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PÁSCOA É O NATAL DOS LADRÕES

OSTERN IST DAS WEIHNACHTEN DER TASCHENDIEBE

Lissabon riecht nach Straßenverkehr und Abgasen, nach gegrilltem Fleisch und Fisch. In der Luft liegen Motorenlärm und Sirenen, Stimmengewirr und Straßenmusik. Der Judasbaum fängt an zu blühen, kleine lila Blüten dicht an dicht. Eine Legende besagt, dass sich Judas an so einem Baum erhängt habe, und dass der Baum daraufhin vor Scham rot angelaufen sei.

In den Straßen tummeln sich Touristen, und vor dem Aufzug Elevador de Santa Justa, der die Baixa, die Unterstadt, mit dem Bairro Alto, der Oberstadt, verbindet, steht eine lange Schlange. Alle wollen einmal mit dem Aufzug fahren, der schon seit über hundert Jahren in Betrieb ist und von dem aus man zum Convento do Carmo kommt, der Ruine des Klosters, das im großen Erdbeben von 1755 zerstört wurde.

Die gelbe Straßenbahn der mittlerweile berühmten Linie 28 platzt fast auseinander, so dicht aneinandergedrängt stehen die Fahrgäste in der Straßenbahn, die hier seit 1872 fährt. Damals wurde sie von Pferden gezogen, jetzt fährt sie elektrisch. An ihrer Ausstattung hat sich wenig verändert, der Waggon der Tram sieht noch so aus wie in den vergangenen Jahrhunderten: die Innenausstattung ist aus Holz, die Kurbeln sind aus Eisen.

Vorne in der Straßenbahn warnt ein Schild in mehreren Sprachen vor Taschendieben. Das Schild ist neueren Datums.

»Die Warnung vor den Taschendieben ist durchaus ernst zu nehmen«, sagt Stephanies Kollegin Ana Paula, »ganz besonders an den Wochenenden und an Feiertagen, so wie jetzt zu Ostern. Da kommen die Taschendiebe sogar aus dem benachbarten Spanien, und es ist Taschendiebe-Hochsaison. Ostern ist das Weihnachten der Taschendiebe«, erklärt Ana Paula und ermahnt Stephanie noch mal, nicht mit ihrem geliebten Rucksack durch die Lissabonner Innenstadt zu gehen. Und wenn sie schon nicht auf ihren Rucksack verzichten will, dann soll sie ihn wenigstens vor dem Bauch tragen, was Stephanie aber albern findet und sie in ihren Augen erst recht als Touristin kennzeichnet. Also will Stephanie sich endlich eine Handtasche kaufen, die sie wie eine echte Lisboeta oder Alfacinha dicht am Körper tragen wird, manchmal sogar unter der Jacke. Alfacinha – so heißen die Einwohner Lissabons im Volksmund, hat sie von Ana Paula gelernt. Aber woher der Ausdruck wirklich kommt, weiß niemand so genau.

Sie steigt in der Baixa aus der Straßenbahn und läuft durch die schnurrgeraden Straßen, die wie ein Schachbrett angelegt sind.

Stephanie setzt sich in eins der vielen Cafés in der Rua Augusta. Neben ihr versucht ein Paar aus Deutschland, etwas zu essen zu bestellen, und zwar auf Deutsch. Das Mädchen, das bedient, bleibt geduldig und bemüht sich vergeblich zu verstehen, was die Frau sagen möchte. Stephanie versteht es natürlich, es ist ja deutsch und nicht zu überhören. Die Frau und ihr Mann zeigen auf die Speisekarte. Die Bedienung schüttelt den Kopf und zeigt auf den Nebentisch. Dort isst eine Frau einen Käsetoast. Nun schütteln die Frau und ihr Mann wieder ihren Kopf und zeigen auf die Speisekarte. Die Bedienung zeigt auf den Käsetoast.

Das Paar schüttelt den Kopf, sie möchten was »Richtiges« essen. Aber wenn sie hier nichts essen können, nur weil gerade keine Essenszeit ist und keiner Deutsch kann, dann werden sie eben woanders hingehen. Was kosten das Wasser und der Kaffee? Fünf Euro, die Kellnerin hält die Finger hoch. Der Mann greift nach seiner Tasche, die er zwischen seine Beine auf den Boden gestellt hat. Aber der Platz zwischen den Beinen ist leer. Die Tasche verschwunden.

Was ist hier schiefgelaufen?

Ohne Panik machen zu wollen – Lissabon ist eine Großstadt mit internationalen Kongressen, vielen Besuchern und Reisegruppen aus aller Welt. 4,5 Millionen Besucher kommen pro Jahr in die Stadt, die zu den schönsten Hauptstädten Europas gehört. An manchen Tagen kommen durch die Kreuzfahrtschiffe, die direkt im Zentrum Lissabons anlegen, 6.000 Besucher an Land. Pro Tag! Oft zur gleichen Zeit. Lissabon ist toll. Das findet nicht nur Stephanie, das finden immer mehr Leute, und Lissabon wird immer voller und die Hochsaison der Taschendiebe immer länger. Die ausländischen Touristen erscheinen vielen Einheimischen reich und sind es im Grunde auch. Sie können es sich leisten zu reisen, haben teure Kameras und finden die Preise in portugiesischen Restaurants und Cafés günstig, während ein Großteil der portugiesischen Bevölkerung mit Gehältern zwischen 600 und 1.000 Euro brutto im Monat zurechtkommen muss.

