Читать книгу Kein Date ohne Katastrophe - Annie Sattler - Страница 10

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Seit Clara nun schon bald zwei Jahre Single war, hatte sie keine große Freude mehr am Ausgehen. In den Clubs lernte sie auch niemanden kennen und ließ sich immer seltener dazu überreden, zu einer Party mitzukommen. Von Sunny war sie inzwischen leicht genervt und versuchte sich von ihr zu distanzieren. Besonders seit Sunny so furchtbar kindisch in Jakob verliebt war. Ein Typ, den sie im März über eine Online-Singlebörse kennengelernt hatte, der aber, so viel sie von ihm wusste, gar nicht zu Sunny passte. Allein ihre Namen passten schon gar nicht zusammen, fand sie. Sie bekam Sunny auch immer seltener zu sehen, was für sie in Ordnung war, da sie seitdem auch weniger Alkohol konsumierte, weniger Geld für den Eintritt in die Clubs ausgab und weniger mit schrägen Typen auf der Tanzfläche kollidierte.

Plötzlich meldete sich Sunny jedoch überraschend wieder bei Clara.

»Ach, das ist ja ein Ding. Hast du dich verwählt?«

»Nein«, verteidigte Sunny sich, obwohl sie Claras Scherz sehr wohl erfasst hatte. »So lange war ich mit Jakob jetzt auch nicht im Bett abgetaucht.«

»Wo sonst? «, fragte Clara gelangweilt. »Was gibt es denn?«

»Nadine schmeißt am Donnerstag eine Party, sie hat dich auch eingeladen, kommst du? Dann lernst du vielleicht mal wieder ein paar andere Männer kennen!«

»Nein, ich werde nicht hingehen, ich habe keine Lust auf Nadines Freunde und ich kann mir nicht vorstellen, dort auch nur eine Person zu finden, mit der ich mich gerne unterhalten möchte. Sei mir nicht böse, aber ich bin momentan ziemlich ausgelaugt. In der Agentur gibt es gerade wieder viel zu tun und ich bin abends immer so müde, da kann ich nicht donnerstags auch noch auf eine Party gehen. Obwohl ich ja schon auf deinen Jakob gespannt bin und mich gerne mal live von ihm überzeugen würde.«

Was natürlich gelogen war. In Wahrheit tat sie alles dafür, ein Zusammentreffen mit „Superman Jakob“ hinauszuzögern.

»Ellen hat ihn schon kennengelernt!«, berichtete Sunny stolz. »Wir haben uns zufällig beim Einkaufen getroffen.«

»Das war mir klar! So neugierig, wie Ellen immer auf unsere neuen Männer ist, hat sie wahrscheinlich den ganzen Tag im Supermarkt nur darauf gewartet, euch über den Weg zu laufen.«

»Nein, das glaube ich nicht.«

»Doch! Sie sagt zwar immer, wir sollen nicht so viel „rumhuren“, aber wenn wir einen neuen Mann an der Angel haben, kann sie es kaum erwarten, ihn ebenfalls kennenzulernen.«

»Jakob ist auch wahnsinnig toll! Heute hat er mir von der Arbeit aus den ganzen Tag E-Mails geschrieben, was er so gerne alles mit mir anstellen möchte. Er hat hinreißend sinnliche Fantasien!«

»Ach, tatsächlich?«

Clara musste sich dazu zwingen, nur einen Funken Begeisterung zu zeigen und betete gleichzeitig, dass sie nicht anfing, ihr seine Fantasien im Detail zu erzählen.

»Und am Freitag gehen wir schwimmen, um was für unseren Körper zu tun.«

»Ach so, ihr wollt euch fit halten. Viel Spaß!«

Sie kannte Jakob erst wenige Wochen und dieser Typ dominierte von Minute zu Minute immer mehr Sunnys Leben. Clara hatte kein gutes Gefühl dabei, aber freute sich für sie. Solange sie glücklich war, Schmetterlinge im Bauch hatte und ihre Freundinnen nicht komplett vernachlässigte, war nichts dagegen einzuwenden. Sie nahm sich vor, Ellen mal dezent nach ihrer Meinung über Jakob zu fragen.

