Читать книгу Fettnäpfchenführer Portugal - Annegret Heinold - Страница 11

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SOL DE INVERNO, TARDE SAI E CEDO VAI

DIE WINTERSONNE GEHT SPÄT AUF UND FRÜH UNTER

Das erste Zimmer ist ein Reinfall. Der Typ, der Alex das Zimmer zeigt, ist vielleicht so um die vierzig. Er ist nicht der Vermieter, sondern selber Mieter in der Wohnung. Er trägt eine dicke Strickjacke und einen Schal. Fehlen nur noch die Handschuhe, denkt Alex. Das Zimmer ist kalt, feucht, riecht muffig und soll 140 Euro im Monat kosten. Alex hat es durch einen Aushang gefunden. Solche Aushänge für Zimmer, die an Studenten vermietet werden, gibt es in der ganzen Stadt. Die Zettel hängen im Supermarkt, in der Uni, in den Fenstern der Häuser, in denen die Zimmer vermietet werden, oder als Tafel mit einer aufgemalten Telefonnummer, an der Wand eines Hauses.

Eigentlich gefällt Alex die Gegend gut. Es ist ein altes Haus direkt am Fischmarkt. Hier wohnt er seit seiner Ankunft, in einem Hostel mit Blick auf den Kanal und einer Kneipe im Haus, wo man abends Bier trinken kann. Im Hostel herrscht eine lockere Atmosphäre und man trifft Leute aus aller Welt. Aber zum Studieren ist es nicht das richtige Ambiente, zu viel Ablenkung, zu viele neue Leute, und auf Dauer auch zu teuer.

Der Fischmarkt heißt natürlich nicht Fischmarkt, sondern Praça do Peixe, und in der Tat steht hier in der Mitte des Platzes eine Markthalle, in der vormittags frischer Fisch verkauft wird. Aber abends und bis spät in die Nacht wird hier gefeiert. Ein Strom von Studenten, Einheimischen und Touristen zieht von Lokal zu Lokal. Es gibt Restaurants in verschiedenen Preisklassen. Es gibt Pastelarias und Kneipen mit dunklem Interieur, die an englische Pubs erinnern. In einem Jugendstilgebäude befindet sich die Casa de Chá, wo man im Innenhof abends Caipirinhas trinken kann. Am Wochenende auch oft mit Livemusik. Hier hat Alex vor zwei Tagen Tiago kennengelernt, der ihn am Wochenende zum Surfen mitnehmen will. Die Praça do Peixe ist das Vergnügungsviertel von Aveiro. Alex hätte nichts dagegen, hier zu wohnen.

Aber das Zimmer ... Es liegt im ersten Stock, ist klein und altmodisch. Alleine die dunklen Möbel! Es ist günstig, aber trotzdem ... Außerdem riecht es ein bisschen nach – ja, was ist das ... Moder?

»Die Zimmer hier am Wasser sind alle feucht«, sagt der Typ. »Das ist einfach so, das liegt am Klima.«

»Gibt es eine Heizung?«, fragt Alex.

»In Aveiro muss man nicht heizen«, entgegnet der Mann. »Wir sind hier am Meer, da ist es nicht so kalt.«

»Also ich finde es schon kalt«, sagt Alex. Er ist es von Deutschland gewohnt, drinnen einfach in T-Shirt und kurzen Hosen rumzulaufen. Er sieht sich um. Oben in einer Zimmerecke ist ein schwarzer Fleck. Das wird Schimmel sein, und die Fenster haben keine doppelten Scheiben.

»Da war ja selbst mein Zimmer in der WG in Sankt Pauli besser isoliert«, rutscht ihm raus.

Der Typ mit dem Schal sagt dazu nichts.

»Ich meine ja nur, in Deutschland ist das anders, da würde es das nicht geben«, sagt Alex als Entschuldigung.