Auf dem Land und in Kleinstädten gibt es eher wenig Kriminalität, aber in den Touristenzentren sieht das anders aus. Und in den Großstädten Porto und Lissabon sollte man sehr gut auf seine Sachen achten. In Lissabon betrifft das ganz besonders das Stadtzentrum, die Altstadt Alfama mit ihren engen Gassen und labyrinthartigen Treppen, und natürlich die öffentlichen Verkehrsmittel wie die Metro und ganz besonders die Linie 28 der berühmten Straßenbahn.

Auch auf der Seite des Auswärtigen Amtes wird vor den Taschendieben gewarnt. Aber insgesamt gilt Portugal nach wie vor als sicheres Land. Und zu den friedlichsten Ländern zählt es auch: Im Global Peace Index von 2019 liegt es auf Platz 3 der friedlichsten Länder der Welt.

Was können Sie besser machen

Beachten Sie einfach die üblichen Vorsichtsmaßnahmen. Dazu gehört, dass man Wertsachen zu Hause oder im Hotelsafe lässt. Es ist auf jeden Fall gut, von Ausweis, Führerschein und anderen wichtigen Papieren eine Kopie zu haben, die man im Hotel lässt. Wenn möglich, lässt man die Originale dort und hat nur die Kopien bei sich.

Generell gilt: Je voller und touristischer die Gegend, umso größer die Gefahr, dass Taschendiebe am Werk sind. Gutes Beispiel: die gelbe Straßenbahn der Linie 28, die Alfama und die Cafés auf dem Rossio und in der Rua Augusta. Eben überall dort, wo viele Menschen eng zusammen sind und wo es unübersichtlich ist.

Wie man sich schützen kann, ist eigentlich jedem bekannt. Geld nur so viel wie nötig mitzunehmen und an unzugänglichen Stellen aufzubewahren, ist eine Selbstverständlichkeit. Man sollte keine Wertsachen in Tagesrucksäcken transportieren und den Rucksack nicht auf dem Rücken tragen, sondern vorne. Außerdem sollte man die Handtasche immer eng am Körper tragen, eventuell sogar unter der Jacke.

Man sollte sich trotzdem nicht davon abhalten lassen, durch die vielen Gassen der Alfama bis hoch zum Castelo de São Jorge zu gehen, denn von dort hat man einen fantastischen Blick auf Lissabon: auf die große, am Flussufer gelegene Praça do Comércio (»Handelsplatz«), von vielen jedoch Terreiro do Paço (»Schloßplatz«) genannt, weil hier vor dem großen Erdbeben von 1755 der Königspalast stand, auf die Baixa, die nach dem Aufbau zum Nobelviertel Lissabons wurde und die auch heute noch Flanier- und Einkaufsmeile ist, die Alfama mit ihren alten Häusern, und auf das Kloster Convento do Carmo, das nie vollständig wieder aufgebaut wurde, sondern zum Gedenken an die große Katastrophe als Ruine belassen wurde.

LISSABON

Die Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Jetzt wohnen noch knapp 507.000 Menschen in der Hauptstadt (Quelle Wikipedia, Zahl von 2019). Die Einwohnerzahl ist gesunken, weil viele Menschen aus dem Zentrum in die Vorstädte ziehen, auch weil die Mieten im Zentrum so gestiegen sind. Im Großraum Lissabon wohnen gut 2,8 Millionen Menschen – das sind mehr als ein Viertel der Einwohner Portugals.

Von der Burg – dem Castelo São Jorge – hat man einen fantastischen Blick über die Stadt. Auf der anderen Flussseite, dem Südufer des Tejo, ragt der Cristo Rei auf, eine 28 Meter hohe Statue auf einem 75 Meter hohen Sockel, und das ganze 113 Meter über Flusshöhe. Diese Christusfigur mit ausgebreiteten Armen erinnert nicht ohne Grund an die Christusstatue von Rio de Janeiro, denn diese war ihr Vorbild. Gebaut wurde die Statue in Lissabon in den 50er-Jahren, als Dank dafür, dass Portugal nicht in den zweiten Weltkrieg verwickelt wurde. Zur Einweihung der Statue im Jahr 1959 kamen 300.000 Menschen.

Die rote Ponte 25 de Abril, von der Bevölkerung einfach nur A Ponte (»die Brücke«) genannt, weil sie lange Zeit die einzige Brücke Lissabons war, erinnert an die Golden Gate Bridge in San Francisco. Erst durch den Bau der Ponte 25 de Abril in den 60er-Jahren konnte der Süden so richtig erschlossen werden.