Ellen kam vor drei Jahren nach Berlin, als ihr Mann Jochen einen neuen Job angeboten bekam. Niemand hätte den beiden zugetraut, dass sie das Bergische Land bei Köln für die Hauptstadt verlassen würden, da sie immer so heimatverbunden und sesshaft wirkten, insbesondere nachdem sie mit bereits 24 Jahren geheiratet hatten. Aber in einem Anflug von Abenteuerlaune krempelten sie ihr Leben um und zogen nach Berlin. Als Rheinländerin war das Leben in der Hauptstadt für Ellen zunächst eine Herausforderung. Sie war als Rechtsanwaltsfachangestellte ein eher solider Typ. Sie plante die Dinge gerne und fühlte sich wohl, wenn sie wusste, was sie erwarten würde. Berlin war Ellen zu schnelllebig, zu spontan und irgendwie empfand sie die Stadt zu unorganisiert.

Anfangs lebten sie in einer 3-Zimmerwohnung in Wilmersdorf. Als Jochen seine Probezeit bestanden hatte, suchten sie eine Eigentumswohnung zum Kauf in den Randbezirken. Ellen wurde es einfach zu trubelig, in der Stadt zu wohnen.

Ellen und Jochen hatten immer das gemeinsame Ziel, irgendwann eigene Kinder zu bekommen. Für Ellen war das ganz klar geplant, dem Jochen, in seinen jungen Jahren, mit seiner damaligen Naivität und frischen Verliebtheit Anfang Zwanzig auch immer zustimmte. Nach der Hochzeit ebbte sein Drang, Vater zu werden, zunächst ab und das Jobangebot aus Berlin kam ihm da sehr entgegen. Erst einmal die Probezeit durchstehen und ankommen. Ellen wollte sich ebenfalls einen neuen Job suchen und sich in Berlin einleben. Der langfristige Plan war, eine Wohnung zu kaufen und das Vermögen zu stärken – dann wäre Jochen auch bereit für eigene Kinder gewesen. Nur kam Ellen nicht mehr mit, in welcher dieser Phasen sie sich mit Jochen befand und wie viel Vermögen er noch anhäufen wollte, bevor sie eine Familie gründen würden. Clara hatte vollstes Verständnis für Ellen. Aber bei ihnen beiden tickte die Uhr, beide mussten bald zusehen, wie sie an ein oder mehrere eigene Kinder kämen beziehungsweise sich darüber klar werden, ob sie überhaupt welche wollten. Und Ellen hatte wenigstens schon den Mann dazu.

Zehn Tage später wollte sich Sunny plötzlich wieder mit Clara treffen, nachdem sie sich fast einen Monat lang nicht mehr gesehen hatten, und schlug ein Café am Kurfürstendamm vor. Der Ku’damm war an diesem sonnigen Samstag voll mit Menschen, die sich für den Sommer neu einkleiden wollten. Clara konnte das nachempfinden, sie bekam nach dem Winter auch immer eine große Lust darauf, neue Kleidung zu shoppen, sobald die Sonne rauskam. Heute freute sich Clara jedoch mehr darüber, dass sie seit Langem mal wieder in Ruhe mit Sunny quatschen konnte. Sie berichtete ihr von den neuesten Ekelkommentaren ihres Chefs und erzählte ihr, wie sie Harry Scheffler losgeworden war. Sunny erzählte von Jakob. Sie erzählte nur von Jakob. Sie schilderte detailliert, wie gut er küssen konnte, dass sie Sex im Schwimmbad hatten und vor allem, wie geschickt er dabei war. Clara wusste nicht, ob Sunny wirklich so begeistert war oder nur angeben wollte. Aber wozu? Clara hat sich noch nie von Bettgeschichten beeindrucken lassen.

Nach einer Dreiviertelstunde stand plötzlich Jakob am Tisch.

Wow, was für ein Zufall, wunderte Clara sich und vermutete, dass er sie von draußen durch das Fenster entdeckt hatte, welches er bei einem Stadtbummel zufällig passierte.

»Hey, Schatz, komm, setz dich!«, sagte Sunny und zog ihm einen Stuhl heran.

»Hi, Clara, alles frisch?«, grinste Jakob und gab ihr ganz fröhlich ein Küsschen links und rechts auf die Wangen.

