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COM PACIÊNCIA TUDO SE ARRANJA

MIT GEDULD GEHT ALLES

Jetzt macht schon, denkt Stephanie und guckt ungeduldig auf die Uhr. Sie steht in einer Pastelaria in der Schlange. Alle warten geduldig. Überhaupt scheinen die Leute hier viel Zeit zu haben. Und von »Rechts stehen, links gehen« auf der Rolltreppe hat man hier anscheinend auch noch nichts gehört, konnte sie gestern auf der Fahrt vom Flughafen in ihre Wohnung in der Avenida da Roma feststellen. Damals im Urlaub an der Algarve fand Stephanie die relaxte Atmosphäre toll, aber jetzt gerade nervt es ganz schön. Sie muss um zehn in der Sprachenschule sein, um sich dort vorzustellen, und wollte vorher noch Brötchen holen und richtig frühstücken. Aber es geht einfach nicht voran.

Noch vier Leute vor ihr. Soll sie einfach wieder gehen? Das ist schwierig. Sie hat zwar gestern im Supermarkt ein paar Lebensmittel eingekauft, aber kein Brot. Sie wollte gerne frische Brötchen zum Frühstück. Wer kann denn auch ahnen, dass es hier beim Bäcker ewig dauert.

Die Auslagen sind verlockend: Brot und Brötchen in Körben, und eine große Auswahl an Kuchenstückchen in der Glasvitrine. Viele Gäste trinken einen Milchkaffee und essen ein Stück Kuchen. Die Kuchen sehen verlockend aus: Törtchen mit Blätterteig, schokoladenüberzogene Kekse, Blätterteig mit einer gelben Füllung. Das ist verführerisch, aber ... Kuchen zum Frühstück?. Manche trinken ihren Kaffee auch einfach am Tresen. Im Café es ist laut und unordentlich.

Jetzt ist sie fast dran, endlich. Noch eine Frau vor ihr. Und natürlich die Frau, die gerade bedient wird. Eine ältere Frau, die sich so richtig Zeit lässt. Stephanie guckt auf die Uhr. Halb zehn. Wie soll sie es so schaffen, die Brötchen zu holen, zurück nach Hause zu gehen, zu frühstücken und rechtzeitig in der Sprachenschule anzukommen? Stephanie seufzt.

Die Frau vor ihr dreht sich kurz um. Lächelt ein bisschen. Denkt wahrscheinlich: Aha, eine Ausländerin. Alle anderen in der Schlange nehmen das Warten geduldig in Kauf. Die einzige, die Anzeichen von Ungeduld zeigt, ist Stephanie. Das Gespräch am Tresen zieht sich weiter in die Länge. Und so viel Portugiesisch versteht Stephanie schon: Hier geht es um nichts Wichtiges. Im Gegenteil, alles belangloser Small Talk, und alles wird dreimal gesagt. Da, jetzt endlich, die Verabschiedung. Und dann doch noch ein Nachschlag.

»Grüßen Sie Ihre Frau«, sagt die ältere Dame zum Bäcker.

»Und grüßen Sie Ihren Sohn in Luanda«, antwortet der Bäcker. »Wann kommt er denn nach Hause?«

»Er wollte eigentlich Ostern kommen«, sagt die Frau.

»Grüßen Sie ihn«, sagt der Bäcker.

»Vielen Dank«, sagt die ältere Frau. »Bom dia.«

»Bom dia«, sagt der Bäcker. »Und gute Besserung.«

»Danke«, erwiedert die ältere Frau. »Und sagen Sie ...«

Da rutscht Stephanie ein tiefer, lauter Seufzer raus.

Der Bäcker sieht zu ihr. Die beiden Frauen vor ihr drehen sich um. Der Mann mit dem Kaffee am Tresen sieht hoch. Selbst von den Tischen sehen einige kurz zu ihr und dann wieder weg. Für einen kurzen Moment herrscht betretenes Schweigen in der Pastelaria.

Was ist hier schiefgelaufen?