Auf der Lissabonner Seite des Tejo sieht man die sogenannte Baixa. Die Straßen sind wie ein Schachbrett angelegt. Am Ufer liegt die große Praça do Comércio. Es ist das Gebiet des alten Lissabons, das im Jahr 1755 durch ein Erdbeben stark zerstört wurde. Die Baixa wird auch Baixa Pombalina genannt, nach Marquês de Pombal, der damals für den Aufbau der Stadt verantwortlich war.

Hier von der Burg aus sieht man auch den Elevador de Santa Justa, der seit mehr als hundert Jahren die Unterstadt mit der Oberstadt verbindet. Dort steht die Ruine des Convento do Carmo, dessen Dach bei dem Erdbeben einstürzte und nie wieder aufgebaut wurde.

Man sieht auch das Bairro Alto, das lange der Stadtteil von Lissabon war, in dem man nachts ausging, und das auch heute noch ein beliebtes Ausgehviertel ist.

Heraus ragt die weiße Kuppel der Basílica da Estrela, einer Basilika aus dem 18. Jahrhundert. Gegenüber der Kirche liegt der Jardim da Estrela, ein wunderschöner Park, der wie ein kleines Naherholungsgebiet ist.

Unterhalb der Burg liegt die Alfama, der Stadtteil, der damals bei dem Erdbeben nicht zerstört wurde. Hier sind noch kleine, enge Gassen und Treppen, die durch das Viertel führen. Und hier in der Alfama befindet sich auch die Sé de Lisboa, die älteste Kirche der Stadt.

DAS ERDBEBEN VON 1755

Am 1. November 1755, genau an Allerheiligen, legte ein Erdbeben mit einer geschätzten Stärke von 9 auf der Richterskala die Stadt Lissabon in Schutt und Asche. Das Beben, dessen Auswirkungen bis nach England, in die Niederlande und nach Schweden spürbar waren, hatte sein Epizentrum im Atlantik, etwa 200 Kilometer vor der portugiesischen Küste.

Zunächst bebte die Erde mehrere Minuten lang und in der Stadt brachen Gräben auf. Dann brachen Brände aus. Da es Allerheiligen war, waren die Kirchen vollbesetzt, und in allen Kirchen brannten Kerzen. Die Bevölkerung floh an das Ufer des Tejo und sah dort, wie sich das Wasser des Flusses zurückzog. Kurze Zeit später brach ein Tsunami mit voller Wucht über Lissabon herein.

Dieser Tsunami löschte zwar die Brände, aber die Flutwelle brachte die Gebäude zum Einsturz und riss sie mit. Schätzungsweise 85 Prozent der Gebäude Lissabons wurden zerstört. 60.000 Menschen wohnten damals in Lissabon, fast ein Drittel starb durch die Katastrophe. Die Lissabonner Kirchen wurden zerstört sowie der Königspalast und die Staatsbibliothek. Die Teile Lissabons, die der Tsunami nicht erreichte, brannten noch lange weiter.

Die Torre de Belém am Tejoufer und das Kloster Mosteiro dos Jerónimos, das Hieronymuskloster, beide im Stadtteil Belém, gehören zu den wenigen Gebäuden im manuelinischen Stil, die das Erdbeben von 1755 unbeschadet überstanden haben. Die Torre de Belém gehört heute zu den Wahrzeichen Lissabons. Der Turm diente im Laufe der Jahrhunderte als Wachtturm, Leuchtturm, Zollamt, Waffenlager und Gefängnis.

Ursprünglich war er gebaut worden, um die Stadt vor Seeräubern und feindlichen Angriffen zu schützen. Aus dem gleichen Grund gab es auf der gegenüberliegenden Seite des Tejo einen Zwillingsturm, der allerdings dem großen Erdbeben von 1755 zum Opfer fiel.

Aber das Beben richtete nicht nur Schäden in Lissabon an. Es vernichtete alle Städte in der Algarve. Im Kloster von Alcobaça brachte es die Kuppel der Sakristei zum Einsturz. Überall im Land waren die Folgen sichtbar.

Der damalige Premierminister Marquês de Pombal ließ die Unterstadt nach damaligen modernsten städtebaulichen Gesichtspunkten wieder aufbauen. So entstand die Baixa: gerade Straßen, schachbrettartig angelegt. Von Marquês de Pombal stammt auch der berühmte Ausspruch Majestade, enterrem-se os mortos e cuide-se dos vivos. Auf Deutsch: »Majestät, begrabt die Toten und sorgt für die Lebenden.« Das war seine Antwort auf die Frage des Königs José I., was zu tun sei. Der König und seine Familie waren zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht in der Stadt, aber es heißt, der König hätte nach dem Erdbeben nie wieder in einem Gebäude aus Stein geschlafen, sondern nur noch in Zelten und Gebäuden aus Holz. Er ließ in Ajuda einen Palast aus Holz und Tuch bauen, der von der Bevölkerung Real Barraca, »die königliche Barracke«, genannt wurde.

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