Eigentlich dachte Alex, dass er hier in Portugal auch in einer WG wohnen würde. Er hatte sich darauf gefreut, Leute in seinem Alter kennenzulernen. Aber WGs, wie er sie aus Deutschland kennt, gibt es hier anscheinend nicht. Studenten mieten meistens ein möbliertes Zimmer in einer Wohnung, aber es ist keine WG. Man mietet das Zimmer, ohne vorher seine Mitbewohner kennenzulernen, mit denen man Küche und Bad teilt.

Zimmer zwei ist klein und dunkel, das Fenster geht in einen Schacht. In der dritten Wohnung muss man durch das Wohnzimmer mit laufendem Fernseher gehen, um ins Zimmer zu kommen. Und Zimmer vier ist in einer großen Wohnung in der Avenida in der Mitte der Stadt, sieht aus wie die Kulisse eines alten Films und wirkt ein bisschen gruselig. Aber Zimmer fünf ist ein Volltreffer: ein großes Zimmer in einem Neubau, fünf Minuten von der Uni entfernt, für 200 Euro, Internet inklusive. Es gibt eine Gemeinschaftsküche und zwei Bäder für vier Bewohner. Nur eine Heizung gibt es nicht.

»Wir sind hier in Portugal«, sagt der Vermieter auf Alex Frage. »Da muss man nicht heizen. Und Aveiro liegt am Meer, da wird es nicht kalt.«

Als ob die sich abgesprochen hätten, denkt Alex. In Aveiro ist es nicht kalt? Alex hat selten so gefroren wie in den letzten Tagen. Eben weil Aveiro am Meer liegt, ist die Luft feucht, und an manchen Tagen pfeift ein kalter Wind durch die Stadt.

Was ist hier schiefgelaufen?

Je weiter man in das Innere des Landes kommt, umso heißer sind die Sommer und umso kälter die Winter. Hier kann das Wohnen in den Wintermonaten empfindlich kalt werden, da die meisten älteren Häuser nicht wie in Deutschland für niedrige Temperaturen gebaut sind. Neue Häuser werden jedoch nach neuen Bauvorschriften errichtet und müssen entsprechend isoliert sein. Außerdem müssen seit 2010 alle Häuser einen Energiepass haben.

Eine Heizmöglichkeit ist allerdings nicht vorgeschrieben. Dafür ist es aber Vorschrift, dass alle Häuser, wenn möglich, eine alternative Energiequelle nutzen, wie zum Beispiel Solarzellen auf dem Dach.

Die älteren Häuser hingegen sind fast alle unzureichend isoliert und haben als Heizmöglichkeit im besten Fall einen Kamin. In den alten Häusern auf dem Land gibt es meistens einen großen offenen Kamin, der unter anderem zum Räuchern von Würsten genutzt wurde.

Kaum beginnt der Winter, werden in den entsprechenden Läden Gasöfen und Elektroheizungen angeboten. Beides ist im Gebrauch teuer. Der Preis für Gas ist in Portugal an den Ölpreis gekoppelt, und eine Gasflasche von 13 Kilogramm kostet je nach Ölpreis um die 25 Euro.

Im Vergleich mit anderen EU-Staaten ist der Preis für Strom in Portugal hoch, ganz besonders wenn man bedenkt, dass die Einkommen sehr viel niedriger sind als zum Beispiel in Deutschland.

Kein Wunder, dass viele an der Heizung sparen und sich einfach warm anziehen und mit Jacken, Umschlagtüchern oder Decken in der Wohnung sitzen. Zehn Grad Außentemperatur hört sich nicht sehr kalt an, aber in einem ungeheizten Raum kann es sich ganz schön ungemütlich anfühlen.

Durch das unterschiedliche Klima in den Regionen haben sich auch die unterschiedlichen Bauformen der Häuser in Portugal entwickelt. Traditionell waren die Häuser im Süden ebenerdig, klein, langgestreckt und hatten nur wenige und kleine Fenster. Die Häuser wurden weiß gestrichen, denn die weiße Farbe und die kleinen Fenster boten Schutz vor der Hitze des Sommers.

