Читать книгу Könige zum Anfassen - Annette Küper - Страница 8
Nachtjägerin
ОглавлениеIn mein Haus und in mein Herz ist er am Spätnachmittag eingezogen, 8 Wochen jung, bildhübsch, bezaubernd und unwiderstehlich, mein King, ein kleiner König der Terrier, der sofort selbstbewusst jede Ecke seines neuen Reiches in Besitz nimmt. Unglaublich spannend ist es für ihn, ohne Rückendeckung seiner Mutter und Geschwister so viel Neues zu erforschen. Die Rute fröhlich getragen, strolcht er durch das Wohnzimmer, während ich mich von seinem Anblick nicht losreißen kann. Aufregung und Blasentätigkeit scheinen bei einem Welpen unmittelbar miteinander verknüpft zu sein. Bewusst wird mir dieser Zusammenhang erst, als King beinahe ansatzlos die typische Hock-Haltung einnimmt und ein ansehnliches Pfützchen auf meinem Parkettboden hinterlässt. Erziehung zu Stubenreinheit ist jetzt wohl die dringlichste Aufgabe, die es zu meistern gilt.
Ich bewaffne mich mit Leckerlis, nehme den kleinen Kerl auf den Arm und stelle ihn im Garten auf den Rasen. Ein Eldorado an Geruchserlebnissen stürmt hier auf ihn ein und so setzt er sich völlig überwältigt erst einmal auf sein Hinterteil. Dann siegt die Neugier und King erkundet vorsichtig die fremde Umgebung. Gefährlicher Rosenstrauch links: wird verbellt! Graue Monster-Mülltonne rechts: wird verbellt! Riesiges Findling-Ungeheuer auf dem Heidehügel: wird verbellt! Ergebnis der ganzen Aufregung ist ein Pfützchen in der hintersten Ecke des Gartens und ein sehr zufriedenes Frauchen, das freizügig Leckerbissen verteilt. Der erste Schritt ist geschafft! King hat jetzt ein Garten-Hundeklo, das er immer wieder benutzen wird!
Vorm Schlafengehen wecke ich meinen Miniatur-Airedale noch einmal und trage ihn hinaus auf den Rasen, in der Hoffnung, er werde spornstreichs Richtung Löseplatz marschieren, um schnell alle Geschäfte zu erledigen.
Aber King hat Zeit, schnüffelt hier und da an einem Grashalm, steckt das Näschen in ein Mauseloch, hüpft durch mein Staudenbeet, reißt dort einen Blütenstängel ab und tollt damit ausgelassen durch den Garten, während ich fröstelnd auf der Terrasse stehe und auf ihn warte.
Aus den Augenwinkeln sehe ich schemenhaft einen großen Schatten von einem Zaunpfahl auffliegen. Völlig lautlos gleitet ein gedrungener Körper mit fast rundem Kopf in Bodennähe auf meinen King zu. Das ist sie, die gefürchtete Nacht-Jägerin, die in der Lage ist, eine davonhuschende Maus bei der Bodenjagd einzuholen. Sie hat offensichtlich von ihrem Ansitz aus King fixiert. Eulen töten immer auf die gleiche Weise. Den Flug wird sie abrupt abbremsen, sobald sie den Kleinen erreicht hat, und zeitgleich die dolchartigen Klauen nach vorne strecken. Darauf folgt der Tötungsbiss in den Nacken und das Opfer wird mit den kräftigen Fängen durchgewalkt. Ihre Flügel nehmen dabei die Fangstellung ein und werden weit über die Beute gespreizt.
Wie versteinert erlebe ich die Sekundenbruchteile, in denen sich der Angriff abspielt, kann meinen Blick nicht von den dramatischen Ereignissen lösen. Mit weit aufgerissenen Augen erkenne ich, dass die Eule knapp über King, der sich ängstlich auf den Boden drückt, hinweggleitet, ohne ihn zu berühren, und in Richtung Wald abdreht. Im letzten Moment hat sie glücklicherweise wohl erkannt, dass mein Airedale-Baby keine überdimensionale Maus ist.