Das Tempo ist insgesamt langsamer als in Deutschland, der Rhythmus entspannter, selbst in einer Großstadt wie Lissabon. Und das Tempo in Läden, Werkstätten und auf Behörden ist oft sehr langsam.

Zeit hat in der portugiesischen Kultur eine andere Bedeutung als in der deutschen Kultur. Der Unterschied besteht darin, dass Deutschland eine sogenannte »monochrome« Kultur hat, in der die Zeit linear gelebt wird. Und Portugal eine »polychrone« Kultur, in der Dinge nicht nacheinander, sondern gleichzeitig erledigt werden. Zeit und die Einhaltung von Zeit, also Pünktlichkeit, sind in Deutschland enorm wichtig, was sich in Sprichwörtern wie: »Zeit ist Geld« und »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige« spiegelt. Pünktlichkeit ist in Deutschland eine Primärtugend, auf die extrem viel Wert gelegt wird. Punkte auf Tagesordnungen werden der Reihenfolge nach abgearbeitet, und Verabredungen auf die Minute genau eingehalten.

Das ist in Portugal anders. Hier steht Pünktlichkeit nicht an erster Stelle. Zuspätkommen gehört dazu, eine Viertelstunde ist eigentlich immer drin. Außerdem werden Dinge oft parallel erledigt. Dabei hat die soziale Komponente im Miteinander eine größere Bedeutung als Pünktlichkeit. Es ist wichtiger, mit seinem Gegenüber einen guten Kontakt zu haben, als zur nächsten Verabredung pünktlich zu erscheinen. Genauso wie es wichtiger ist, in einem Meeting eine Vertrauensbasis mit dem Geschäftspartner zu schaffen als Tagesordnungspunkte abzuarbeiten.

Stephanie fühlt sich genervt, weil sie warten muss, während in ihren Augen Unwichtiges beredet wird, das für den Brotverkauf nicht nötig ist. Aber für den Bäcker und seine Stammkundin sind Small Talk und das Austauschen von Grüßen wichtige Bestandteile des Miteinanders.

Ein einfaches kurzes Bedienen und sofort zur zu Sache kommen würde von den Beteiligten als unhöflich und schroff empfunden und ist wohl auch ein Grund dafür, dass Deutsche von Portugiesen oft als »kalt« wahrgenommen werden.

Was können Sie besser machen?

Man fällt in Portugal nicht mit der Tür ins Haus, weder buchstäblich noch im übertragenen Sinne. Wenn man Leute besucht, wird man nicht gleich ins Haus gehen, sondern erst mal abwarten. Wenn man eingeladen wird einzutreten, sagt man com licença, was so viel heißt wie »mit (Ihrer) Genehmigung«.

Im Gespräch von Angesicht zu Angesicht, bei einem Treffen auf der Straße, bei einem Geschäftstermin oder beim Telefonieren – man kommt nicht sofort zur Sache, sondern redet erst einmal darüber, wie es einem geht, macht ein bisschen Small Talk und kommt dann erst nach einer Weile zum eigentlichen Anliegen des Gesprächs.

Genauso unhöflich ist es, ein Gespräch einfach ohne Floskeln abzubrechen. Meist wird das Gespräch, egal ob am Telefon, auf der Straße oder beim Bäcker, langsam beendet. Man lässt es sozusagen ausklingen und schafft so einen runden Abschluss. Und dazu gehört, dass alles Wichtige noch einmal wiederholt wird, ehe man sich mit mehrmaligen beijinhos (Küsschen) endlich verabschiedet.

Auch wenn es schwerfällt: Es ist besser, seine Ungeduld nicht zu zeigen, sich stattdessen in Geduld zu üben und sich dem portugiesischen Tempo zumindest äußerlich anzupassen.

FRÜHSTÜCK IN PORTUGAL

Das portugiesische Frühstück besteht bei vielen Portugiesen aus einem Espresso und eventuell einem Stück Kuchen. Auf dem Weg zur Arbeit wird es schnell in einer der vielen Pastelarias eingenommen.