»Hallo, Jakob, ähm … schön, dich kennenzulernen!«

»Danke, ebenfalls! Ich freu mich auch!«

»Du, ich weiß ja schon einiges über dich. Sunny war sehr auskunftsfreudig!«, gab Clara preis.

Sunny warf Clara einen warnenden Blick zu und versuchte, schnell vom Thema abzulenken: »Schatz, was willst du trinken? Ich kann dir den White-Chocolate-Mocca empfehlen.«

»Och, ich nehme einfach das, was du auch hast«, sagte er und bestellte sein Kaffeegetränk bei der herbeigeeilten Bedienung.

»Wo kommst du denn gerade her?«, wollte Clara wissen.

»Ich war noch im Apple-Store und habe nach einer Er-weiterung für mein Smartphone gesteuertes Licht geschaut.«

»Oh, prima! Bist du fündig geworden?«, wollte Sunny wissen. »Ich kann es kaum erwarten, bis wir dein Schlafzimmer damit ausgestattet haben. Dann können wir bei allen Farben … ach, zeig mal her!«

Erst jetzt dämmerte es Clara, dass Jakob nicht zufällig im Café vorbeigekommen war. Er wusste, dass sie beide hier waren und wurde offensichtlich auch eingeladen. Aber warum sagte ihr Sunny nicht Bescheid? Und wie sollten sie mal wieder in Ruhe quatschen können, wenn ihr Freund plötzlich dabei war. Clara war enttäuscht und überlegte, ob Sunny es vielleicht doch einfach nur vergessen hatte, ihr mitzuteilen, dass Jakob noch nachkäme.

Plötzlich stand ein frisch rasierter, südländisch wirkender Kerl an ihrem Tisch und grinste sie mit einem lässigen »Hallöchen allerseits!« an.

Was? Wer bist du denn?, wollte Clara den Verrückten schon anblaffen, da sprang Sunny auf und umarmte ihn. Jakob und er klatschten sich ab. »Ey, alles fit bei dir?«

»Ja, Mann. Muss, muss!«, antwortete der Typ.

»Clara, das ist Dennis. Dennis, das ist Clara«, stellte Jakob sie kurz und knackig einander vor und platzierte ihn neben Clara an ihrem Tisch.

Wo kam der denn jetzt her? Woher wusste er, dass sie hier waren? Wie viele Leute würden denn noch zu ihrem „Beste-Freundin-Kaffeeklatsch“ kommen?

»Und wie geht’s dir so?«, fragte Dennis in Claras Richtung.

»Ähm, gut. Danke.«

»Was trinkst du denn da?«

»Caffè Latte mit Sojamilch.«

»Bist du etwa Veganer?«

»Du etwa nicht?«, gab Clara bissig zurück.

»Nee, ich brauche Fleisch. Besonders nach dem Sport!«

»Das macht doch nichts. Ich finde, jeder darf seinem Körper antun, was er will.«

Dennis lächelte, als hätte Clara einen Witz gemacht. Aber den Zynismus erkannte er nicht.

Clara zog eine Augenbrauche hoch und sah Sunny fragend an.

»Was denn?«

»W-e-r i-s-t d-a-s?«, formte Clara langsam mit ihren Lippen und deutete heimlich auf Dennis, der sich inzwischen Jakob zugewandt hatte.

»Das ist ein Kollege von Jakob. Wir dachten, ihr solltet euch mal kennenlernen!«, flüsterte Sunny ihr zu.

Na toll, so schon mal gar nicht, dachte sich Clara und hatte plötzlich das Gefühl, dass Sunny nicht mit ihr Kaffee trinken und Quatschen wollte, sondern das Treffen von vorne herein nur als Verkupplungs-Date geplant hatte. Schon allein deswegen hatte Clara keine Lust mehr, sich weiter mit diesem Dennis zu unterhalten und ihn näher kennenzulernen. Er war bestimmt auch eingeweiht und sie war die einzig Doofe am Tisch, die die ganze Zeit von nichts wusste.

So geht das nicht, fand Clara. Bei einem eingefädelten Blind-Date gehört Alkohol dazu und kein Milchkaffee!

