Abmachung und Termin, und es gibt keine Bestätigung, kann es gut sein, dass der andere davon ausgeht, dass der Termin nicht stattfindet.

Was können Sie besser machen?

Bei einer Hotelreservierung kann man heutzutage davon ausgehen, dass es klappt. Aber bei allen anderen Terminen ist es gut, sie ein oder zwei Tage vorher noch mal zu bestätigen, egal ob es sich um geschäftliche oder private Termine handelt. Die Bestätigung kann per E-Mail oder telefonisch geschehen. Danach wissen alle Beteiligten, dass der Termin auch wirklich eingehalten wird, dass alle Beteiligten dran denken und dass nichts dazwischen gekommen ist.

Die Anrede mit »senhora« und dem Nachnamen ist in Portugal nicht üblich. Frauen werden mit dem Vornamen angesprochen, die Anrede und Titel vorgestellt.

Auf keinen Fall sollte man gleich duzen, das ist in Portugal unüblich. Junge Leute sind eine Ausnahme. Aber ansonsten: erst mal siezen.

ANREDE IN PORTUGAL

In Portugal wird viel mehr gesiezt als in Deutschland. Man duzt sich innerhalb der Familie und mit guten Freunden, eventuell auch im Job.

Noch bis vor Kurzem haben Kinder oft sogar ihre Eltern gesiezt. Das ist heute in den jungen Familien aber nicht mehr üblich.

Beim Siezen gibt es zwei Formen: die formelle Anrede in der dritten Person, bei der als Ansprache der Name, der Titel oder auch die Berufsbezeichnung verwendet wird, und das etwas weniger formelle você, das sich mehr und mehr durchsetzt. Bis vor Kurzem galt es in der gehobenen Mittelschicht aber noch als eher proletarisch und ungehobelt. Heute wird es jedoch oft verwendet, nicht zuletzt durch den Einfluss der brasilianischen Telenovelas, in denen das você eine übliche Anrede ist. (Dort wiederum gibt es kaum ein Du.)

Doutor wird jeder genannt, der ein Studium abgeschlossen hat, diese Anrede ist also nicht an einen Doktortitel gebunden.

Männer werden entweder mit ihrem Vor- oder Nachnamen angeredet, dem ein senhor vorangestellt wird. Für einen Architekten namens Miguel Moreira sind also folgende Anreden möglich: Miguel für Freunde und Familie, senhor Miguel, senhor Moreira, doutor Miguel, doutor Moreira, senhor arquiteto oder senhor doutor, wenn man ihn siezt.

Frauen werden grundsätzlich mit dem Vornamen angeredet. Bei jüngeren Frauen wird oft auch menina (»Mädchen«) vorangestellt.

Die Chefin der Sprachenschule heißt Maria Sofia Costa, und damit kann die Anrede wie folgt lauten: Sofia für Freunde und Familie, dona Sofia, senhora professora, senhora doutora, doutora Sofia, menina professora oder menina doutora.

Viele Portugiesen haben mehrere Vor- und Nachnamen. Das portugiesische Gesetz begrenzt die Anzahl der Namen auf zwei Vornamen und vier Nachnamen, die sich aus den Nachnamen der Mutter und/oder des Vaters zusammensetzen. Möglich sind auch Nachnamen der Vorfahren.

Im normalen Leben sind die meisten unter einem Vornamen und einem Nachnamen bekannt. Pedro Miguel Santos Moreira kann also unter Pedro Santos, Pedro Moreira, Miguel Santos oder Miguel Moreira bekannt sein.

Schüler reden ihre Lehrerin mit senhora professora an.

Anrede und Titel werden in der direkten Rede ausgeschrieben und klein geschrieben. In der indirekten Rede wird die Anrede zu Sr. und Sra. abgekürzt, und der Doktortitel wird zu Dr. und Dra., jeweils großgeschrieben.

Fettnäpfchenführer Portugal

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