Früher bestand das typische Frühstück oft auch aus einem Espresso und einer Zigarette. Aber heute darf in den Pastelarias drinnen nicht mehr geraucht werden. Draußen vor den Cafés ist es nach wie vor erlaubt.

Wer mehr Zeit hat, sitzt am Tisch und trinkt Espresso oder Galão, einen Kaffee mit viel Milch, der in einem Glas serviert wird. Dazu kann man ein Kuchenstückchen essen oder eine Torrada. Das sind zwei dicke, mit Butter bestrichene Scheiben getoastetes Weißbrot.

Ein Frühstück, wie man es in Deutschland im Café bekommt, gibt es hier nicht. Und Brunch ist noch relativ unbekannt.

In den Familien gibt es morgens meist Kaffee und Orangensaft, dazu Toast, eventuell mit Butter und Marmelade, und für die Kinder Cornflakes und Co. Im Supermarkt finden sich unzählige Sorten in den langen Regalen, alles von Rice Crispies über Knusperflocken bis Honigpops. »Richtiges« Müsli ohne Zucker muss man suchen, und man findet es am ehesten in deutschen Supermarktketten.

Außerdem wird in vielen Familien Getreidekaffee getrunken, entweder mit etwas Bohnenkaffee oder auch ganz ohne. Und den richtigen Kaffee trinkt man dann als Espresso hinterher im Café.

Der portugiesische Kaffee

Der Kaffee in der Pasteleria gehört im portugiesischen Leben einfach dazu. Viele Portugiesen haben ihre Lieblingsmarke und trinken ihren café in dem Café, in dem ihre Lieblingsmarke angeboten wird. Außerdem ist die Zubereitung wichtig. Der richtige Espresso soll stark sein, aber nicht bitter, mit einer Crema obendrauf. Jeder bestellt seinen Kaffee genau so, wie er ihn gerne möchte, und es kann gut sein, dass die Bedienung noch mal nachfragt: Cheio ou normal? – Voll oder normal?

Interessanterweise ist der Verbrauch von Kaffee pro Kopf in Portugal erheblich geringer als in Deutschland. In Deutschland werden 5,5 Kilogramm Kaffee pro Jahr und Kopf getrunken, in Portugal nur 4,3 Kilogramm. Aber während man in Deutschland oft einfach Filterkaffee trinkt, hat es in Portugal große Wichtigkeit, wie der Kaffee zubereitet wird, in welcher Form man ihn trinkt, ob als Espresso oder Café Duplo, ob mit Milch oder ohne, oder sogar mit Schuss.

Der normale Espresso heißt im Norden café und in Lissabon und im Süden bica. Für den Namen bica gibt es zwei Erklärungen. Eine Erklärung bezieht sich auf den Ausguss, die bica, aus dem der Kaffee gezapft wurde. Eine andere Legende kommt aus der Zeit, als der Kaffee eingeführt wurde: Viele Kunden fanden das Getränk stark und bitter. Also stellten die Cafés Schilder auf, auf denen stand: Beba isto com açúçar, was auf Deutsch heißt: »Trinken Sie es mit Zucker.«

Hier die wichtigsten Kaffee-Varianten

Bica (im Süden) oder café (im Norden): Espresso

Café cheio: Espresso mit etwas mehr Wasser

Café curto: Espresso mit etwas weniger Wasser

Sem princípio: Bei der Zubereitung wird der starke Anfang weggelassen

Carioca: Schwacher Espresso aus zweitem Durchlauf

Descafeinado: Entkoffeinierter Kaffee

Galão: Milchkaffee, im Glas serviert

Meia de leite: Milchkaffee, in einer Tasse serviert

Galão escuro: Dunkler Milchkaffee mit mehr Kaffee

Café duplo: doppelter Espresso

Café duplo com leite: doppelter Espresso mit Milch

Café com cheirinho: Espresso mit einem Schuss Alkohol, meist Schnaps oder Brandy

Fettnäpfchenführer Portugal

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