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Der große Zapfenstreich

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»Im Gleichschritt, marsch! Links, zwo, drei, vier! Links, zwo, drei, vier! Links, …, links, …, links, zwo, drei, vier!« Ein Heer von Nilgänsen bevölkert unsere Wiese und macht aus ihr einen Exerzierplatz. Unfassbar, aus Kings Wiese, die bis zum Himmel geht und die jetzt statt der Sonnen-Sterne ein bescheiden grünes Gewand trägt. Wie gebannt stehen wir beide am Wegrand und beobachten den Drill einer Formalausbildung. Der Major wirft sich in die Brust und befiehlt militärisch korrekt: »Kompanie, halt! Rührt euch! In Linie antreten! Richt euch! Augen geradeaus! Schnabel ab! Fett anfuttern!«

Was muss jetzt in Kings Kopf vorgehen, der ja am liebsten unumschränkt in seinem Reich herrscht und jeden Eindringling zähnefletschend vertreibt? Daran hindert ihn im Moment wohl nur die Leine, die ich sicherheitshalber auf Spannung halte. King kennt durchaus etliche Gefiederte, hat auch Spaß daran, ihre Flugfähigkeiten zu schulen, aber solche Gänse in ihrer schmucken Paradeuniform hat er noch nie gesehen. Kein Wunder, ist doch das von unserem Zuhause entfernteste Gebiet, in dem er sich ab und zu aufhält, das nördliche Italien und von da bis nach Ägypten die Entfernung noch recht beträchtlich!

Plötzlich besinnt sich mein Terrier auf seine territorialen Ansprüche, springt auf, wirft sich ohne Rücksicht auf meine Standfestigkeit in die Leine, knurrt, bellt, geifert und fletscht das Heer der Gänse an, sodass es dem befehlenden Offizier zu ungemütlich wird. »Zum Abflug, marsch!« Hunderte von Flügeln schlagen hektisch, die Wiesenstartbahn wird zur Geschwindigkeitssteigerung genutzt und nach dem zunächst schwerfälligen Start fliegt der Trupp in einer geordneten Formation gen Süden. Ich kann es zwar nicht mehr erkennen, aber ich könnte wetten, der Major fliegt an der Spitze und führt seinen Drill fort. Seine Kommandostimme kann ich nämlich noch gut hören! Es ist natürlich auch möglich, dass er King eine Strafpredigt hält, weil mein Airedale das Essenfassen seiner Truppe abrupt gestoppt hat und die Schuld daran trägt, dass jeder Nilgans mindestens ein Fettpölsterchen fehlt. Jetzt fällt ein ganzer Chor von Stimmen in das Geschrei ein. Das Schimpfen muss also wirklich King gelten! Brave, gut gedrillte Truppenmitglieder geben ihrem Kommandanten keine Widerworte.

King sitzt noch immer angespannt am Wegrand und überwacht den Abzug des Heeres. Beschimpfen lässt er sich natürlich auch von Gänsen nicht kommentarlos und schickt ihnen noch ein paar wütende Beller nach. Ich zupfe an der Leine: »Komm jetzt, sie sind weg!« King bleibt auf Beobachtungsposten. »King!« Er sitzt wie angewurzelt. Wieder rucke ich an der Leine. »King, sofort!« Ganz langsam erhebt er sich, schaut mich vorwurfsvoll an und schleicht wenig begeistert neben mir her. Immer wieder dreht er sich um und kontrolliert mit einem kurzen Blick, ob Wiese und Himmel noch gänsefrei sind. Ja, gehorsam ist er, mein King, aber eben nicht immer bedingungslos! Ein »bei Fuß« würde seinem Treiben ein sofortiges Ende setzen. Das verkneife ich mir aber und löse stattdessen die Leine. So kann ich wieder einmal den Einfallsreichtum meines Hundes genießen, der jetzt beinahe jeden Grashalm, nur tröpfchenweise, aber immer mit Wiesenblick markiert. Nein, die Aufregung ist ihm nicht auf Nieren und Blase geschlagen. Was King jetzt zeigt, ist typisch »airedale-ige« Strategie.

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