Im Norden waren die Häuser aus Granit. Im Erdgeschoss war das Vieh untergebracht, im ersten Stock wohnte die Familie. So wärmte das Vieh durch den Holzboden die Wohnung der Menschen.

Auch heute sieht man im Winter an sonnigen Tagen immer noch geparkte Autos in Strandnähe. Aber die Besitzer der Autos steigen nicht etwa für einen Spaziergang aus, sondern bleiben in ihren Fahrzeugen sitzen, die durch die Sonne aufgewärmt werden. Der Mann liest Zeitung, die Frau häkelt. Im Winter ist das Auto oft einfach der wärmste Platz, da es von der Sonne gewärmt wird und man vor Wind geschützt ist.

Was können Sie besser machen?

Für Nicht-Portugiesen ist es oft unverständlich, wieso Portugiesen sich so schlecht gegen die Kälte schützen. Und natürlich ist es wahr, dass die Häuser in Deutschland generell besser isoliert und die Häuser vernünftig beheizt sind. Trotzdem ist es keine gute Idee, Portugiesen diese Tatsachen direkt ins Gesicht zu sagen.

Portugiesen sehen durchaus, was in Portugal nicht oder schlecht funktioniert. Sie reden auch darüber. Untereinander. Aber sie hören es nicht gerne von Nicht-Portugiesen. In diesem Fall ist Zurückhaltung angebracht.

Eine Bemerkung wie sie Alex herausgerutscht ist, im Sinne von: »In Deutschland ist das besser, da wird das so und so gemacht«, kann sehr schnell als arrogant und besserwisserisch aufgefasst werden.

Also: Selbst wenn in einem Gespräch unter Portugiesen Kritik an Portugal geübt wird und Sie das genauso sehen und gerne was dazu beitragen möchten – tun Sie es lieber nicht.

KLIMA IN PORTUGAL

Obwohl Portugal ein so kleines Land ist, unterscheidet sich das Klima in den verschiedenen Regionen.

Die Algarve hat mehr als 3.000 Sonnenstunden im Jahr und das mildeste Klima Portugals. Hier sind die Sommer lang, heiß und trocken und die Winter mild.

Der Alentejo umfasst circa 30 Prozent der Landfläche des portugiesischen Festlandes, und doch wohnen hier nur knapp 760 000 Einwohner. Das Innere des Alentejo ist von weiten Feldern und Korkeichen geprägt. Das Klima ist im Sommer heiß und trocken und im Winter kühl.

Im Norden Portugals sind die Winter kalt und regenreich, die Sommer können heiß werden. Je weiter man im Norden ist, desto kälter kann es werden. Je weiter man im Inland ist, desto größer sind die Unterschiede in den Sommer- und Wintertemperaturen, und je näher an der Küste, umso ausgeglichener sind sie.

In der fast zweitausend Meter hohen Serra de Estrela schneit es im Winter, und man kann dort sogar Ski fahren. In kalten Wintern sind aber nicht nur die Spitzen der Berge in der Serra de Estrela schneebedeckt, sondern alle hohen Berge. Schneefall ist in den Regionen im Inneren Nordportugals im Winter durchaus möglich. Und im Jahr 1954 hat es sogar im Alentejo und in der Algarve geschneit, wie man heute noch auf Fotos sehen kann. Aber in normalen Jahren liegt die Schneegrenze bei 1.000 Metern.

PORTUGAL DOS PEQUENITOS

In Coimbra befindet sich der Park Portugal dos Pequenitos, das »Portugal der Kleinen«. In diesem Themenpark kann man sich einen Überblick über ganz Portugal verschaffen. Hier kann man in verkleinerter Form alle traditionellen Haustypen Portugals besichtigen und bekommt einen Einblick in die Ex-Kolonien und die dortige Bauweise. Ein schöner Ausflug, der einem komprimiert und anschaulich Portugals Regionen einschließlich der Azoren und Madeira vermittelt und über die Ex-Kolonien informiert.

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