Clara nahm ihre Kaffeetasse in die Hand und lehnte sich zurück. Sie hatte keine Lust mehr, mit den Anwesenden zu reden und beobachtete lieber Jakob, während sie in winzigen Schlückchen ihren Caffè Latte leer nippte. Jakob war wirklich verliebt, seine Augen leuchteten Sunny an, die seine Anbetung sichtlich genoss. Sie fühlte sich wie eine Königin und Clara gönnte es ihr. Nach einer Weile verabschiedete Clara sich unter dem Vorwand noch etwas erledigen zu müssen. Natürlich ging sie nicht, ohne die spontane Runde noch wissen zu lassen, wie hocherfreut sie war, die Herren kennengelernt zu haben. Clara spazierte in der nachmittäglichen Frühsommersonne die acht Kilometer nach Hause. Sie hing ihren Gedanken nach und war eigentlich ganz froh, gerade allein zu sein.

»Sorry, Clara. Aber ich hatte nur Mitleid mit dir und wollte, dass du auch wieder einen Freund findest. Dennis ist doch ganz nett!«, entschuldigte Sunny sich bei Clara als sie am Sonntagabend telefonierten.

»Sunny, also ehrlich! Würdest du mit Dennis ausgehen wollen, wenn du Single wärst?«

»Ähm, nein. Das würde ich eher nicht.«

»Siehste!«

»Aber verliebt sein ist so toll! Du sollst dich auch wieder verlieben.«

»Ja, das will ich auch, aber nicht in irgendwen!«

Aber warum wollte Clara sich wieder verlieben? Sie wollte für jemanden da sein und mit diesem Menschen alles unternehmen, was allein keinen Spaß machte.

»Ich will wirklich wieder verliebt sein und es soll perfekt werden!«

Ich will, ich will, ich will …, dachte Clara. War sie zu anspruchsvoll? Hatte sie es nicht verdient, glücklich verliebt zu sein? Warum war es bloß so schwierig?

»Du musst dir eine Liste machen!«, befiehl ihr Sunny.

»Was denn für eine Liste?«

»Schreib auf, wie dein Traummann sein soll. Das hat bei mir auch funktioniert!«

»Ach, das ist doch Blödsinn. So einen werde ich doch nie finden!«

»Also, wenn das deine Wahrheit ist, dann wird es auch so sein. Jetzt mal im Ernst, schreib es auf! Denn wenn du nicht weißt, was du willst, wie soll dir dann das Universum liefern, was du gerne haben möchtest?«

Das Universum. Schon klar.

»Clara, mit allen Entscheidungen, die du je in deinem Leben getroffen hast, bist du verantwortlich dafür, dass du jetzt genau da bist, wo du eben gerade bist. Du bist mit deinem Denken und Handeln allein für dich verantwortlich.«

»Ja, ich weiß, dass ich selbst schuld bin, gerade hier zu sein und mir das Geschwätz anzuhören«, bemerkte Clara »aber schon gut, ich mach die Liste. Ich bestelle mir bei „deinem Universum“ meinen absoluten Traummann«, schwur Clara, bevor Sunnys Esoterik-Predigt noch mehr Fahrt aufnahm.

»Ob du es als Schuld oder als Chance betrachtest, ist ebenfalls deine Entscheidung«, merkte Sunny sanftmütig an.

Clara fühlte sich völlig erschöpft. Es war anstrengend, den ganzen Tag darüber nachzudenken, warum sie immer noch Single war. Das restliche Wochenende verbrachte sie zu Hause unter dem Vorwand, sie fühle eine Erkältung herannahen. In Wahrheit hatte sie sich nur faul ausgeruht und sich die ganze Zeit gewünscht, irgendwo weit weg an einem einsamen, sonnigen Strand zu liegen und die Welt zu vergessen. Im Büro wollte Clara lieber ihren Ratgeber fertig schreiben, aber musste für einen Agenturkunden einen Messe-Auftritt und einen „Tag der offenen Tür“ konzipieren. Die Projekte machten ihr zwar Spaß, aber sie kam mit der Planung nur schleppend voran. So, wie sich gerade ihr ganzes Leben vor ihr herschleppte.

Es gab momentan einfach keine Highlights in ihrem Leben. Sie lebte wirklich nur für den Alltag. Die anfänglichen Frühlingsgefühle entpuppten sich bloß als Frustgefühle. Das Jahr konnte nur besser werden!

Kein Date ohne Katastrophe

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